Kapitel 6 ~ Pandora

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Irgendwann hatte es an der Tür geklopft und ein paar Kobolde hatten mein Gepäck ins Zimmer geschafft. Erst danach hatte ich die Vorhänge vor dem Fenster beiseitegezogen. Die dunklen Balken der Decke waren von Efeu, weißen und roten Kletterrosen und Geißblatt überwuchert, sodass man das Holz darunter kaum erkennen konnte. Der Boden war ebenfalls aus diesem Material gemacht, während die Wände in einem weichen Cremeweiß gestrichen waren. Die Pfosten des Bettes, welches in der linken Ecke des Raumes stand, wirkten, als wären sie direkt aus dem Boden gewachsen und bildeten gemeinsam mit den Kletterpflanzen eine Art Dach über der blutroten Decke. Ein weißer Vorhang war an ihnen aufgehängt, sodass er nebelartig über den Kissen schwebte. Neben dem Bett stand ein dunkler Schrank, der bis zur Decke reichte und mit weißen Rosen bemalt war. Daneben reihten sich die Kästen, Vitrinen und Regalbretter nur so aneinander, allesamt aus fast schwarzem Holz und mit bronzefarbenen Verzierungen. Ein, fast vollständig von Rosen umrankter, blutroter Vorhang verdeckte das große Fenster noch immer großteils, doch nun fiel genug Licht in jeden Winkel, um etwas zu sehen. Ein aufwendig mit geschnitzten Faunen und Sphinxen geschmückter Schreibtisch stand in der Ecke vor dem Fenster, eine weitere Tür, welche so überwachsen war, dass ich sie fast nicht bemerkt hatte, führte in ein kleines Badezimmer. Das Zimmer war größer als ich zuerst gedacht hatte, aber auch nicht riesig. Es war so alt, dass ich davon ausging, dass es seit vielen Jahren nicht mehr bewohnt war, und lag ziemlich weit außen. Normalerweise schlief hier niemand von Wichtigkeit. Aber das machte mir nichts aus. Es war...perfekt.

Ich hatte automatisch meine Kleider in den Schrank, die Artefakte in die Schubladen, Regale und Glasschränke geräumt, meine Bücher auf den freien Plätzen dazwischen platziert, die Edelsteine und Federn, welche sich nicht einfach irgendwo wegsperren ließen, über meinem Bett und an den Kletterpflanzen aufgehängt, wobei ich dafür einen Stuhl benutzen musste, und mich umgezogen. Immerhin gehörte es zum guten Ton, sich umzuziehen, wenn man zum Abendessen ging und neu war. Der nachtblaue, hauchzarte Stoff meines Kleides lag wie eine Wolke aus Satin um mich herum, da ich auf dem Rücken auf meinem Bett lag. Winzige, silberne Blüten erblühten auf dem knöchellangen Rock und ein silbernes Band war knapp unter meiner Brust zu einer kleinen Schleife gebunden, die Ärmel waren schulterfrei und leicht gerafft. Meine Haare ich lediglich zu einem seitlichen Zopf geflochten und kleine silberne Blätter hineingearbeitet. Es war zwar ein Abendessen im Palast, aber eben doch nur ein Abendessen und ich hoffte sehr, dass ich einfach nicht zu sehr auffallen würde.

Am liebsten wäre ich einfach die nächsten Tage nicht mehr aus dem Zimmer gegangen. „Das läuft alles falsch...", flüsterte ich hilflos und schloss die Augen. Cardan unterrichten. Viel schlimmer konnte es nicht werden. Ich wettete, Vater hatte es gewusst oder zumindest geahnt. Ich konnte ihm unmöglich aus dem Weg gehen, ohne mich vor meinen Pflichten zu drücken oder unverschämt zu sein. Ich konnte ich ihm nicht direkt sagen, was Vater vorhatte. Meine Finger wanderten zu dem goldenen Verschluss meiner Kette. Alles, was ich tun konnte, war meine Mauern um mich zu ziehen und nicht zuzulassen, dass ich mir Sorgen machen musste. Leider war ich darin ziemlich schlecht. Mit einem leisen Klacken löste sich der Haken. Aber ich musste es tun. Ich konnte nicht zulassen, dass mein Vater durch mich die Kontrolle über den Hochkönig und Elfenheim erlangte. Nachdenklich öffnete ich meine Augen wieder und betrachtete den Anhänger. Er pulsierte erwartungsvoll. Er wollte benutzt werden. Ich schüttelte meinen Kopf. Vermutlich hätte ich ihn längst loswerden sollen, doch ich konnte einfach nicht. Ich wusste nicht, ob es an dem Zauber lag oder ich einfach zu schwach war, um loszulassen.

Ein Klopfen schreckte mich auf. Mit einer hastigen Bewegung hatte ich die Kette wieder umgelegt und war aufgesprungen. „Ja, bitte?" Die Tür öffnete sich und gab den Blick auf Jude frei, welche noch ihre einfache weiße Tunika von vorhin trug und mich kurz musterte. „Hast du dich schon etwas eingerichtet?" Ich nickte kaum merklich. „Das Zimmer ist wirklich sehr schön."

ElfenkussWhere stories live. Discover now