Die andere Frau

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„An was denkst du gerade?" Sam sieht mich lächelnd an, ich drehe mich auf die Seite und male kleine Kreise auf seine Brust und warte auf seine Antwort. Mit der er sich etwas Zeit lässt. In seinen Augen kann ich erkennen, dass er sich Gedanken darüber macht. Was gar nicht gut ist, denn ich weiss was das zu bedeuten hat. Doch bevor ich die Panik weiter schüre, warte ich erst einmal ab. „Daran wie glücklich ich mich gerade fühle und wie froh ich darüber bin, dass ich hierher geflogen bin." Ich weiss nicht ob das alles ist, oder ob da noch mehr dahinter steckt, aber ich belasse es dabei. „Das bin ich auch", flüstere ich und kuschle mich in seine Arme.

„Du hast mich einen Engel genannt, der sich wie eine Löwin vor dich gestellt hat, doch das stimmt so nicht", sage ich nach einer kleinen Ewigkeit und setze mich auf. Schlinge meine Arme um meine Knie, die ich an meine Brust gezogen habe. Sam setzt sich ebenfalls auf und sieht fragend an. Ich lecke mir über meine trockenen Lippen und versuche etwas Ordnung in das Chaos, das in mir herrscht, zu bringen. Sams Blick ruht die ganze Zeit auf mir, doch er drängt mich nicht, lässt mir so viel Zeit wie ich brauche. Was ich sehr an ihm schätze und froh darüber bin. „Als ich diesen Platz, auf dem die Premiere eröffnet wurde, bevor es dann in das Gebäude ging, hatte ich bereits so ein seltsames Gefühl, als ob etwas Schreckliches passieren würde. Die Menschen auf dem Platz spürten das nicht und das hat mich noch mehr beunruhigt. Wieso ich an diesem Tag im September dorthin ging, weiss ich heute noch nicht. Es ist so, als ob ich dorthin geschickt wurde, von was auch immer. Als die ersten Schüsse fielen, brach eine gewaltige Panik aus und ich...", ich verstumme, brauche eine kleine Pause um mich zu sammeln.

Sam nimmt meine Hand in die seine, streichelt sanft mit seinem Daumen über meinen Handrücken und zeigt mir, dass er immer für mich da ist. Mir immer zur Seite steht, ganz gleich was noch alles passieren wird. Ich versuche ihn anzulächeln, doch ich drifte immer mehr in die Vergangenheit ab und tauche schliesslich gänzlich ein. „Ich hörte die Menschen schreien, ihre Schreie waren voller Angst und Verzweiflung. Jemand schrie, dass es jemand getroffen hätte. Doch in der ganzen Panik ging das unter und keiner schien sich für diesen Menschen zu interessieren. Nicht einmal die Fans die nur wegen ihm gekommen waren, nicht einmal die. Also rannte ich durch die Menge, drängte mich durch die Massen an verängstigten Menschen und als ich dich am Boden liegen sah, leichenblass und unter die immer grösser werdende Blutlache, wusste ich, dass ich dir helfen musste. Also kniete ich mich vor dich und sah sofort die zwei Einschusslöcher. Eine in der Schulter, die andere im Unterbauch. Du hattest die Augen geschlossen und für einen Moment erstarrte ich und wusste nicht was ich tun sollte. Ich war wie gelähmt, völlig handlungsunfähig. Doch als du die Augen aufgerissen und mich angesehen hast, löste sie sich und ich konnte wieder reagieren. Diese eiserne Faust, die sich um mich gelegt hatte, war fort und ich redete auf dich ein."

Ich atme tief ein und wieder aus, versuche die Kälte von mir fern zu halten, die sich mir nähert. Was sie immer tut, wenn ich an diesen Tag zurückdenke. „Als ich dich sah, habe ich zuerst einen Engel gesehen. Ein wunderschönes Wesen, das mich retten wird. Doch dann kam alles anders...", fügt Sam leise hinzu und senkt den Blick. Die Vergangenheit sucht auch ihn heim, ich erkenne das an diesem leeren Blick und dem leichten Zittern. „Dass die Täter zurückkommen, hätte ich nie gedacht. Das sie plötzlich auch mich bedrohen, mich sogar als ihre Geisel nehmen würden, nur um noch mehr Aufmerksamkeit zu bekommen, ist einfach grauenhaft und erbärmlich", flüstere ich und schüttle den Kopf, um die Bilder zu verscheuchen die sich langsam in mein Bewusstsein drängen. Doch egal wie sehr ich mich dagegen wehre, desto deutlicher werden sie. „Ich hatte also nur eine Möglichkeit um dich zu beschützen, ich musste deren Geisel werden." Meine Stimme klingt heiser und verletzlich, etwas das ich seitdem nie wieder sein wollte und doch jeden Tag aufs Neue bin.

„Wieso sie dich dann ebenfalls als Geisel genommen haben, weiss ich bis heute nicht. Sie hatten bereits einen Anschlag verübt, bei dem es dutzende Verletzte gab. Aber so hatten sie noch einen prominenten Schauspieler in ihrer Gewalt, das hat ihnen noch mehr Aufmerksamkeit gebracht. Diesen Schweinen...", wispere ich und senke den Blick. Will nicht, dass er mich schon wieder weinen sieht. Doch Sam nimmt mich stumm in den Arm und streichelt mir übers Haar, lässt mich spüren, wie viel ich ihm bedeute und ich bin ihm so unendlich dankbar dafür. „Deine Schreie...Sam, sie haben sich für immer in meine Seele gebrannt. Unwiderruflich. Ich hasste mich dafür dir solche Schmerzen zuzufügen, doch nur so konnte ich dich retten. In mir brannte der Hass auf diese Männer, die ihre Taten im Namen Gottes verübten und nicht vor Gewalt und sogar Toten zurückschrecken. Sie sind die die unsere Welt vernichten, mit Hass und Zwietracht vergiften und sich daran erfreuen, wie wir uns gegenseitig bekriegen. Diese Menschen haben es nicht verdient zu leben, kein einziger von ihnen."

September - KEIN TAG OHNE DICHNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