NICK

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Wie erstarrt kauerte ich auf der Treppe. Ich sollte laufen, so schnell mich meine Beine trugen, doch ich konnte mich nicht bewegen. Der Schmerz in meinem Kopf und die furchtbare Angst, die mich ergriffen hatte, ließen mich bewegungsunfähig auf meiner Position verharren. „Kommst du freiwillig oder soll ich dich abholen kommen?" Nick stand am Fuße der großen Treppe und blickte mich erwartungsvoll an. Eine einzelne Träne lief meine Wange herunter und ich schluchzte leise auf.

Anscheinend war ihm meine Schockstarre zu langweilig geworden, denn er begann langsam die Treppe nach oben zu laufen, wobei seine Miene keinerlei Gefühlsregung zeigte. Eng zusammengekauert und mit fest umschlungenen Beinen musste ich auf der Treppe wie ein Häufchen Elend ausgesehen haben, denn so fühlte ich mich auch. Die blonde Frau rief seinen Namen und sah mich dabei mitleidig an. Ein Funken Hoffnung keimte in mir auf, sie würde mir helfen, denn sie kannte diesen Kerl anscheinend und könnte ihn vermutlich aufhalten. Nick stoppte in seiner Bewegung und warf der Frau einen Blick zu, der hätte tödlich sein können. Ihr Mut sank dadurch anscheinend genauso schnell ins Bodenlose wie meine Hoffnung. Sie flüsterte leise „Tu ihr nicht weh..." und senkte den Blick. Sein Blick schien sie zu durchbohren, als er monoton zu sprechen begann - es war nur ein Wort, aber dieses Wort strahlte so viel Macht und Dominanz aus, dass niemand etwas dagegen einwenden konnte: „Raus!" Die Frau warf mir einen letzten entschuldigenden Blick zu und machte sich mit Mikel auf den Weg zur Eingangstür.

Als die beiden das Haus verlassen hatten und die Tür hinten ihnen ins Schloss gefallen war, wendete Nick seine Aufmerksamkeit wieder seinem „Gast" zu und überbrückte die letzten Meter, um schließlich genau vor mir, diesem zitternden Häufchen Elend, stehen zu bleiben.

Die Tränen liefen jetzt wie ein Bach an mir herunter und ich wurde von einem Heulkrampf geschüttelt. Ich hatte so viel Angst wie noch nie zuvor. „Du sollst mich ansehen!" Automatisch sah ich zu ihm auf und erkannte, dass er seine Hand ausgestreckt hatte. „Steh auf". Es war keine Frage, sondern eine simple Feststellung. Da ich sowieso keine Wahl hatte, wischte ich mir die Tränen weg und nahm seine Hand, woraufhin sich sofort Wärme in meinem Körper ausbreitete, ganz so ,als wäre es richtig, seine Hand zu halten, doch das war es ganz und gar nicht, denn: Er war ein Monster, ein Mörder!

Gemeinsam gingen wir die Treppe nach unten ins Wohnzimmer, wo er mit einer Handbewegung andeutete, ich solle mich auf das Sofa setzen. Er selbst nahm gegenüber auf einem grauen Sessel Platz. Einige Sekunden verstrichen, in denen niemand ein Wort sagte, in dieser Zeit nahm ich den Wohnraum etwas genauer unter die Lupe. Im Gegensatz zu dem Zimmer, in dem ich aufgewacht bin, war hier unten alles modern in hellen Farben eingerichtet. Die Glasfront führte, wie ich vermutet hatte, auf eine schöne Terrasse mit anliegendem Garten und einem Pool, während neben der Wand links ein großes TV an der Wand hing und sich rechts neben dem Kamin ein Sofa befand. Es war gemütlich und unter anderen Umständen hatte ich mich hier sehr wohl fühlen können.

Ich warf einen schüchternen Blick auf den bedrohlich wirkenden Mann gegenüber. Er lächelte wieder, genau wie er es gestern Abend getan hatte, als er mich angesehen hat: ein Mundwinkel war nach oben gezogen und seine Augen glitzerten. „Was ist bitte so lustig?" Ich sah ihn mit einem bösen Blick an. Kann ja sein, dass das hier sein Haus ist, aber trotzdem muss er sich nicht wie ein Arschloch benehmen! „Mein T-Shirt steht dir" - mit einem anzüglichen Blick betrachtete er mich von oben bis unten, wobei ich seine unglaublich hellblauen Augen bemerkte und mich für einen Moment in ihnen verlor. Erst dann realisierte ich, was er gesagt hatte, und schnaubte verächtlich: „Oh, tut mir Leid, aber irgendein Spinner hat mir meine Klamotten geklaut." Ich hatte keine Ahnung, was mich da geritten hatte, aber irgendwas an seiner Art brachte mich dazu, so gereizt zu reagieren. „Hm, die Kleine hat Krallen. „Seine vergnügt funkelnden Augen verrieten, wie viel Spaß ihm die ganze Sache hier anscheinend machte. „Durch den starken Regen von gestern Abend war deine Kleidung komplett durchnässt. Aus diesem Grund musste ich sie dir ausziehen, sonst hättest du dir womöglich noch eine Erkältung eingefangen. Meine Haushälterin hat deine Sachen schon gewaschen und wird sie dir später überreichen."

