Prolog - Geschwister Jones

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Grelle Blitze ließen das junge Mädchen nicht vom Fenster zurück schrecken, denn für einen Sekundenbruchteil erhellten sie die finstere Nacht und gewährten ihr kurze Blicke in das aufgebrachte Treiben unten in der Hafenbucht. Averil erhaschte Blicke auf Matrosen, die mit vereinten Kräften versuchten ihre Schiffe vor dem aufkommenden Sturm zu schützen, indem sie die Taue verstärkten und alles unter Deck oder an Land brachten, was nicht fest auf dem Schiff verankert war. Sie kannte jedes der Schiffe, die dort im Hafenbecken lagen und es wurden stetig mehr. So eben trugen vier Seeleute eine gewaltige Kiste von der Cullin Sound in das angrenzende Lagerhaus, die Splendid Hyacinth passierte die Hafenmauern, obwohl sie vor zwei Tagen erst ausgelaufen war und die Matrosen der Fletcher's Hope vertauten noch das Schiff. Es schien ein gewaltiger Sturm zu werden, wenn selbst die größten Schiffe der Königlichen Flotte im Hafen Schutz suchten. Was ihr aber Sorgen bereitete, waren nicht etwa die Ausmaßen des aufkommenden Sturmes, sondern die Tatsache, dass die Jewel of the Realm noch immer nicht im Hafen eingelaufen war.

Der dröhnende Donner ließ das Haus beben weswegen Averil die knarrenden Dielen als Folge des Unwetters abstempelte und nicht etwa als die herannahenden Schritte einer jungen Frau. Erst als diese die Türe einen Spalt aufschob und das warme Flackern der Kerze in das Zimmer fiel, wandte Averil ihren Kopf und blickte in die liebevollen Augen Emilia Farewhynns.

„Darf ich eintreten?", vergewisserte Emilia sich und schob die Tür schließlich ganz auf nachdem Averil kurz genickt hatte. Behutsam stellte Emilia die Kerze auf die kleine abgenutzte Kommode neben der Tür. „Ich bin mir sicher, deinen Brüdern geht es gut, Averil. Sie sind beide hervorragende Matrosen, sie wurden doch nicht grundlos in die Royal Navy berufen, Liebes. Weder dieser noch sonst irgendein Sturm wird deinen Brüdern gefährlich werden, glaub mir!", versuchte Emilia Averil etwas zu beruhigen.

Averil blickte wieder hinaus aufs Meer: „Dennoch erinnern mich Stürme immer an den der meinen Vater tötete. Er war auch ein guter Seefahrer und trotzdem..." Sie brach mitten im Satz ab und richtete sich plötzlich auf. Ihre Miene wechselte sich schlagartig. Es blieb keine Spur von den Sorgen und der Ungewissheit, die vorhin noch ihren Blick getrübt hatten. Aufgeregt presste sie ihre Hände gegen die Glasscheibe und versuchte angestrengt mehr im Dunkeln zu erkennen. „Emilia! Das sind sie! Die Jewel of the Realm ist gerade um die Küste gesegelt, sie sind in Sicherheit!" Averil folgte mit gebanntem Blick dem Schiff, bis es die Hafenmauern passiert hatte und schließlich im Hafen vor Anker ging.

Im Gegensatz zu Averil betrachtete Emilia nicht das sich nähernde Schiff sondern blickte in den Himmel. Die Wolken hatten ein gespenstisches Grün angenommen und sich Meilen in den Himmel getürmt.

Mit erschrecken mussten nun beide Feststellen, dass sich am Horizont gewaltige Wellen formten und in Richtung Hafen rollten. Auch die Menschen im Hafen schienen diese erschreckende Entdeckung gemacht zu haben, denn als die Jewel of the Realm anlegte eilten viele Matrosen der bereits gesicherten Schiffe zu Hilfe und gingen der Mannschaft an Bord zu Hand, um wenigstens noch die Wichtigsten Dinge zu sichern.

Eine gefühlte Ewigkeit verging, bis alles weitestgehend fertig war und sich die Menschen verliefen. Ein großer Teil drängte sich in die Hafentavernen doch gingen ein paar die Gassen hinauf und schließlich waren es nur noch zwei, die unten auf der Straße vor dem Haus standen, zu ihrem Fenster hinaufschauten und herzlich lachten. Nach langen Tagen war es soweit: die Geschwister Jones waren wieder vereint.

Once Upon A Time - Losing AverilWhere stories live. Discover now