Dämonen der Vergangenheit

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„Scheiss Haare", zische ich und lege entnervt die Haarbürste zur Seite. Wieso muss gerade heute das Geburtstagsfest meines Neffen sein? Ich liebe Liam über alles, aber heute läuft einfach alles schief. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich viel zu spät dran bin. Also haste ich mit schnellen Schritten in mein Schlafzimmer und ziehe das weisse Kleid mit dem zartrosa Blütenmuster an. Bevor ich dazu komme den Reissverschluss, der sich hinten an dem besagten Kleid befindet, schliessen kann, klingelt es an der Tür. „Auch das noch...", flüstere ich so leise ich kann. Ich überlege kurz, ob ich einfach nicht aufmachen soll, doch der oder diejenige klingelt einfach weiter. Ich atme tief durch und entscheide mich dann dafür die Tür zu öffnen und mich der Person zu stellen, die mich an diesem ziemlich miesen Tag noch belästigen will.

Ein kleiner Blick in den Spiegel reicht um mich beinahe zum Verzweifeln zu bringen, denn ich sehe einfach total gestresst aus. Die grossen roten Flecken auf meinen Wangen und dem Hals zeugen davon wie sehr mich dieser Tag schon stresst, denn in der letzten Zeit läuft nichts mehr wie es sollte. Alles fühlt sich so an, als würde ich Schlafwandeln und nie richtig aus diesem Dämmerzustand aufwachen. Schnell schiebe ich den Gedanken an diesen einen Tag im letzten September zur Seite und haste durch den Flur zur Tür. Ich atme noch einmal tief ein und wieder aus und öffne dann die Tür. Zuerst erkenne ich den grossen Mann nicht der vor mir steht, doch als ich den Blick hebe und in sein Gesicht schaue, wird mir kalt und heiss, aber vor allem kalt. Denn dieser Mann sucht mich seit einem halben Jahr stets in meinen Träumen heim, lässt mich alles immer wieder erneut durchmachen nur um dann festzustellen, dass ich mich immer noch so allein und hilflos fühle, wie an jenem Tag im September.

„Haylie?", reisst mich seine tiefe Stimme aus meinen Erinnerungen. Blinzelnd schaue ich zu ihm auf und weiss nicht was ich sagen soll. Ich schlucke, was mit einem staubtrocknen Mund gar nicht so einfach ist. „Kann ich rein kommen?", fragt er und sieht mich abwartend an. Wieder blinzle ich mit meinen Augen, was wohl das einzige ist das ich im Moment auf die Kette bekomme. Stumm nicke ich und mache ihm Platz damit er eintreten kann, als seine Schulter meine Brust streift, halte ich den Atem an und schliesse die Augen um die aufsteigenden Gefühle unter Kontrolle zu bekommen. Ich atme zittrig aus und schliesse danach die Tür, ohne ihn noch einmal anzusehen. „Eine sehr schöne Wohnung." Seine Stimme lässt den Strudel nur noch grösser werden und ich habe Angst hineinzufallen, wenn ich mich zu weit nach vorne beuge. Die Flut der Erinnerungen reisst alles mit sich was sie in ihre gierigen kleinen Hände bekommt und als die Wellen über mir zusammenschlagen, haste ich ins Badezimmer und schliesse die Tür. Setze mich auf den Rand der Wanne und atme tief ein und aus, versuche mein rasendes Herz zu beruhigen. Denn dieses ist gerade dabei am Rad zu drehen, es schlägt so schnell wie noch nie und krampft sich schmerzhaft zusammen.

„Beruhige dich....alles ist okay. Es ist nur er...keine Panik...du schaffst das", beschwöre ich mich selbst und zähle innerlich bis auf drei. Danach stehe ich auf, schaue noch einmal in den Spiegel und kann meine ganze Geschichte in meinen grünen Augen erkennen. „Verdammt noch mal, Haylie! Jetzt reiss dich zusammen", flüstere ich barsch und verlasse das Badezimmer. Da ich ihn im Flur nicht mehr finde, gehe ich in die Küche. Er steht da und betrachtet die kleine Fotowand, die über dem Esstisch hängt. Ich reibe mir über den Arm, denn mir ist auf einmal schrecklich kalt. „Was machst du hier, Sam?", frage ich und meine Stimme hört sich kratzig an. Ich räuspere mich und sehe wie er sich zu mir umdreht. In seinen blauen Augen kann ich vieles sehen, vor allem aber ist es Neugier gemischt mit Schmerz. Es geht ihm also genauso wie mir, ein kleiner Trost wie mir scheint.

„Ich war gerade in der Nähe...", er verstummt. Denn er weiss, dass dies eine lächerliche Lüge ist, immerhin wohnt er nicht einmal auf diesem Kontinent. Er erkennt, dass ich ihn durchschaut habe und kratzt sich am Nacken. Mir fällt auf, dass sein Haar kürzer ist. Wann er es wohl geschnitten hat? Ich verscheuche die kleine Frage und konzentriere mich auf seine Antwort. „Okay, ich bin geschäftlich im Land. Trotzdem wollte ich dich sehen, weil...", weiter lasse ich ihn nicht reden. „Was ist mit deiner Freundin, weiss sie, dass du hier bist?" Ich klinge nicht wie sonst, denn normalerweise rede ich nicht mit einer Stimme die so barsch ist, dass es einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Doch sein plötzliches Auftauchen hat alles verändert und dennoch spüre ich tief in mir drin, dass sich ein kleiner Teil darüber freut. Sam kommt einen Schritt auf mich zu und bleibt dann aber stehen, vielleicht denkt er sich, dass ich ihm an die Gurgel springe wenn er sich noch weiter vor wagt.

September - KEIN TAG OHNE DICHWhere stories live. Discover now