Kapitel 23 ~ Blutgift

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Crystals Sicht:

Meine erste Reaktion darauf, dass jemand meine Schulter berührte war, mich umzudrehen. Nicht sonderlich schlau, falls dieser jemand versucht hätte, mich zu ermorden, ich weiß. Das war auch, was mir als nächstes in den Kopf kam. Genau deswegen schoss ich auch nach oben und starrte in die Dunkelheit hinein. Eine Silhouette im Umhang stand vor meinem Bett. Ich konnte ihr Gesicht nicht erkennen, doch die Gestalt hob ihre Hände und schlug den Umhang beiseite. „Keine Waffen. Kein Grund zur Panik."

„Wer bist du und was tust du in meinem Zimmer?!", fragte ich atemlos und misstrauisch. Und wie zum Teufel bist du durch meine Schutzzauber gekommen? „Keine Zeit für lange Erklärungen. Du musst sofort in den Thronsaal." Ich verschränkte die Arme vor der Brust und schwang die Beine aus dem Bett. Der Unbekannte, es klang nach einer männlichen Person, die vielleicht etwas älter war als ich selbst, ging etwas zurück und nun konnte ich auch sehen, dass die Tür verschlossen und das Fenster noch immer vom Vorhang verdeckt war. Deswegen war es also so dunkel. „Warum?", fragte ich weiter und stand auf. Ich war kleiner als er, aber nicht sehr viel, mehr konnte ich nicht erkennen. „Es ist wegen dem Hochkönig. Er..."

„Cardan?", ich starrte ihn alarmiert an, „Was ist mit ihm?!"

„Ich erkläre es dir auf dem Weg." Ich zögerte nicht mehr, sondern nickte entschieden, löste die Schutzzauber mit einer einzigen Handbewegung auf und ging aus dem Zimmer, ohne darauf zu achten, dass ich barfuß war und nur ein dünnes Nachthemd trug. Der Fremde ging lautlos neben mir her, passte sich meinem hastigen Tempo problemlos an. „Was ist passiert?" Die Sorge war nicht nur in meinem Gesicht, sondern auch in meiner Stimme mehr als nur deutlich erkennbar. Was, wenn jemand versucht hat, ihn zu ermorden? Was, wenn Vater seine Pläne jetzt anders durchsetzen wollte? Was, wenn er sich verletzt hat? Was wenn...? „Wir wissen nicht genau, was passiert ist, aber wir können davon ausgehen, dass er vergiftet wurde, das ist alles, was Jude uns bis jetzt dazu sagen konnte. Er ist bewusstlos. Wir brauchen dein Wissen, um herauszufinden, ob es sich dabei um Artefaktgift handeln könnte." Augenblicklich ging ich im Kopf alle möglichen Artefakte durch, die Gifte beinhalteten. Wandermedaillons konnten Gift enthalten, welches bewusstlos machte, aber das hielt nicht lange und die Intensität des Gifts kam auf das Alter des Medaillons an. „Wie lange ist er schon ohnmächtig?"

„Schätzungsweise eine Viertelstunde oder etwas länger." Zu lang. Das Topazkatzenauge oder der Wolfsruf brachten sowas vielleicht fertig, aber beide waren nur schwer zu kontrollieren und man konnte ihr Gift nur einmal alle eintausend Jahre sammeln. Das letzte aufgezeichnete Mal war erst dreihundert Jahre her, das konnte es als auch nicht sein, denn das Gift wurde schnell unwirksam und konnte unmöglich so lange aufbewahrt werden. Meines Wissens nach. „Hat er Anzeichen von Schmerzen oder Krämpfen gezeigt?" Wäre das der Fall käme vielleicht der Runenstein des Dunkelreiches in Frage. Auch, wenn dieser nur Gifte abgab, wenn er sich verteidigte. „Das weiß ich nicht, ich war nicht anwesend. Da musst du Jude fragen." Wir waren angekommen und ich stieß die Türflügel auf. Im Thronsaal brannten Fackeln, welche mit ihren ungewöhnlichen, weißen Flammen alles in viel zu grelles Licht tauchten. Ich musste kurz die Augen zusammenkneifen, um meine Pupillen zu verkleinern.

Es waren überraschend wenig Leute im Raum. Ein paar, die ich nicht kannte, die weißhaarige Heilerin, welche ich manchmal im Kräutergarten angetroffen hatte, Jude und Pandora. Beide trugen dunkle Umhänge und sprachen leise miteinander. Scheinbar war ich die Einzige von uns dreien, die heute eigentlich vorgehabt hatte, zu schlafen. Pandoras Haare fielen ungebändigt über ihren Rücken und sah sehr unordentlich aus. Zweige und Blätter steckten in ihnen und hier und da meinte ich sogar, Spinnweben zu sehen. Der Fremde neben mir versteifte sich ein wenig, doch darauf konnte ich gar nicht mehr achten. Ohne auf ihn oder sonst wen Rücksicht zu nehmen, hastete ich zu den beiden.

ElfenkussWhere stories live. Discover now