Kalter Kakao

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Claire

Ein Läuten ertönte und ich nahm rasch meine Bücher. Wortlos stopfte ich sie in meine Schultasche und ignorierte die neugierigen Blicke und das Getuschel meiner Mitschüler. Erhobenen Hauptes verließ ich den Klassenraum. Schon den ganzen Tag wurde ich von Blicken verfolgt und ich hatte das Gefühl, dass die gesamte Schule über mich redete.

Die kleine Unbekannte Claire Dupont war plötzlich nicht mehr unsichtbar.

Ich versuchte möglichst elegant über den Schulflur zu gleiten und hielt Ausschau nach Adrian, den ich seit der heute Morgen nicht mehr gesehen hatte. Es war große Pause und ich hatte mein Essen und Trinken bereits verspeist, sodass ich beschloss in die Cafeteria zu gehen und mir etwas für die letzten Stunden holen wollte. So schlenderte ich also zu der überfüllten Cafeteria in der sich sowohl Unterstufen-, als auch Oberstufenschüler befanden. Wie immer herrschte ein großes Gedränge durch das ich mich normalerweise regelrecht durchboxen musste. Doch heute war alles anders.

Meine Mitschüler zerrissen sich nicht nur das Maul über mich, sie sahen mich auch, sodass ich nur höflich Lächeln musste und die Leute machten mir Platz. Ich wusste nicht, ob das an meinem Aussehen, den teuren Klamotten oder meinem neuen Selbstbewusstsein lag. Meiner Meinung nach machte die Mischung es allerdings aus.

„Einen Kakao und eine Brezel", sagte ich der gestresst aussehenden Verkäuferin, die rasch die Sachen zusammensuchte und mir auf den Tresen legte. Ich gab ihr das passende Geld und versuchte der Menge, die sich um den Tresen scharrte zu entkommen. Ich wich den Ellenbogen und Füßen so gut es ging aus und stieß erleichtert Luft aus, als ich mich von der Masse etwas entfernt hatte.

„Hey Claire. Was hast du da denn leckeres?", hörte ich eine vertraute, schleimige Stimme, die mir einen Schauer über den Rücken jagte. Langsam hob ich meinen Kopf und erblickte Thomas, der sich mit einer Hand durch sein fettiges Haar fuhr, dass nur so fettig aussah, weil er zuviel Gel reinschmierte. Neben ihm stand die Bohnenstange Jennifer, die mich kritisch von oben bis oben musterte. Das Gefolge der beiden, stand dicht hinter ihnen.

„Wie ich sehe hast du ein Umstyling hinter dir. Das gefällt mir", sagte er langsam und machte einen Schritt auf mich zu. Ich wich jedoch nicht zurück, sondern schaute ihn unsicher an. In seinen Augen schien für einen kurzen Moment pure Begierde aufzublitzen.

„Und da du auf mich stehst, hast du bestimmt kein Problem mir etwas von deinem Essen abzugeben", flüsterte er und griff sogleich nach meiner Brezel. Er zwinkerte mir einmal kokett zu und drehte sich zum gehen um.

Und da geschah es.

In mir explodierte etwas.

Die Wut und Demütigung, die sich seit Jahren angestaut hatten drängten sich an die Oberfläche. Erinnerungen schossen in meinen Kopf. Ich sah, wie er mich wegen Jennifer abservierte. Mich anfasste und ich mich nicht wehren konnte. Mir niemand half. Ich ihm schutzlos ausgeliefert war. Ich erinnerte mich an die Gasse und wie Adrian mir zu Hilfe kam. Ich war nicht länger hilflos und schon gar nicht mehr schüchtern.

Er hatte meinen Wandel nicht bemerkt. Er wusste nicht, dass die kleine schüchterne Claire abgeschrieben war und ich mein Leben selbst in die Hand nahm. Die Phase des Selbstmitleids war vorbei und das würde ich ihm nun deutlich machen.

„Hey Thomas!", rief ich. Überrascht hielt er innen, denn ich nannte ihn nur sehr selten bei Namen, da er mir immer Angst einjagte. Langsam drehte er sich um und schaute mich fragend an. Selbstbewusst machte ich ein paar Schritte auf ihn zu und schaute ihn mit zusammengekniffenen Augen an.

„Erstens: Du fasst mich nicht mehr an. Zweitens: Du lässt mich in Ruhe. Drittens: Ich habe es satt das kleine dumme Mädchen zu spielen. Viertens: Du bist ein widerliches Arschloch und ich wünsche dir alles Schlechte auf der Welt", rasselte ich das herunter, was mich an ihm störte und ich hätte Stunden so weiter machen können, doch ich beließ es bei den wenigen Sachen.

Butterfly - Lerne FliegenWhere stories live. Discover now