Prolog

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Oriana blickte aus dem Fenster nach draußen. Es war ein warmer Sommertag, die Sonne tanzte über die satten grünen Wiesen und ein leichter Wind fuhr spielerisch durch die Bäume. Dennoch fühlte sie keine Freude. Etwas an diesem Tag fehlte, um ihn schön zu machen. Ihr fehlte das Lachen von Oak, der durch die Gänge rannte. Ihr fehlte das Geräusch der Klingen, die aufeinandertrafen, wenn Madoc und Jude trainierten. Ihr fehlte Taryn, deren Schritte selbst über den Teppich zu hören waren, wenn sie Oak nachlief. Ihr fehlte sogar Viviennes unausstehliches Gemecker. Es war vollkommen still. Fast hätte man nicht geglaubt, dass sich in Elfenheim so viel geändert hatte. Einen Monat war der Junge nun schon König. Sie hatte fast schon Mitleid mit ihm, aber nur fast. Kurz schloss sie ihre strahlenden Augen und atmete tief durch. Selbst sie wurde allmählich müde, denn all die Feste laugten inzwischen auch die Elfen aus. Aber er befahl zu kommen, also mussten sie nach seiner Pfeife tanzen. Wortwörtlich. Oriana schüttelte missbilligend den Kopf. Der Junge hat das Blut seiner Mutter. Sie wäre mit Sicherheit unfassbar stolz auf ihn. Als sie die Augen wieder öffnete, blinzelte sie erstaunt.

Am Rande des Grundstücks bewegte sich etwas. Hinter den Bäumen, verborgen im Schatten. Sie kniff ihre Augen fester zusammen und ihr wurde bewusst, dass es sich um ein Mädchen handelte. Sie taumelte beim Gehen, stolperte immer wieder über Dornenranken, die sich in ihrem zerrissenen Kleidersaum verfangen hatten, als würden sie sie zurückhalten wollen, näher an die Festung heranzugehen. Oriana runzelte ihre Stirn und schritt zur Treppe. Ihre Füße glitten lautlos über die polierten Stufen und als sie im Erdgeschoss angelangt war, hörte sie bereits ein schwaches Pochen an der Tür. Einer der Diener eilte herbei, doch sie warf ihm einen ernsten Blick zu.

„Ich übernehme das selbst, danke Larun." Langsam öffnete sie die Tür und wäre fast von dem zitternden Körper der Fremden erschlagen worden. Sie schien so geschwächt zu sein, dass sie sich nicht einmal mehr auf den Beinen halten konnte. Oriana griff sanft nach ihren Schultern und hielt sie fest. Nun, wo sie sie von Nahem sah, fiel ihr auf, dass sie selbst, wenn sie eine Elfe war, unfassbar hübsch war. Ihre Haare, so zerzaust und durcheinander sie doch sein mussten, umrahmten ihr schmales Gesicht wie eine Woge aus verblassendem Regenbogen und etwas an ihr kam ihr unfassbar bekannt vor.

„Wer bist du?", fragte Oriana leise.

Das Mädchen öffnete seine Augen und blickte sich hektisch um. „Ich...muss den General sprechen. Es...es ist wirklich dringend."

Oriana schüttelte ihren Kopf und zog sie ins Haus. „Wie heißt du, meine Liebe?"

„Ich...mein Name ist Crystal...ich muss ihn sprechen. Jetzt."

Mit ernster Miene führte Oriana sie in die Eingangshalle hinein und drückte sie auf einen der Stühle. „Sag mir, was ist so wichtig, dass es nicht warten kann, bis es dir besser geht?"

