Dem Tode entronnen

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Ich warte schon seit einigen Stunden im Café, dass einige Blocks von meiner Wohnung entfernt liegt. Bei jedem der das Café betritt habe ich das Gefühl das es Sam ist, doch es ist jedes Mal jemand anderes. Langsam frage ich mich wirklich ob die Gefahr noch besteht, sicher ich arbeite bei der Polizei. Ich werde tagtäglich mit dem Verbrechen konfrontiert, doch wenn es einem selbst passiert, beginnt man schnell an seiner eigenen Meinung zu zweifeln. So geht es mir im Moment, wer sagt mir, dass die Leute die die Drohung an meine Wohnungstür geschrieben haben, mich noch ein weiteres Mal angreifen würden.

Denn ich habe bis jetzt nicht mehr weiter an diesem Fall gearbeitet, also sollten sie auch keinen weiteren Grund sehen, mich zu bedrohen. Ich rühre in dem bereits vor stunden erkalteten Tee und beschliesse mir draussen etwas die Beine zu vertreten. Also bezahle ich und schnappe mir meine Jacke, die ich mir während dem rausgehen anziehe. Draussen weht mir der kühle Wind ins Gesicht und ich bleibe stehen, um ihn voll und ganz zu geniessen. Im Café hat es zwar lecker nach Brötchen und anderen Köstlichkeiten gerochen, doch dieser kühle Wind ist genau das was ich gebraucht habe. Ich schaue auf mein Handy und sehe, dass mir Vincent dutzende Nachrichten geschrieben und mir sogar aufs Band gesprochen hat. Seufzend höre ich mir seine Nachricht an:

„Haylie? Wo bist du verdammt? Ich suche dich die ganze Zeit und habe keinen Plan wo du steckst. Wenn du das also hörst, melde dich schleunigst bei mir, denn ich mache mir Sorgen um dich. Und wegen dem was gestern passiert ist, können wir ja mal in Ruhe reden, denn mir bedeutet unsere Freundschaft sehr viel." Ich presse die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen und weiss nicht was ich tun soll. Mit ihm reden will ich jetzt nicht, aber ich will auch nicht, dass er wegen mir die ganze Zeit nach mir sucht. Also schreibe ich ihm eine Nachricht.

Tut mir leid. Musste mal raus, mir geht's gut. Du brauchst nicht mehr nach mir zu suchen.

Damit stecke ich mein Handy wieder weg und setze mich in Bewegung. Ohne darauf zu achten wohin ich überhaupt laufe, setze ich einen Fuss vor den anderen und irgendwie verselbstständigt sich das ganze. Denn als ich das nächste Mal aufblicke, bin ich wieder in der Gegend in der meine Wohnung liegt. Ich bleibe stehen und schaue mich um, alles sieht friedlich aus. Der Wind weht in den Baumwipfeln, ein paar Krähen kreisen in der Luft und geben Laute von sich, die in meinen Ohren widerhallen. Ich streiche mir das Haar aus dem Gesicht und frage mich, weshalb ich mir solche Sorgen gemacht habe. Es ist doch alles ruhig. Doch plötzlich rast ein Wagen mit quietschenden Reifen um die Ecke und auf steuert mich zu. Ich halte den Atem an, weiss was jetzt passieren wird, doch ich bin wie gelähmt.

Die Fensterscheibe öffnet sich und als ich den Lauf einer Waffe im Licht der Mittagssonne aufblitzen sehe, erstarre ich komplett. Ich blicke in den Lauf der Pistole und es ist, als würde ich direkt hineinsehen. Doch, als sich ein Schuss löst werde ich plötzlich zu Boden gerissen. Unsanft lande ich auf dem Asphalt und höre jemanden über mir schwer atmen und als ich die Augen aufreisse, blicke ich in die zwei blauen Tiefen von Sam. Ich bin so geschockt, dass ich nichts sagen, geschweige denn tun kann. Für einige Sekunden schauen wir uns deshalb bloss in die Augen und ich erkenne plötzlich die Antworten auf all meine Fragen. Doch die Situation lässt mich jetzt daran nicht denken, sondern verlangt von mir zu reagieren. Hätte ich meine Dienstwaffe dabei, hätte ich das Feuer eröffnet, doch so bin ich machtlos. Weitere Schüsse hallen durch die Luft und Sam schirmt mich mit seinem Körper ab.

Doch sie verfehlen alle ihre Ziele, und als sich das Auto entfernt, realisiere ich erst jetzt was da gerade passiert ist. „Ist alles in Ordnung? Geht's dir gut?", fragt er mich und sieht mich besorgt an. Ich will antworten, doch mein Körper will noch nicht so recht reagieren. Also nicke ich nur stumm und lasse mir von ihm aufhelfen. Meine Beine fühlen sich wie Wackelpudding an. „Du zitterst ja am ganzen Körper", höre ich ihn sagen. Doch seine Stimme klingt meilenweit weg, als würde in meinen Ohren Watte stecken. Ich schüttle den Kopf, um das Gefühl los zu werden, doch das will mir nicht so recht gelingen. Doch als er meine Hände mit seinen umschliesst und mich zu sich heranzieht, löst sich allmählich die Starre. Und ich erwidere die Umarmung, geniesse sie sogar sehr und bin froh, dass er da ist. „Du hast mir das Leben gerettet", wispere ich an seine Brust und wünschte mir, ihn nie wieder loslassen zu müssen. Er küsst mich auf die Stirn und presst mich noch näher an sich heran.

September - KEIN TAG OHNE DICHWo Geschichten leben. Entdecke jetzt