Schädelfelsen

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Die Insel war genau das Paradies, das Liam versprochen hatte, doch hatte er es nie erkannt und nun war er fort.

„Wie wäre es, wenn ich dir die Insel ein wenig zeige?", schlug Peter vor. Sie stimmte zu und sie verbrachten einige Stunden damit die verschiedensten Orte zu besichtigen, einer schöner als der andere. Nun standen sie auf einer hohen Klippe und sahen zu, wie die Sonne am Horizont verschwand.

Plötzlich fuhr ein Luftzug durch die Bäume hinter ihnen und ein schwarzer Schatten schwebte über ihnen. Avis fühlte sich seltsam angezogen von ihm, dass sie ihre Hand ausstreckte. Wie in Zeitlupe schwebt der Schatten näher auf sie zu.

„Der Schatten. Er akzeptiert dich", durchbrach Peter die Anspannung und Avis Hand schreckte zurück.

„Du verstehst ihn?", fragte sie etwas verdutzt. Der Schatten hatte keinen Laut von sich gegeben.

„Du hast das Meiste dieser Insel gesehen, aber die Wichtigsten Teile habe ich dir bisher verschwiegen. Ich musste erst einmal auf die Zustimmung des Schattens warten", begann Peter eine Erklärung. „Er herrscht über die Insel. Er ist ein Teil von mir und er kann auch ein Teil von dir werden, wenn du ihn lässt. Dafür musst du aber erst einmal einen Test bestehen..."

„Moment, du sagtest meinen Brüdern, dass es auf Neverland nur dich gibt...", versuchte Avis die Worte zu verstehen und verstummte. Dann fuhr sie fort: „Na schön, was für ein Test soll das sein?"

„Glaubst du an Magie?", fragte Peter und trat dicht an sie heran.

Avis hob ihr Kinn und verstärkte ihren Blick: „Ich bin auf einem fliegenden Schiff hierher gereist, habe mit angesehen, wie mein Bruder von Wasser vor dem Tod gerettet wurde und ein Schatten schwebt über uns: Peter Pan, ich glaube an Magie", beendete sie schließlich.

Peter grinste breit. Keiner von ihnen unterbrach den Blickkontakt. Eine Weile standen sie einfach nur da und blickten sich an. Vorsichtig nahm Peter eine ihrer Hände in seine und flüsterte: „Dann vertrau mir." Und dann sprang er.

Avis wurde mit ihm in die Tiefe gezogen, zuerst wollte sie schreien, doch etwas in ihr sagte ihr, dass das nicht sein musste. Dann dachte sie daran, wie schön es sein müsste fliegen zu können und schon stiegen sie hinauf, ganz sanft und ruhig. Es war wie fliegen. Und dann verstand sie, was gerade passiert war. „Das war der Test, oder?"

Peter schwebte neben ihr. Sie hielten sich immer noch an der Hand. „Richtig, und du hast bestanden, jetzt zeig ich dir den Rest!"

Sie flogen hinter dem Schatten her. Über eine kleine Bucht hin zu einem großen Felsen, der die Form eines Schädels hatte. Sanft landeten sie davor. Peter ließ ihre Hand nicht los, sondern zog sie hinter sich her in eine Höhle. „Das ist der Schädelfelsen. Er beherbergt das Kostbarste der ganzen Insel." Er zog Avis eine breite Treppe hinauf. Der Treppenaufgang mündete in eine große Höhle in dessen Mitte sich eine gewaltige Sanduhr auf einem Berg von goldenen Schädeln befand.

„Sie zeigt an, wie lange ich und die Insel leben werden", erklärte Peter und stellte sich ganz dicht vor das Glas der Sanduhr.

Avis beobachtete den dünnen Sandstrahl, der langsam auf den Boden rieselte. Bisher befand sich nur ein kleines Häufchen von goldenem Sand im unteren Teil der Sanduhr. Daraufhin tat sich eine Frage in ihr auf: „Peter, wie lange bist du schon hier?"

„Das siehst du vor dir." Er ließ ihre Hand erstmals los und drehte sich zu einer Öffnung in der Felswand. Avis folgte ihm mit ihrem Kopf. Der Schatten schwebte soeben durch die Öffnung hinein. „Du könntest ebenfalls Teil der Insel werden. Auf ewig jung, frei und voll Macht." Er wanderte ein paar Schritte auf und ab bevor er fortfuhr: „Natürlich könntest du auch für eine gewisse Zeit so hier bleiben, allerdings ist Neverland ein Land für Kinder und du müsstest die Insel verlassen, sobald du dem Schatten zu erwachsen scheinst. Ich möchte nicht, dass du gehst, verstehst du?" Er kam erneut auf sie zu und ergriff beide ihrer Hände. „Bleib bei mir", flüsterte er flehend.

„Ja, Peter, ich will hier bleiben. Das habe ich dir doch bereits erklärt. Was muss ich tun?", sie wandte ihren Kopf dem Schatten zu.

Sie spürte etwas durch ihren Körper fahren und dann spürte sie wie der Schatten mit ihr sprach. Zwar ohne Laute von sich zu geben, jedoch verstand sie genau, was er ihr sagte. Er sagte, dass ihr Leben genau wie das Peters nun von der Sanduhr abhing. Dadurch würde die Lebensenergie zwar schneller verbraucht, aber würde sie dennoch ausreichen bis sie das Herz des am Innigsten Glaubenden fanden, um sich endgültig unsterblich zu machen.

Ungläubig starrte sie Peter an. „Wir könnten unsterblich sein?"

„Ganz recht, Avis", sagte Peter ruhig. „Und nicht nur das. Du bleibst für immer jung und hast die Fähigkeit Magie zu lernen."

„Bis vor kurzem dachte ich noch, dass ich Cameron heiraten muss und hier bin ich nun: Unsterblich auf einer fantastischen Insel." Avis lächelte und blickte in die Nacht hinaus. „Danke, Peter."

Peter schmunzelte: „Wie wäre es nun, wenn ich dir die Echo Höhlen zeige?" Er streckte ihr wieder die Hand entgegen und Avis ergriff sie mit einem Lächeln. „Lass nicht los!"

Avis hatte nicht bemerkt, wann der Schatten verschwunden war aber es interessierte sie im Moment auch nicht. Sie war einfach nur glücklich über die neusten Ereignisse in ihrem nun unsterblichen Leben. Unter ihnen lag die Insel ganz friedlich und still da und wieder einmal fiel ihr auf wie leblos sie war. Das müsste sich doch ändern lassen, dachte sie bei sich, als Peter sie zwischen den Bäumen auf eine kleine Lichtung lotste.

„Bist du bereit deine dunkelsten Geheimnisse zu offenbaren?" Peter landete und nickte in Richtung eines tiefschwarzen Höhleneingangs. Dann begann er zu grinsen, als er Avis verwirrten Blick sah. „Keine Angst, du bist Teil der Insel, die Höhlen kennen bereits all deine Geheimnisse." Er zog sie näher an den Eingang. „Ich betrete sie trotzdem nicht gerne. Sie lässt dich erinnern, was du eigentlich versuchst zu vergessen." Er stockte kurz. „Alles." Sein Blick verlor sich im schwarz der Höhle.

Avis musterte ihn von der Seite. Er wirkte wehmütig. Bedächtig stellte sie sich hinter ihn. „Alles?", fragte sie.

„Was du fürchtest, bereust." Peter senkte den Blick, „Und was dich schwach macht.", beendete er nach einer kurzen Pause.

Once Upon A Time - Losing AverilOnde histórias criam vida. Descubra agora