Neue Freunde, neues Leben!

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 Mit quietschenden Reifen brettere ich durch die Strassen Londons und habe einen Heidenspass daran. Ich gebe Gas und biege nach rechts ab, drifte in die Kurve und kann das Gefühl von Adrenalin gemischt mit dem Gefühl der Freiheit bis tief in mein Herz spüren.  "Wenn du weiter so fährst, bringst du uns beide noch um", höre ich Vincent neben mir sagen. Er hasst es, wenn ich am Steuer sitze, doch heute verfolge ich diesen Mistkerl, der ein Juweliergeschäft überfallen hat und das mitten am Tag. "Das, mein Lieber, nennt man Berufsrisiko", erwidere ich lachend. Ich habe den schwarzen Ford Mustang vor mir fest im Blick, dieser Typ wird mir nicht entwischen. So viel steht fest.

Wir verfolgen diesen Wagen schon durch die ganze Stadt, langsam reicht es mir. Ich dränge die anderen Autos zur Seite und ignoriere die wütenden Gesichter geflissentlich. Auch das Gehupe beachte ich nicht, sondern steuere direkt auf den flüchtigen Fahrer zu. Als er den Kopf zu mir rüber dreht, grinst der Typ mit den giftgrünen Haaren mir direkt ins Gesicht. Was er definitiv nicht hätte tun sollen. "Na warte du Mistkerl!", zische ich und dränge ihn immer mehr ab. Doch der alte Ford Mustang hat mehr Power als ich gedacht habe, und so schafft er es trotzdem nach vorne zu preschen und mir wieder zu entwischen. "Scheisse", fluche ich und schlage mit der flachen Hand aufs Lenkrad. Spüre einen leicht dumpfen Schmerz durch meine Hand pulsieren, was mich noch wütender macht.

"Ruhig Brauner", höre ich Vincent sagen und als ich ihn anschaue, verdrehe ich die Augen. Denn ich will unbedingt diesen fahrerflüchtigen Dieb kriegen und da brauche ich kein beschwörendes Gerede von einem Ex US Army Typen der noch dazu Medizin studiert hat. Doch egal wie schnell ich durch die Strassen fahre, der Typ bleibt verschwunden. Als wir an der Metropolitan Police Service Station ankommen, steige ich entnervt aus dem blauen Kia aus und gehe mit zusammen gepressten Lippen an meinem Partner Vincent Keller ins Department. "Haylie, jetzt warte doch mal", ruft er mir zu. Seufzend bleibe ich stehen und fahre mir entnervt durch das braune, kinnlange Haar. 

Seit etwa einem halben Jahr bin ich nun Polizistin bei der Metropolitan Police Station und ermittle als Detective bei den Special Crimes. Ich habe mich weiterentwickelt, habe gelernt mit dem Erlebten umzugehen und es produktiv zu nutzen. Deshalb bin ich Polizistin geworden, um den Menschen zu helfen die genau wie ich unfreiwillig Opfer einer Straftat geworden sind und ihnen die Gerechtigkeit zu geben, die sie verdienen. "Wieso bist du so verbissen, jeden festzunehmen? Ich will nicht den Klugscheisse geben, aber ich arbeite schon wesentlich länger hier als du und weiss, dass solche Diebstähle zwar schlecht für die Besitzer der Läden sind, aber es ist keiner zu Schaden gekommen. Also atme tief ein und aus und entspann dich etwas. Okay?" Ich schaue zu ihm auf, betrachte seinen Dreitagebart und die braunen Augen, die mich sonst immer so sanftmütig anschauen, jetzt aber einen leichten Tadel darin erkennen lassen und senke den Blick.

Ich atme tief durch, genau wie er es von mir verlangt, ehe ich ihm antworte. "Ja tut mir leid. Aber ich dachte ich würde ihn kriegen." Vincents Lachen hört sich gut in meinen Ohren an, in seiner Nähe fühle ich mich wohl. Es fühlt sich leicht an mit ihm zu arbeiten, was nicht immer so war. Anfänglich zeigte er mir die kalte Schulter, denn er war nicht begeistert eine Partnerin zu bekommen, noch dazu einen Frischling, wie sie die Absolventen der Polizeischule nennen. Doch nach einiger Anlaufzeit sind wir Freunde geworden. Dennoch habe ich ihm nichts von meiner Vergangenheit erzählt, ob ich es auch jemals ansprechen werde, weiss ich nicht. Denn für die Polizeischule war es kein Hindernis, denn sie erkannten, dass ich es verarbeitet habe. Und trotzdem war es anfangs komisch auf Menschen zu schiessen. Auch wenn es bloss aufgestellte Figuren aus Pappkarton waren. Aber ich habe es durchgezogen und das gibt mir ein gutes Gefühl. Meine Familie hat mich zwar etwas seltsam beäugt, als ich ihnen von meinem Entschluss erzählt habe, aber wenigstens habe ich Tess an meiner Seite, die mich von Anfang an unterstützt hat. 

"Du musst dich nicht entschuldigen. Nicht dafür", reisst er mich aus meinen Gedanken. Ich nicke und zusammen gehen wir ins Büro. Das stetige Telefongeklingel war am Anfang etwas störend, doch heute lässt es mein Herz aufgehen. Als wir uns an unseren Schreibtisch setzen und ich das Formular für den Bericht hervorhole, checkt Vincent seine E-Mails. Was ihm ein Brummen entlockt, fragend schaue ich ihn an. "Diese  Spendengala ist doch heute Abend und sie suchen noch nach Verstärkung. Scheint so, als ob wir da hingehen werden." Ich runzle die Stirn und sehe wie er lacht. "Hattest du schon Pläne für heute Abend?", fragt er neugierig. Ich schnaube und schüttle den Kopf. "Wenn auf der Couch liegen und Pizza essen ein Plan ist, dann ja", erwidere ich grinsend. Vincent beugt sich etwas nach vorne und sieht mich mit einem schelmischen Grinsen an. "Klingt nach einem guten Plan, nur leider wird das heute nichts. Ausserdem frage ich mich gerade, ob du überhaupt ein Kleid besitzt. Denn ich habe dich bis jetzt nur in Jeans gesehen." Ich rolle mit den Augen und lache, als Vincent einige Farben aufzählt die mir stehen würden. "Bist du neuerdings Stylist, oder weshalb gibst du bei der Farbauswahl Tipps?" 

September - KEIN TAG OHNE DICHWhere stories live. Discover now