Eine Warnung die unter die Haut geht

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Eine Woche ist seitdem vergangen. Sam hat mich nicht zu einer Antwort gedrängt. Worüber ich ihm sehr dankbar bin, denn ich muss mir zuerst klar werden was ich will und im Moment, weiss ich das nicht. Dank seiner intensiven Pflege habe ich mich soweit erholt, dass ich ohne fremde Hilfe aufstehen und mich duschen kann. Mein Gesicht ist zwar noch grün und blau, doch die Schwellung am Auge ist deutlich zurück, sodass nur noch ein grosses Veilchen zusehen ist. Meine Rippen schmerzen immer noch, und das wird auch noch eine ganze Weile so bleiben. Aber ich kann mich wenigstens etwas mehr bewegen als vorher.

Sam ist zu seiner Familie gefahren, da seine Mutter Geburtstag hat und er bei der Feier dabei sein wollte. Um ehrlich zu sein bin ich froh das er für ein paar Tage weg ist. Nicht, weil ich ihn nicht in meiner Nähe haben möchte, sondern, weil ich mir vielleicht so besser klar darüber werden kann was ich möchte und für wen mein Herz wirklich schlägt.

Gerade bin ich auf dem Weg zum Revier. Ich bin zwar noch krankgeschrieben, aber der Papierkram ist liegen geblieben und den möchte ich so gut es geht aufarbeiten. Doch als ich vor der Tür Vincent stehen sehe, werden meine Schritte langsamer. Vielleicht hat es damit zu tun, dass ich ihn vor ein paar Tagen angemotzt habe, als er meinte, dass der Typ der mich zusammengeschlagen hat, nichts brauchbares ausgesagt hatte. Ich war einfach nur frustriert und hatte Angst das er mich noch einmal angreifen könnte. Doch das hat er Gott sei Dank nicht. Als ich Schritte höre, halte ich den Atem an. Wann immer ich etwas höre das ich nicht einordnen kann, spüre ich wie die Angst in mir aufkeimt. Sie lähmt mich so stark, dass ich kaum noch Luft bekomme. Es fühlt sich so an, wie damals nach dem Terroranschlag.

"Haylie?", reisst mich Vincent aus meinen trüben Gedanken. Ich zucke zusammen, obwohl ich ja weiss, dass er es sein könnte. Aber die Angst wird irgendwann zu deinem ständigen Begleiter, wer wenn nicht ich weiss das. "Hey, tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken", sagt er und sieht mich entschuldigend an. Ich atme langsam aus und versuche meinen rasenden Puls zu kontrollieren. Was gar nicht so einfach ist. "Schon okay", wiegle ich ab. Vincent nimmt es mir nicht ab, doch er bohrt nicht weiter nach.

"Was machst du hier?" Ich kaue auf meiner Lippe, als ich an ihm vorbei zum Eingang schiele. "Ich...äh...wollte den Papierkram erledigen. Ist sicher einiges liegen geblieben", antworte ich und versuche nicht all zu ertappt zu wirken. Vincents Ausdruck nach zu urteilen, ist es wenig erfolgreich. "Du bist noch krankgeschrieben und solltest dich ausruhen. Ich bringe dich zurück nach Hause", meint er und will mich sanft in Richtung Parkplätze schieben. Doch ich weiche einen Schritt zurück und presse die Lippen aufeinander, um nicht laut zu stöhnen. Denn ein stechender Schmerz jagt durch meinen Körper und raubt mir den Atem. "Alles in Ordnung?", höre ich ihn fragen. Ich hebe die Hand und zeige mit dem Daumen nach oben, was Vincent brummen lässt.

"Mir geht's gut. Wirklich. Ich muss einfach mal wieder raus, mir fällt sonst die Decke auf den Kopf", sage ich und sehe ihn bittend an. Zuerst sieht es so aus, als wollte er mich ohne ein weiteres Wort zu seinem Wagen schieben, doch dann schliesst er die Augen und nickt gequält. "Na schön, aber nur Papierkram, okay?" Lächelnd nicke ich und zusammen gehen wir ins Revier. Drinnen sehen mich einige Kollegen seltsam an, auch der Chief sieht mich mit einem fragenden Blick an. Doch Vincent nickt ihm zu und verfrachtet mich an meinen Schreibtisch. "Ein Kollege bringt dir nachher die Akten die es zu bearbeiten gibt. Ich wünsche dir viel Vergnügen", sagt er und will gehen, doch ich halte ihn auf, indem ich ihm am Arm anfasse. Und spüre ein Kribbeln auf meiner Haut. Dort wo meine Finger seinen Arm berühren. "Und du gehst jetzt, oder wie soll ich das verstehen?", frage ich beinahe schockiert. Was Vincent lächeln lässt, was mir ein warmes Gefühl im Magen gibt.

Seltsam...

"Ich wollte vorhin gerade zu einem Einsatz. Wir sehen uns später", sagt er und zwinkert mir zu. "Ja du mich auch", brumme ich und verschränke die Arme vor der Brust. Seufzend sitze ich da und sehe wie ein Kollege mir zwei Stapel mit je einem Dutzend Akten vorbei bringt. "Papierkram ahoi", scherzt dieser als er wieder verschwindet. "Haha", flüstere ich und schnappe mir die erste Akte. Die sogar Staub angesetzt hat. Augenrollend schlage ich sie auf und beginne mit meiner Arbeit.

September - KEIN TAG OHNE DICHWo Geschichten leben. Entdecke jetzt