Gerechtigkeit

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Ich schlucke und versuche gegen die Panik anzukämpfen, die sich in mir ausbreiten will. Doch in dieser mehr als vertrackten Situation geht das nicht so wie ich mir das gedacht habe. „Hände hoch und schieb die Knarre rüber", brüllt der Typ mich an. Meine Muskeln sind zum Zerreissen gespannt und ich atme bis tief in den Bauch, um meinen rasenden Herzschlag zu beruhigen. Langsam drehe ich mich zu ihm um und strecke dabei meine Hände nach oben. Als ich ihm gegenüberstehe, erstarre ich, denn es ist der gleiche Typ der mich damals zusammengeschlagen hat. Diese Augen...werde ich überall wiedererkennen.

„Hat es dir Spass gemacht mich zu verprügeln, hm?", gifte ich ihn an. Wut gemischt mit Adrenalin peitscht durch meine Venen und bringt mich auf hundertachtzig. Er lacht mich aus, schallend und übertrieben laut. „Ob es mir Spass gemacht hat? Auf jeden Fall, doch ich wäre noch lieber einen Schritt weitergegangen. Siehst ganz hübsch aus, naja, vielleicht ergibt sich später noch eine Gelegenheit ein bisschen Spass zu haben", erwidert er trocken und kommt einen Schritt auf mich zu. „Und jetzt her mit der verdammten Knarre", brüllt er. Ich halte seinem stechenden, beinahe durchbohrenden Blick stand. Er soll ja nicht denken, dass ich mich eingeschüchtert von ihm fühle. Hinter mir höre ich die Frau wimmern, schnell drehe ich den Kopf und sehe, wie der zweite Typ, der vorhin einfach verschwunden ist, sie gepackt hat und seinen Kumpanen fragend ansieht.

„Schau mich gefälligst wieder an, du dämliches Miststück", knurr er und packt mich am Arm und zieht mich zu sich heran. Er wirbelt mich herum und drückt mich gegen die Wand des Silos, welches sich kalt in meinen Rücken bohrt. „Bist du taub? Ich hab gesagt, du sollst mich ansehen", schreit er und packt mein Gesicht mit seiner Hand. Schmerzen pulsieren durch meine Adern, seine Fingernägel graben sich in meine Wangen und verstärken den Schmerz. Mein Blick gleitet über das Gelände, in der Hoffnung irgendwelche Bewegungen ausmachen zu können, doch ich sehe nichts. Keine Schatten, die durch die Gegend huschen, ich sehe auch kein Aufblitzen von Metall, das mir zeigen würde, dass Vincent mit der Verstärkung da ist.

„Was schaust du dich denn so um? Denkst du, dass dich jemand retten wird? Du hast keine Marke, bloss deine Waffe dabei, was mir zeigt, dass du nicht im Dienst bist. Also bist du alleine hier, was wiederum bedeutet, dass dir niemand zu Hilfe eilen wird", dröhnt seine Stimme in mein Ohr. Ich senke den Blick und schweige, presse meine Lippen zu einer schmalen Linie zusammen. Vincent wird schon rechtzeitig auftauchen, denke ich für mich und bete zu Gott das ich richtig liege. „Der Boss wird froh sein, endlich seine Widersacherin aus dem Verkehr gezogen zu haben. Das wird eine schöne Extrasumme geben, und da du uns die Arbeit abgenommen hast, wirst du dafür auch belohnt. Omar, sperr sie zu den anderen und mach nicht so viel Krach wie beim letzten Mal, kapiert?", letzteres sagt er zu seinem Kumpanen. Der nickt und murmelt etwas unverständliches vor sich hin, ehe er sich die schwangere Frau schnappt und mit ihr verschwindet.

Der Typ, dessen Namen ich nicht kenne, lässt mein Gesicht los und dreht mich um, sodass ich mit dem Gesicht zu Wand stehe. „Was habt ihr mit den Frauen vor?", frage ich ihn. Doch ich bekomme keine Antwort, denn als ich den Kopf nach rechts drehe, sehe ich nur wie etwas auf mich zu rast und mich am Kopf trifft. Ein dumpfer Schmerz pulsiert durch meine Schläfe, ehe mich die Dunkelheit umfängt.

Flatternd öffne ich die Augen und schliesse sie gleich wieder, denn das grelle Licht einer Neonröhre blendet mich. Mein Mund fühlt sich staubtrocken an, was das Schlucken ziemlich erschwert. Ich habe das Gefühl seit Stunden nichts mehr getrunken zu haben, beginne zu husten und verziehe das Gesicht vor Schmerz, als ein dumpfes Pochen durch meinen Kopf fegt. „Ah, Dornröschen scheint aus ihrem Schlaf erwacht zu sein. Wird auch langsam mal Zeit", höre ich seine Stimme. Ich öffne die Augen und als mich an das grelle Licht gewöhnt habe, kann ich auch erkennen, wo ich mich befinde. Ich sitze, an Händen und Füssen gefesselt, auf einem alten Stuhl in irgendeiner Halle. Sie ist riesig und riecht nach Blut und Tot, genau wie die Frau es am Telefon beschrieben hat.

September - KEIN TAG OHNE DICHWhere stories live. Discover now