☽ Second Chapter

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V E L A R I S

15. September, Wolfstrakt: Lunya
Gedankenverloren ließ ich meinen Blick über die Baumkronen des unendlich lang wirkenden Waldes bis zu den Bergen gleiten, die den Ort wie eine beschützende Mauer einkreisten.

Zwischen den weißen Gipfeln, welche aussahen als hätte man sie in Puderzucker getaucht, zeichneten einzelne goldene Sonnenstrahlen rote Muster auf die grünen Kronen der dicht ineinander verwobenen Bäume. Der Himmel hatte verschiedene Orange- und Rottöne angenommen, welche wie flüssige Farbe mit dem schimmernden Gold der Sonnenstrahlen verflossen und ein wunderschönes Schauspiel boten.

Ich atmete die kühle Morgenluft ein. Der Geruch von feuchtem Wald kitzelte mich sanft in meiner Nase. Das Zwitschern der Vögel hallte durch die dämmernde Morgenlandschaft.

Eine dicht bewachsene Mauer, welche um das mächtige Schloss erbaut wurde, zog meinen verschlafenen Blick auf sich. Ich rieb mir die Augen. In der Weite konnte ich die silberne Burg und die Vielzahl an Türmen erkennen, welche auf dem höchsten Berg Lunyas erbaut wurden.

Die Königsfamilie des Illyrain Königreich sollte in diesem wohnen. Eine Familie, um welche sich mehr Geschichten als Bäume in den Wäldern Lunyas rankten. Drei wunderschöne Söhne sollte der einsame König haben, dessen Gefährtin in den Kämpfen gegen den Westen gefallen sein soll.  Niemand kannte ihre Gesichter, doch einige meinten ihre Wolfsformen gesehen und sie durch ihre mächtige Aura erkannt zu haben, welche sich wie ein eisiger Schauer, bis in den letzten Winkel ihres Körper ausgebreitet haben soll.

Müde betrachtete ich die dornigen Büsche, die um die Straße wuchsen und blitzschnell an mir vorbei flitzten. Ich streckte meinen Arm aus dem Autofenster und zog mit meiner zitternden Hand Wellen gegen die starken Windstöße, die durch die hohe Geschwindigkeit des Autos mir entgegen brausten.

Was war nur mit mir los? Seit ich die Grenzen Lunyas überquert hatte, ließ das komische Gefühl in meiner Brust mich nicht los. Eine bedrückende Leere hatte sich in dieser ausgebreitet und sog Stück für Stück alle guten Gefühle in sich auf.

Ich war gewohnt, dass ein schmerzendes Pochen in meiner Brust festsaß und nur durch meine Medikamente gedämmt werden konnte, doch jetzt war dieses wie ausgeblendet, nicht mehr von Wichtigkeit. Mein Körper interessierte sich nicht mehr für den pechschwarzen Tumor in meiner Brust, nein, er wollte etwas anderes finden, als wäre dies meine Luft zum Atmen oder das tiefrote Blut, welches durch meine Adern floss.

Es war als hätte ich nach all den Jahren bemerkt, dass ein Stück meiner Seele fehlte, welches meine vor Verlangen pochende Brust wieder zurückhaben wollte. Und meine vor leere und schmerz flammendes Herz schrie nach seinem fehlenden Gegenstück, laut dennoch unverständlich.

Die ganze Nacht quälte mich mein Körper schon und hielt mich davon ab ruhig oder überhaupt zu schlafen. Dementsprechend war mein Leib erschöpft und kraftlos, jedoch sehnte sich etwas in mir danach aus dem Auto zu springen und durch den Wald, welcher um die verwachsene Straße verlief, zu irren um mein fehlendes Stück zu finden.

Kraftlos zitternd fuhr ich mir über mein müdes Gesicht und rieb mir ein weiteres Mal die brennenden Augen. Wahrscheinlich hatte es etwas mit der Seelenwolfsache zu tun, vielleicht brauchte ich ja den Mond. Doch würde ich es in diesem Zustand niemals schaffen mich zu verwandeln, geschweige denn unter Mondlicht durch dem Wald zu sprinten.

Selenophile | A Werewolf StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt