Erlösung

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 Weinend betrete ich mein Hotelzimmer und lasse mich an der geschlossenen Tür hinunter auf den Boden gleiten. Schluchzend ziehe ich meine Knie bis zur Brust heran und schlinge meine Arme darum. Versuche gegen den Schmerz, der sich in meinem Innern angesammelt hat, anzukämpfen. Doch ohne Erfolg. Die Tränen rinnen ungehindert meine Wangen hinunter, tropfen auf den Boden. Sekunden verstreichen und werden zu Minuten. So kommt es mir zumindest vor. Doch als es plötzlich an meiner Tür klopft, erstarre ich und spüre, wie mein Herz sich verkrampft und danach so schnell gegen meine Brust hämmert, dass es wehtut.

"Haylie? Ich bin es. Sam", höre ich nach einer Weile eine Stimme. Ich wische mir mit dem Handrücken über mein Gesicht und weiss nicht was ich tun soll. "Bist du da?", fragt er und klopft an die Tür. Ich schlucke gegen den Kloss an, der sich in meinem Hals gebildet hat und stehe mit zittrigen Beinen auf. Sie fühlen sich wie Wackelpudding an, so, als ob sie mich nicht mehr tragen wollen. Doch ich bleibe stehen, falle nicht zu Boden. Tief atme ich ein, bevor ich langsam die Tür öffne. Sam sieht zu Boden und als er den Blick hebt, habe ich das Gefühl direkt in seine Seele zu blicken. Die offen wie ein Buch vor mir liegt, ich kann die zerrissenen Seiten erkennen, die seine gequälte Seele zeigen.

"Haylie...", wispert er und sieht mich mit grossen Augen an. Ich stehe da und starre ihn an und bringe kein einziges Wort über meine Lippen. "Ich habe dir doch gesagt, dass du bald eine Familie haben wirst. Was verstehst du daran denn nicht?", frage ich ihn leicht gereizt. Ich bin erschöpft und möchte nichts lieber tun, als mich ins Bett zu legen und endlich zu schlafen. Denn der Schlaf bringt Erlösung und morgen sieht die Welt schon anders aus. Zumindest rede ich mir das ein und hoffe, dass es hilft. "Darf ich rein kommen?", fragt er stattdessen und hält meinem Blick stand. Er wird nicht weggehen, nicht bevor er bekommen hat was er will, was das genau ist weiss ich nicht. Also nicke ich und lasse ihn in mein Zimmer, halte den Atem an, als seine Schulter mich sanft streicht. Dieses Gefühl raubt mir den Atem und bringt mich beinahe um den Verstand.

Als ich die Tür schliesse, höre ich sogar mein Blut in den Ohren rauschen und spüre, wie mein Herz wie verrückt gegen meine Brust hämmert. Sam fährt sich aufgebracht durchs Haar, welches nun in alle Richtungen absteht. Wenn ich nicht so mit meinen Gefühlen kämpfen würde, würde ich nun darüber lächeln, doch so schaue ich ihn nur an, als ob er mich hypnotisiert hat. Die Stille zwischen uns ist kaum auszuhalten, am liebsten würde ich mich nun einfach hinlegen und schlafen. Doch solange Sam sich im selben Raum aufhält, geht das auf keinen Fall. "Was willst du hier, Sam?", frage ich mit heiserer Stimme. Ich wische mir über die Wangen und spüre seinen Blick auf mir ruhen. Er fragt sich, wie er das ganze angehen soll, doch er hat ebenfalls keine Antwort darauf.

"Als ob du das nicht wüsstest", antwortet er und sieht kurz zu Boden, um den Blick kurze Zeit später wieder zu heben und der Ausdruck in seinen Augen ist voller Sehnsucht. Nach mir. "Ich will dich nicht verlieren, Haylie. Dass Mackenzie schwanger ist habe ich erst erfahren, als ich wieder in L.A war. Ich hatte vorhin keine Ahnung, das musst du mir glauben", sagt er voller Inbrunst. Ich schüttle den Kopf, denn ich weiss nicht ob ich ihm das glauben kann. "Ach ja? Und wieso hast du mir verschwiegen, dass ihr euch verlobt habt? Vor sechs Monaten!", sage ich wütend. Sam beisst sich auf die Unterlippe und senkt den Blick, was mir Antwort genug ist. Die Wut, die die ganze Zeit schon unter meiner Haut gebrodelt hat, kocht nun über und ich stürze mich schreiend auf ihn.

Trommle mit meinen Fäusten auf seine Brust ein und weine haltlos. Grässliche Schluchzer dringen über meine Lippen und ich kann nicht anders, es muss raus. Alles. "Haylie beruhige dich", redet er auf mich ein. Doch ich beruhige mich nicht, ich lasse all meine Wut und den Schmerz raus und als er mich an den Handgelenken packt, zwingt er mich ihn anzusehen. "Ich will dich, nur dich", höre ich ihn flüstern. Wir schauen uns in die Augen und auf einmal hat sich die Stimmung zwischen uns völlig verändert. Es passiert alles so schnell, plötzlich lässt er meine Hände los und umschliesst mein Gesicht mit seinen Händen und küsst mich. Die ganze Wut und der Schmerz, der in mir tobt und mich beinahe vollständig aufgefressen hat, fallen ab und ich schlinge meine Arme um seinen Nacken und ziehe ihn noch näher zu mir heran.

September - KEIN TAG OHNE DICHWhere stories live. Discover now