„Ich muss...ihm etwas wichtiges sagen." Ihr fiel auf, dass Crystal unfassbar viele kleine Wunden hatte, aber auch Narben, die nicht von ein paar Zweigen kommen konnten. Sie sahen alt aus und begannen schon langsam zu verblassen, obwohl sie wohl nie ganz verschwinden würden. Crystal fuhr sich kurz durch die Haare, ehe sie den Blick hob und ihre Augen Oriana mit einer Intensität durchbohrten, die vorher noch nicht dagewesen war und sich anfühlte, als wäre sie physisch. „Ich muss mit Großgeneral Madoc sprechen. Ich muss ihm eine Nachricht überbringen, die von äußerster Wichtigkeit für ihn ist."

Oriana seufzte und gab nach. „Na schön. Komm mit. Er ist in seinem Arbeitszimmer." Leicht schwankend stand Crystal auf und versuchte, ein paar Schritte zu machen, doch sie wäre vermutlich wieder gestürzt, wenn Oriana sie nicht aufgefangen hätte. Mit einem leisen Brummen stützte sie das junge Mädchen, während sie weitergingen. „Und was ist passiert, dass du so...unordentlich aussiehst?"

„Ich...ich bin weggelaufen. Ich musste den General finden und mit ihm sprechen."

„Wovor bist du weggelaufen?"

„Vor...ihm. Ich möchte ungern alles doppelt erklären. Es ist...es tut weh." Sie verzog ihr hübsches Gesicht und schien allein bei der Erinnerung Schmerzen zu haben. Den Rest des Weges über schwiegen die beiden so einvernehmlich, als wäre es abgesprochen. Als sie schließlich vor der Tür standen, die in Madocs Arbeitszimmer führte, klopfte Oriana laut und deutlich an, ehe sie die Tür öffnete, ohne auf eine Antwort zu warten und Crystal hinter sich hineinzog.

Madoc saß an seinem Schreibtisch und sah die beiden Frauen mit einer Mischung aus ernster Ruhe und Erstaunen an. Offensichtlich hatte er keinerlei Besuch erwartet. Neben Oriana wurde das Mädchen sichtlich steif und schien nicht wirklich zu wissen, was sie nun tun sollte. „Was ist los, Oriana?", fragte er kühl und betrachtete seine Frau prüfend.

„Dieses Mädchen hier ist eben fast an unserer Tür zusammengebrochen und sagt, sie hat eine wichtige Botschaft für dich."

Madocs Blick war von Oriana zu Crystal gewandert. In seinen Augen leuchtete eine abwartende Glut, doch ihre Augen glühten noch mehr, fast schon sengend. Man hätte glauben können, die zarte, zerbrechliche Gestalt und diese leuchtenden Augen wie aus poliertem Edelstein würden zu zwei unterschiedlichen Leuten gehören.

„Wer bist du?"

Sie holte tief Luft und starrte ihn einige Sekunden einfach mit diesem stechend hellen Funkeln in den Augen an. Dann machte sie langsam ein paar Schritte nach vorne. Als sie zu sprechen begann, war ihre Stimme nicht mehr leise oder geschwächt. Keine Silbe zitterte, während sie etwas aussprach, das hier, im Haus, auf der Insel, in ganz Elfenheim, der Anstoß für eine Veränderung sein würde.

„Mein Name ist Crystal. Ich bin deine Tochter."




Ich möchte nochmal betonen, dass diese Geschichte NACH dem 1. Teil spielt. Ich war zwar so blöd und hab mich im englischsprachigen Wiki ein bisschen zu den nachfolgenden zwei Teilen spoilern lassen, aber ich werde diese Informationen nicht verwenden. (Ja, gut die eine Ausnahme, aber die braucht sowieso noch ewig, weil sie halt einfach erst im dritten Teil kommt...und ich eben erst beim ersten bin.) In jedem Fall würde ich mich sehr über euer Feedback zum Prolog freuen ^-^

DISCLAIMER: Die Bilder in der oberen Leiste gehören nicht mir, alle Rechte sind vorbehalten, sollte ich nichts dazuschreiben. Das Gleiche gilt für Videos. Das Titelbild hat Araidana für mich gemacht, eine sehr gute Freundin von mir. Schaut doch ruhig mal bei ihr vorbei.

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