Sag ja!

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Zwei Monate, acht Wochen, 60 Tage sind vergangen.

Vincent liegt nach wie vor im Koma, weil sein Herz für drei Minuten und vierundvierzig Sekunden stehen geblieben ist, wurde sein Gehirn nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Was zur Folge hatte, dass er seitdem nicht ansprechbar ist. Sein Körper schützt sich weiterhin mit dem komatösen Zustand und die Ärzte wissen nicht, wann und ob er überhaupt wieder aufwachen wird. Viel hat sich seitdem verändert, ich arbeite nach wie vor als Polizistin, habe mittlerweile eine neue Partnerin, mit der ich mich zwar verstehe, es aber nie so wie mit Vincent sein wird.

Sam hat sich eine Wohnung in London gemietet, ist aber so gut wie nie da. Denn er hat viel mit seiner Arbeit als Schauspieler zu tun. Und wenn er gerade nicht am Drehen ist, dann ist er in LA bei seiner Tochter. Jeden Abend komme ich nach Hause, in eine leere Wohnung die trotzdem meine Zufluchtsstädte geworden ist. Die Ruhe hilft mir nach einem stressigen Arbeitsalltag runter zu kommen, meistens sitze ich dann auf dem Dach. An dem Tag, nachdem Vincents Herz still stand, bin ich nach Hause gekommen und fühlte mich so eingeengt, dass ich kaum noch Luft bekommen habe.

Da bin ich kurzerhand aufs Dach gerannt und als ich dort oben stand, konnte ich wieder durchatmen. Seitdem ist dies meine Routine am Abend, mittlerweile ist es Sommer und ich begrüsse den kühleren Wind, der mir hier oben ins Gesicht weht. Er hilft mir die Dinge klarer zu sehen, mit etwas Abstand, denn wenn man wie ich in so etwas involviert ist, dann sieht man alles völlig verzerrt. Und auch jetzt sehne ich mich danach, doch als ich mich von meiner Partnerin, die sich allen ernstes Kiki nennt, verabschiede, hält mich Chief Ward auf. „Ah, gut das ich Sie noch antreffe. Ich habe hier einen Brief für Sie", meint er und überreicht mir den länglichen Umschlag. Stirnrunzelnd betrachte ich den Absender, was mein Vorgesetzter sieht, und sich verlegen am Kopf kratzt.

„Quantico?", lese ich leise vor und spüre dabei den Blick meines Chefs auf mir. „Nun ja, ich weiss, eigentlich meldet man sich dort selbst an, aber ich wusste nicht ob Sie es tun würden. Und ich dachte, dass ein ausgezeichneter Detective wie Sie sicher die besten Chancen haben würden. Überlegen Sie es sich, es wäre ein Sprungbrett, eine Möglichkeit ihrem Leben eine neue Richtung zu geben. Ich weiss ja, was Sie in den letzten Monaten alles durchmachen mussten und ich wünschte es mir für Sie, dass Sie die Chance ergreifen, die sich Ihnen bietet." Wow, so viel hat Chief Ward noch nie mit mir gesprochen und verunsichert mich damit sehr. Ich nicke bloss, weil ich nicht weiss was ich antworten soll.

Der Chief nickt ebenfalls, sieht mich an, als wüsste er nicht was er noch sagen soll und wünscht mir einen schönen Feierabend. Ziemlich perplex über dieses Gespräch, verlasse ich die Dienststelle und setze mich in meinen Wagen. Den Brief lege ich auf den Beifahrersitz und zieht während der ganzen Fahrt meinen Blick auf sich. Ich besuche jeden Abend Vincent im Krankenhaus. Die Pflegerinnen kennen mich bereits und freuen sich darüber, wenn ich ihn besuche. Doch dieses Mal nehme ich das Lächeln, das sie mir zuwerfen, kaum wahr, denn der Brief ist Teil meiner Gedanken. Ich habe ihn im Auto gelassen, und trotzdem kann ich nicht aufhören daran zu denken.

Als ich die Tür zum Zimmer, in dem Vincent seitdem liegt, öffne und eintrete, bleibe ich wie angewurzelt stehen. Denn das Zimmer ist leer, kein Bett steht darin, die Geräte sind alle weg. Alles beginnt sich um mich herum zu drehen und ich habe Angst gleich zu fallen. Als ich aus dem Augenwinkel Sarah, die jüdische Krankenschwester, sehe, drehe ich mich erschrocken zu ihr um und kriege vor Angst keinen Ton heraus. „Geht es Ihnen nicht gut?", fragt sie mich besorgt. Ich schüttle den Kopf und betrachte noch einmal das Zimmer.

Noch immer sitzt mir die Angst im Nacken und ich fasse meinen ganzen Mut zusammen, um sie darauf anzusprechen. Auch wenn ich die Antwort nicht hören möchte. „Wo ist Vincent...äh ich meine Mr Keller?", frage ich sie und versuche die aufsteigenden Tränen zu verdrängen. „Darüber wollte ich mit Ihnen sprechen, Miss Grey." Ihr Bild vor mir verschwimmt und ich lasse den Kopf sinken, weil ich genau weiss, was sie jetzt sagen wird.

September - KEIN TAG OHNE DICHOnde as histórias ganham vida. Descobre agora