Fluch

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Claire

Ich sprintete aus dem Haus um den Bus zu bekommen, den ich hoffentlich noch nicht verpasst hatte. Nachdem ich gestern mit meiner Großmutter so lange auf geblieben bin um zu reden, war ich immer noch müde und hatte fast verschlafen.

Meine Oma war auf der Couch eingeschlafen. Ich hatte sie zugedeckt und den Wecker ausgestellt, damit sie schlafen konnte. Möglichst leise hatte ich mir was zu essen gemacht und war aus dem Haus gestürmt. In aller Eile hatte ich einen Zettel geschrieben, damit sie wusste, dass ich in der Schule war und sie sich keine Sorgen machen musste.

Und nun war ich schneller als je zuvor in Richtung Bus unterwegs, der wie jeden Morgen von dem lieben, alten Busfahrer gefahren wurde. Der grauhaarige Mann lächelte mich freundlich an, als ich in den Bus stieg und schloss hinter mir die Türen. Außer Atem bahnte ich mir den Weg zu meinem Platz, der mir seit zwei Jahren gehörte.

Doch auf meinem Platz saß ein junger Mann, dessen schwarze Haare ihm leicht ins Gesicht fielen. Die grau-blauen Augen starrten aus dem Fenster, aus dem ich immer blickte. Ich kannte ihn. Diese Statur und dieses Gesicht. Ich hatte ihm gestern schlagen wollen, weil er meine Großmutter schlecht behandelt hatte. Und nun beschlagnahmte er auch noch meinen Platz.

Ich buddelte mein kleines bisschen Selbstbewusstsein aus und ging mit erhobenem Kopf auf ihn zu. Ich stellte mich vor den durchtrainierten Jungen, der weiterhin aus dem Fenster blickte und räusperte mich einmal.

Langsam wandte er seinen Blick zu mir und musterte mich von oben bis unten.

„Du bist doch die Kleine von gestern", stellte er fest und fing an zu grinsen.

„Du sitzt auf meinem Platz." Ich überging seine Feststellung und blickte ihn mit starrer Miene an.

„Ich habe hier keinen Namen gesehen."

„Könnte ich mich trotzdem dahin setzten?", fragte ich angenervt, woraufhin er zu meinem verwundern zur Seite rutschte und Platz für mich machte.

„Danke." Ich machte mich dünn und quetschte mich an dem Jungen vorbei, der mich nicht aus den Augen ließ. Die Tasche eng an mich gepresst, ließ ich mich auf den Platz nieder und schaute aus dem Fenster.

„Wie heißt du?" Ich verdrehte genervt die Augen und versuchte ihn zu ignorieren.

„Du scheinst nicht sonderlich gesprächig zu sein."

„Ich rede nicht mit Vollidioten."

„Bist wohl ein Morgenmuffel", sagte er und unterdrückte ein kehliges Lachen. Ich wendete mich zu ihm und funkelte ihn mit wütenden Augen an.

„Hör zu. Ich halte dich für ein eingebildetes Arschloch, dass nichts in der Birne hat und am liebsten hätte ich dir und deinen Freunden gestern die Kehle rausgerissen. Also lass mich in Ruhe!" Ich zischte die Wörter und sah seinen überraschenden Blick.

Schnell schnappte ich mir meine Tasche und stürmte aus dem Bus.

Morgenmuffel.

Tränen sammelten sich in meinen Augen. So hatte mein Vater meine Mutter immer genannt. Dieser Idiot machte sich erst über meine Großmutter lustig, erinnerte mich dadurch an meine Eltern und rief einen Nervenzusammenbruch bei uns beiden hervor und nun wagte er es mich Morgenmuffel zu nennen. Natürlich konnte er nichts dafür. Woher sollte er das auch wissen. Doch das war mir vollkommen egal in diesem Moment.

Ich war stocksauer auf diesen Idioten.

Butterfly - Lerne FliegenWhere stories live. Discover now