Den letzten Satz erzählte er so trocken, als würde er über das Wetter sprechen. Aber klar, wer macht sowas nicht, einer Wildfremden die Kleidung ausziehen, diese in sein Haus entführen und ihr dann erzählen, dass die 'Haushälterin' die Sachen später bringen werde? Irgendwas stimmte mit diesem Kerl absolut nicht.

Mein Blick huschte zu der Eingangstür, anscheinend eine Sekunde zu lang. denn seine Augen folgten den meinen. Panisch sah ich ihn an. „Ich... Ich wollte nicht weglaufen oder so", brabbelte ich los. Ich wollte nichts mehr, als von diesem Ort endlich wegzukommen, aber das würde ich ihm bestimmt nicht unter die Nase reiben.

„Mia, ein schöner Name..." Moment mal, woher wusste er, wie ich heiße? Er griff in seine hintere Hosentasche und zog mein Portemonnaie hervor. "Das hier ist dir gestern Abend bei unserem kleinen Zusammentreffen aus der Jackentasche gefallen."

Er warf es mir zu. „Kleines Zusammentreffen?" Das war eine wirklich harmlose Umschreibung dessen, was gestern wirklich passiert war. "Du bist übrigens keine Gefangene, falls du das annehmen solltest. Dir steht es frei, jederzeit zu gehen." Er wischte mit der Hand achtlos in Richtung Tür.

Völlig verstört starrte ich ihn an. Ich konnte gehen? Einfach so? „Ich... Okay... Danke ", stammelte ich überrascht hervor.

„Miss Mills! " Eine kleine pummelige Frau betrat eilig das Wohnzimmer. „Unser Gast möchte gehen, also bringen Sie Ihr Ihre Kleidung."

Kein Bitte, kein Danke, er war es wohl gewohnt, seinen Willen zu bekommen. Alles an ihm strahlte Pure Dominanz aus, und alles in mir schrie ich, sollte hier dringend verschwinden. Als Miss Mills mir meine Kleidung brachte, zog ich mich so schnell es ging um und machte mich auf den Weg, hier raus zu kommen.

Vor der Haustüre wartete Nick auf mich. Wäre ja auch zu einfach gewesen, dachte ich mir, und blieb vor ihm stehen.

Er legte seinen Finger unter mein Kinn und zwang mich so, ihn direkt anzusehen. „Es tut mir leid, dass ich dein Handy zerstört habe, darum hab ich dir ein neues besorgt." Seine Hand wanderte langsam über meinen Rücken zu meinem Po und verharrte dort kurz. Dann steckte er das Handy in meine Tasche. Ich hatte kurz den Atem angehalten. Was war das denn jetzt bitte?! „Danke", murmelte ich.

Er beugte sich nah zu mir und musste sich ein wenig bücken, da er größer war als ich. „Du solltest besser niemandem von unserem kleinen 'Date' erzählen." Sein Atem war ganz nah an meinem Ohr und ich spürte, wie ich allmählich eine Gänsehaut bekam. Er legte seine Hand leicht auf meinen Rücken, um mich noch ein Stück näher an sich zu ziehen. Ich möchte dir wirklich nicht wehtun, doch wenn du mir keine andere Wahl lassen solltest, dann..." Er trat einen Schritt zurück und ließ den Rest des Satzes im Raum stehen. Ich schluckte schwer und sah ihm direkt in die Augen. „Ich werde niemandem etwas sagen, ich verspreche es." Sein Mundwinkel begann zu zucken. „Da bin ich mir sogar ziemlich sicher, Liebes", fügte er noch mit bedrohlich funkelnden Augen hinzu.

Ohne ihn eines letzten Blickes zu würdigen, machte ich auf dem Absatz kehrt und verließ eilig das Haus. Erst nach ein paar hundert Metern hörte ich auf zu rennen und erlaubte mir, endlich richtig durchzuatmen.

Dunkles Verlangen [✔️] Место, где живут истории. Откройте их для себя