Rumpelstilzchen

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Avis lief die Gassen der heruntergekommenen Stadt entlang auf der Suche nach Anzeichen darauf, was Hades ihr soeben erzählt hatte und trat gerade um die Ecke auf die Hauptstraße hinaus, als sie Peter vor dem Eingang des Antiquitäten Geschäfts stehen sah.

Ihr blieb kurz die Luft weg, für einen Augenblick hatte sie nicht an ihn gedacht. Und da stand er, in moderner Kleidung, die ihn noch gefährlicher wirken ließ. Ihr Körper spannte sich an und dieses schreckliche Gefühl kam wieder in ihr hoch, als sie daran dachte wie sehr er sie die ganzen Jahre über belogen hatte. Ein eiskalter Schauer lief ihr über den Rücken, als er sich zu ihr wandte. Seine Augen funkelten im dämmrigen Licht der Unterwelt. Nun erkannte sie es—nein, sie hatte es immer gesehen, nur verdrängte sie es mittlerweile nicht mehr. Deshalb zwang Avis sich ein Lächeln auf und lief das letzte Stück auf ihn zu obwohl sie am liebsten umdrehen und in die andere Richtung laufen wollte, hatte er es erneut geschafft sie in seinen Bann zu ziehen.

Er sagte kein Wort als sie vor ihm stand, sondern legte bloß einen Finger an die Lippen und deutete auf eines der Fenster neben der Eingangstür. Sie wandte ihren Kopf und erkannte unverkennbar Rumpelstilzchen, der hinter dem Tresen in dem Safe nach etwas zu suchen schien.

Sie spürte Pans Nähe, seinen Atem auf ihrer Haut als er flüsterte: „Ich habe noch etwas mit meinem guten Sohn zu klären, danach können wir reden."

Sie wollte sich widersetzen, blieb jedoch stumm und nickte. Allerdings hatte er noch nicht einmal ihre Antwort abgewartet, sondern war bereits durch die Tür in den Laden getreten. „Suchst du et—", seine Stimme wurde durch die ins Schloss gefallene Tür jäh abgebrochen und Avis konnte dem Gespräch nicht folgen. Auch in diesem Moment versuchte sie sich gegen Pans Macht zu wehren—vergeblich. Selbst hier in der Unterwelt—im Tod—schaffte er es sie zu beeinflussen und zu manipulieren, obwohl sie genau wusste was er tat und bereits getan hatte.

Vielleicht war es auch dieses Bewusstsein, dass sie dazu bewegte zu bleiben und sich neben die Tür zu lehnen und darauf wartete, was Pan ihr sagen wollte. Vielleicht war es wie Felix gesagt hatte: sie wusste, dass sie nur eine Spielfigur für Pan war, aber er wusste noch nicht, dass sie nun ein neues Spiel spielten. Ihr Spiel.

Als sie mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt stand bemerkte sie plötzlich, wie die Stimmen aus dem Laden etwas gedämpft doch zu ihr nach draußen drangen.

Deutlich vernahm sie Rumpelstilzchen: „Nur weil du mich gezeugt hast, macht dich das nicht zu meinem Vater! Geh zur Seite."

Sie hörte das leise Knarren der Dielen, als ob Pan tatsächlich tat was Rumpelstilzchen verlangt hatte. „Such so lange, wie dir lieb ist!", seine Stimme veränderte sich zu diesem eindringlich, bedrohlich leisen Zischen, zu leise, dass Avis ihn hätte verstehen können.

„Sei vorsichtig mit deinen Drohungen!", entgegnete Rumpelstilzchen ihm ruhig.

„Oder was? Du tötest mich nochmal? Ich brauche ein Zeichen dafür, dass wir die Vergangenheit hinter uns lassen", er machte eine Pause „Das ist, was du suchst, hab ich recht?". Avis lugte vorsichtig durch das verstaubte Fenster, konnte aber nicht erkennen, was Pan in seinen Händen hielt, da er es mit dem Rücken zu ihr stand. „Los, nimm es!" Was wollte er seinem Sohn geben?

„Wie großzügig. Wie viel ist damit verbunden?", fragte Rumpelstilzchen misstrauisch.

Avis stieß verächtlich die Luft aus, sie waren beide gleich gierig nach Macht und Überlegenheit. Wie der Vater, so der Sohn.

„Nichts. Ich meinte, was ich sagte: bevor ich starb war mal, ich möchte neu starten," antwortete Pan zu Avis Überraschung.

Rumpelstilzchen blieb jedoch stur: „Das wird niemals passieren. Ich habe dich hier aus einem Grund hingeschickt."

Es war also tatsächlich sein Sohn gewesen, der ihn umgebracht hatte. Das ließ Avis auch verstehen, weshalb Pan hier war, hier in der Unterwelt und hier mit seinem Sohn. Er wollte zurück.

„Ich vermisse die Welt dort Oben! Den Geschmack, den Geruch—"

„Tut mir Leid. Du kannst nicht zurück!", zischte Rumpelstilzchen zwischen seinen Zähnen hervor.

Sie lag mit ihrer Vermutung also richtig, er hatte wirklich vor einen Weg zurück ins Leben zu finden.

„Nicht, bevor ich nicht mit einer lebenden Seele tausche. Und diese Menschen mit denen du runter kamst, die sind nicht deine Freunde! Und sie sind lebendig. Noch. Vielleicht schafft es einer ja nicht zurück! Aber dein Väterchen schon..."

„Nicht interessiert," winkte er Pan ab.

„Noch nicht. Das geht aufs Haus. Eine Geste des guten Willens. Vom Vater zum Sohn." Sie konnte immer noch nicht erkennen, was Pan seinem Sohn entgegen hielt aber sie war zufrieden mit ihrer Situation, sie wusste mehr als Pan und sie lebte.

Widerwillig nahm Rumpelstilzchen es an und trat auf die Eingangstür zu. Als er den Laden verließ entdeckte er Avis, die an die Wand gelehnt stand: „Ich bin mir nicht ganz sicher ob ich überrascht bin, dich hier zu sehen aber verrat mir, wann ist es geschehen?"

Sie blickte ihn an. „Vor einiger Zeit auf Neverland."

„Und du bist immer noch bei ihm? Wenn ich dir einen Tipp geben darf—", er holte ein kleines Fläschchen aus seiner Manteltasche und hielt es ihr entgegen. "Er hat mir einen Handel für seine Rückkehr in die Oberwelt angeboten."

Avis zog die Augenbrauen hoch: „Ach ja, was wollen Sie mir damit sagen?"

Er steckte das Fläschen wieder weg. „Ich muss dir gar nichts sagen, du kennst ihn in dieser Form vermutlich besser als ich, und ich weiß alles, was ich wissen muss." Sein Blick erklärte ihr was er nicht ausgesprochen hatte: er wusste, dass Avis nicht mehr auf Pans Seite stand, Pan das allerdings nicht wusste. „Ich würde ja „Auf Wiedersehen" sagen, aber ich bin mir nicht sicher ob das jemals der Fall sein wird." Mit diesen Worten trat er an ihr vorbei und ging die Straße entlang davon. Avis sah ihm noch ein wenig nach, bevor sie den Laden betrat.

Once Upon A Time - Losing AverilWo Geschichten leben. Entdecke jetzt