Truhe

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Claire

Meine Großmutter meckerte den gesamten Heimweg über die unfreundlichen Jungen. Ich konnte das Ganze jedoch nur mit einem Kopfschütteln abtun. Schon als wir die Halle betreten hatte, hatte ich gewusst, dass das nach hinten losgehen würde. Und als ich dann registriert hatte, wen meine Oma ansprach, hätte ich mich am liebsten umgedreht und wäre weg gerannt.

Ich konnte nicht mit solchen Jungen umgehen, die sich über meine Großmutter lustig machten. Sie war die einzig lebende Angehörige die ich hatte. Das war vielleicht der Grund, wieso ich einen so starken Beschützer Instinkt bei ihr verspürte und den Vollidioten eins übergezogen hätte, wenn ich meine Oma nicht hätte zurück halten müssen. Ich starrte aus dem Busfenster. Sie war meine einzige Bezugsperson.

„Komm Spätzchen."

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als die alte Dame mich am Arm hinter sich herzog. Ich merkte ihr, ihren Unmut über den Verlauf des Gesprächs immer noch an. Also raffte ich mich auf und schlenderte neben ihr her, doch irgendwie konnte ich mich nicht so ganz auf ihre Worte konzentrieren, sodass ich ab und zu nickte, womit sie sich zufrieden gab.

Ich betrachtete meine Füße und versuchte sie genau voreinander zu setzen. Ab und zu blickte ich kurz auf um sicher zu gehen, dass mir niemand entgegen kam und ich steckte meine Hände in meine ausgeleierten Hosentaschen.

„Geht es dir nicht gut Claire?"

Ich hob meinen Kopf und blickte in das Gesicht meiner Großmutter die mich mit ihren Augen durchbohrte.

„Nur etwas müde", log ich und öffnete das quietschende Gartentor.

Ich spürte ihren Blick noch kurz auf mir ruhen, jedoch schien sie zu verstehen, dass ich nicht drüber reden wollte. Sie ging zu der Haustür und schloss diese auf, blickte mich immer wieder an, was mich etwas nervte. Kaum betrat ich den mir bekannten Flur des Hauses, stieg ich die Treppen hoch in Richtung meines Zimmers.

„Willst du nichts essen?", hörte ich die fragende Stimme meiner Oma.

„Keinen Hunger", sagte ich so laut, dass sie es hörte und schloss anschließend meine Zimmertür. Ich stöhnte und ließ meine Schultasche in die Ecke fallen. Meine Augen suchten mein spärlich eingerichtetes Zimmer nach der kleinen Holztruhe ab, die ich unter meinem Bett erblickte.

Es viel mir schwer sie zu nehmen und auf meinen kleinen Balkon zu gehen auf dem zwei alte Holzstühle und ein Tisch standen. Blumen ragten die Fassade hoch und hatten den Balkon erreicht, sodass sie sich um sein Geländer schlangen. Meine Großmutter hatte in einem Anfall ihrer Blumenliebe, Blumenkästen angebracht, sodass man von einem betörenden Duft empfangen wurde.

Mit zitternden Knien ließ ich mich auf einen der Stühle nieder und stellte die Truhe auf den Tisch. Mit nachdenklicher Miene öffnete ich die Truhe und erblickte eine Menge an Bildern, sowie Gegenständen.

Sofort verspürte ich eine Wunde in meinem Herz aufreißen, die sogleich begann heftig zu bluten. Ich griff das Foto, welches ganz oben lag und erblickte eine fröhliche Familie, die sich in den Armen lag.

Der Vater hielt ein Mädchen auf dem Arm, welches sein braunes, weiches Haar zerstrubbelte und die Mutter gab ihr ein Kuss, während sie lachte. Ihr blondes, langes Haar und ihre ozeanblauen Augen strahlten das Mädchen an. Auch wenn das Bild, dies nicht zeigte, wusste ich, dass es so war. Neben dem Vater stand eine alte Dame, die dieselbe Augenfarbe der blonden Frau hatte.

Ich strich über die lachenden Gesichter meiner Eltern und rief mir das warme Gefühl ihrer Haut in Erinnerung. Ein kleines Lächeln stahl sich auf mein Gesicht, als ich mich an den Sommerduft erinnerte, der damals in der Luft gelegen hatte. Ein weiteres Bild erregte meine Aufmerksamkeit. Dieses lag an der Seite und wurde zum Teil von anderen Bildern verdeckt.

Butterfly - Lerne FliegenDonde viven las historias. Descúbrelo ahora