Krankenhaus

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Claire

„...und dann kam Adrian und hat sich mit Thomas geschlagen. Ich meine, denkt er, dass ich mich nicht selber wehren kann?! Ich bin doch kein kleines Kind!", redete ich vor mich hin, während meine Großmutter mich von ihrem Krankenbett aus beobachtete.

Ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen, welches die von mir geliebten Lachfalten zum Vorschein brachte. Sie sah besser aus, so frisch gewaschen und ohne die Schläuche, die in ihrem Mund steckten. Vielleicht war es nicht richtig, dass ich mich vor ihr über Adrian aufregte, doch sie hörte sich alles schweigend an und fragte das ein oder andere Mal nach. Ich glaube es tat ihr gut sich gebraucht zu fühlen. Zu merken, dass sie immer noch wichtig für mich war.

„Der Junge mag dich. Du solltest nicht so streng mit ihm sein", sagte sie mit leiser Stimme. Ein Seufzer entfuhr mir und ich setzte mich neben das Bett meiner Oma. Ich griff nach ihrer Hand und fuhr langsam über die knochigen Finger.

„Ich bin alt genug um auf mich selber aufzupassen."

„Und er möchte dich nur beschützen. Egal wie alt du bist", erwiderte sie und ich konnte mir ihre mahnenden Blicke nur zu gut vorstellen.

„Also sollte ich ihm das nicht so übel nehmen?"

„Nein. Er will dir nichts Böses. Im Gegenteil. Du solltest dich bei ihm entschuldigen und bedanken für seine Hilfe."

„Du hast Recht", gab ich zu, obwohl ich es immer noch nicht wahrhaben wollte.

„Magst du ihn?", fragte meine Oma plötzlich und brachte mich damit völlig aus dem Konzept.

„Nein!", protestierte ich sofort, was mich natürlich verriet. Peinlich berührt über mein ungewolltes Geständnis, biss ich mir auf die Lippe und schaute schüchtern auf meine verschränkten Hände. Das sanfte Lachen meiner schwachen Großmutter brachte mich zum lächeln.

„Die Liebe der jungen Menschen ist schon etwas Wundervolles. Ich wünschte, ich könnte es auch noch einmal erleben", sagte sie und strich mir dabei sanft über die Wange.

„Du solltest deinen Liebsten nicht zu lange alleine lassen unten in der Notaufnahme", ermahnte sie mich mit einem wissenden Grinsen.

„Erstens: er ist nicht mein Liebster. Zweitens: wir sind nicht zusammen und drittens: er ist selbst Schuld. Wieso muss er sich auch aufführen, wie ein eingebildeter Gockel", fluchte ich und griff nach meiner Schultasche.

„Hör auf die Ärzte und schlaf noch eine Runde. Ich komme morgen wieder vorbei", sagte ich, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und verschwand möglichst schnell aus diesem Krankenzimmer. Auch wenn ich den Anblick von ihr mittlerweile einigermaßen ertragen konnte, so war es immer noch nicht so erträglich, dass ich ewig bei ihr sitzen konnte. Die quälende Wut und Ungewissheit über die Täter schlich sich jedes Mal, wenn ich sie sah in meinem Kopf. Ich hatte mir geschworen sie zu finden und mich zu rächen. Das würde ich auch tun, nur leider hatte ich weder irgendwelche Hinweise noch die Zeit dazu und ein gewisser Adrian war dabei mir den Kopf zu verdrehen, was die ganze Sache nicht sonderlich erleichterte.

Ich stieß hart Luft aus und winkte einer Schwester, die mich freundlich anlächelte. Es war die, die mich gesehen hatte, als meine Großmutter aufgewacht war. Generell war das Krankenhaus teilweise so was wie mein zweites Zuhause. Die Ärzte und Schwestern kannten mich und sie ließen mich auch zwischen den Besuchszeiten zu meiner Großmutter, da ich öfter zu den Besuchszeiten Schule hatte und sonst maximal einmal meine Oma besuchen konnte. Ich hatte manchen von ihnen schon meine halbe Lebensgeschichte erzählt, weil sie nicht nachvollziehen konnten, wieso diese alte Dame mir so unendlich wichtig war.

Butterfly - Lerne FliegenWhere stories live. Discover now