Motive

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Claire

„Er war also ein Schläger?", fragte Johanna nachdenklich nach, während sie ihren Espresso umrührte. Ich nickte stumm.

Immer noch machte es mir zu schaffen, dass Adrian jemanden getötet hatte. Es hätte meine Großmutter sein können. Er war so gewesen, wie die Schläger, die meine Oma ins Krankenhaus gebracht hatten. Und wussten diese nicht auch genau was sie taten? Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass es ein Unfall war.

„Hast du ihn mal die ganze Geschichte erzählen lassen nachdem du weggerannt bist?" Ich schüttelte kaum merklich meinen Kopf und starrte auf meinen Latte Machiato. Wieso hätte ich ihm auch zuhören sollen?

Was gab es noch zu sagen?

„Ist dir mal in den Sinn gekommen, dass er das ganze wirklich bereut und es ihm schwer gefallen ist, dir das zu erzählen?"

„Wieso sollte ihm das schwer gefallen seien?!" Ich hörte mich an, als spräche ich über etwas, dass mich anwiderte. Es widerte mich wirklich an darüber nachzudenken, dass ich ihn mochte und dass er Gefühle haben könnte. Denn meiner Meinung nach hatten solche Menschen keinerlei Gewissen.

„Weil er genau wusste, wie du reagieren würdest?!", sagte Johanna und blickte mich durchdringend an. Sie hatte Recht. Natürlich hatte sie Recht und das wussten wir beide. Doch ich wollte es nicht wahrhaben. Nicht einsehen, dass er seine Taten bereute. Was hatte er wohl damals gedacht, als er meine Geschichte gehört hatte?

Hatte er es verdrängt oder sich schlecht gefühlt?

„Ich sollte ihm also nicht böse sein?", flüsterte ich und starrte weiterhin auf den Löffel, den ich in der Hand hielt.

„Nein. Du solltest eher froh sein, dass er so ehrlich zu dir war. Er hätte dir das auch alles verheimlichen können. Und so wie ich das von dir alles gehört habe, ist er gar kein schlechter Kerl."

Langsam nickte ich, ließ ihre Wort im Raum hängen und dachte darüber nach. Sie hatte Recht. Adrian war kein schlechter Typ gewesen und auch sonst hatte er mir nie gezeigt, dass er ein schlechter Mensch war. Im Gegenteil.

„Du feierst heute Abend aber trotzdem mit oder?", fragte sie und schaute mich hoffnungsvoll an. Würde ich mitfeiern? Ich wollte das gerne, doch ich konnte ihm noch nicht in die Augen schauen. Außerdem hatte ich ihn den ganzen Morgen gemieden und war heimlich still und leise verschwunden. Geredet hatten wir auch nicht mehr und wahrscheinlich war er ziemlich sauer auf mich.

„Ich denke schon", nuschelte ich, konzentrierte mich auf mein Getränk.

„Gut. Alleine bekomme ich das sonst glaub ich nicht auf die Reihe", sagte Johanna schüchtern lächelnd.

„Ach das bekommst du schon hin", winkte ich ab.

„Bleibt trotzdem die Frage, was wir ihm schenken", seufzte die Magersüchtige. Ich seufzte ebenfalls, denn wir zerbrachen uns schon eine halbe Ewigkeit den Kopf darüber. Nachdenklich glitt mein Blick durch die Fußgängerzone, die ich von meinem Sitzplatz aus gut überblicken konnte. Menschen unterschiedlichster Kulturen hetzten durch den Alltag. Andere schlenderten gemütlich umher und lachten. Kleidungsgeschäft, Schuhgeschäfte und Drogeriemärkte wurden von den Passanten angesteuert. Nur ein kleines Laden an einer Ecke wurde von vielen gemieden. Neugierig betrachtete ich die Zeichnungen und Fotos, die im Schaufenster ausgestellt waren.

Es war ein Tatoostudio.

Tatoo.

„Wir schenken ihm ein Tatoogutschein!", platze es aus mir heraus.

Butterfly - Lerne FliegenDonde viven las historias. Descúbrelo ahora