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18.23 Uhr.. 18.24 Uhr.. Wie gebannt starrte ich auf die Uhr an der Wand die sich quälend langsam bewegte und mich damit zu verhöhnen schien.
Um mich abzulenken schrubbte ich die Theke der Bar, hinter der ich stand schon zum dritten Mal in kurzer Zeit.
Nur noch dreißig Minuten und ich konnte von hier verschwinden. Frustriert stöhnte ich auf.
"Denkst du nicht, dass der Tresen langsam mal sauber ist"
Erschrocken zuckte ich zusammen, ich hatte garnicht bemerkt wie Su sich neben mich gestellt hatte und mich nun interessiert musterte.

Heute war mein erster Arbeitstag seitdem ich mich krank gemeldet hatte.
Ganze fünf Tage hatte ich es ausgehalten.
In dieser Zeit war mein Sofa wie eine zweite Haut geworden. Die einzige Zeit des Tages in der ich mich bewegen musste war, um die Tür für den Lieferdienst zu öffnen oder um meiner schrulligen alten Nachbarin zum wiederholten Male zu versichern, dass ihre Katze ganz sicher nicht bei mir war und ich sie auch nicht gesehen hatte.

Als ich mir dann aber ernsthaft überlegt hatte, in die nächste Zoohandlung zu fahren um mir ein Haustier zu holen, wusste ich das ich nun dringend wieder unter Menschen musste. Also rief ich kurzerhand meinen Chef an, um ihm mitzuteilen das ich ab morgen wieder zur Arbeit kommen würde. Danach schrieb ich Su eine Nachricht um sie zu fragen welche Schicht sie morgen hatte. Schichten mit Su waren einfach viel entspannter als mit meinen anderen Kollegen. Zumal war sie meine beste Freundin und was gab es besseres als Vergnügen mit Arbeit zu vermischen?
Leider hatte ich Pech und sie hatte erst die Schicht nach mir, weshalb ich mich heute den ganzen Tag mit der grummeligen Frau des Chefs abmühen durfte.

Da sie der Meinung war, als Ehefrau des Besitzers konnte man tun und lassen was man wollte. Saß sie den ganzen Nachmittag über in ihrem Büro und ließ mich mit den Gästen allein. Lediglich das Personal in der Küche machte seinen Job.

Als die ersten Gäste eintruddelten, verdrückte sich meine "Kollegin" sofort und ich hatte zutun die ganzen Bestellungen aufzunehmen und dann zu servieren.
Höhepunkt des Nachmittags war eine Currywurst mit Pommes Bestellung die ich an einen der hinteren Tische bringen sollte.
Der Laden war gerammelt voll und überall tranken die Leute ihr Bier und unterhielten sich lautstark. Meine Konzentration geriet etwas ins wanken und als ein angetrunkener Kerl ungeschickt neben mir aufstand und mich dabei anrempelte, fiel das Gericht scheppernt zu Boden. Die Scherben des Tellers sprangen in alle Richtungen und aufgeregte Fußschritte verrieten mir, das wohl einige Menschen aufgestanden waren um mir zu helfen.

Meine gesamte Aufmerksamkeit jedoch, lag auf den Pommes.
Diese lagen versträut auf dem Boden und das Ketchup das überall Spritzer hinterlassen hatte, ließ mich in einer  Schockstarre verharren.
Das Bild des blutenden Mannes auf dem Boden bahnte sich wieder einen Weg in mein Gehirn. Seine leeren Augen und das flehen in seiner Stimme, an die ich mich noch erinnerte als würde es direkt vor mir stehen, brachten das Fass zum überlaufen.
Ich schlug mir die Hände vor mein Gesicht und brach in Tränen aus, ich starrte auf die Pommes und konnte mich nicht mehr beruhigen. Die Menschen um mich herum tuschelten schon. Bestimmt fragten sie sich wie jemand der so seltsam war und wegen so etwas in Tränen ausbrach, hier überhaupt einen Job hier bekommen konnte. Matilde kam aus der Küche gestürzt und zog mich mit sich.
"Es sind nur Pommes, mach dir keine Sorgen. Ich werde es gleich wegwischen" flüsterte sie mir zu, mit einer Hand an meinem Rücken, schob sie mich in Richtung Küche.

Nach kurzer Zeit, kam auch schon die Ehefrau meines Chefs in den Raum gestürzt und hielt mir eine Standpauke.
Immernoch zitternd ließ ließ ich Schimpftirade über mich ergehen. Sie brüllte fast als sie mir erklärte wie unfähig und unprofessionell mein Verhalten doch gewesen sei und das die Hälfte der Kundschaft aufgebracht das Gebäude verlassen hatte, natürlich ohne zu Zahlen.
"Dafür wirst DU aufkommen"! War das letzte was sie von sich gab, bevor sie wutentbrannt den Raum verließ und wieder in ihr Büro stapfte.

Zwei Stunden später stand ich hier also und putze zum wiederholten mal die Theke.
Su betrachtete mich Immernoch Stirnrunzelnd. "Was ist los, süße"?
Das Mitleid in ihrer Stimme war kaum zu überhören, aber ich wollte ihr Mitleid nicht, das einzige was ich dringend wollte war hier endlich raus zu kommen und mich wieder auf mein Sofa zu verkrümmeln. Mein Sofa verstand mich und stellte mir keine blöden Fragen.
Also raffte ich meine Schultern und lächelte sie schwach an :"Naja, es war echt stressig heute, und eine Schicht mit der da", ich deutete auf die Bürotüre die immer noch verschlossen war "ist echt die Hölle".
Su folgte meinem ausgestreckten Finger in Richtung der Tür, mit den Augen. Ihr Lächeln wurde breiter als sie verständnisvoll mit dem Kopf nickte.
"Ah! Du hast mein absolutes Mitgefühl, der erste Arbeitstag mit dem Biest würde mir auch die Laune verderben". Kichernd räumte ich die letzten Reste des Geschirrs in die Schränke als die Klingel der Eingangstüre den nächsten Besucher ankündigte.
"Ich geh schon, du hast ja sowieso in zehn Minuten Feierabend". Su, die schon ihre Arbeitskleidung angezogen hatte, machte sich auf den Weg den Kunden zu begrüßen.
Ich war ihr unheimlich dankbar, ich wollte dringend nachhause und eine Dusche nehmen.
Etwas fröhlicher ging ich nach hinten um mich umzuziehen und meine Sachen zu packen.
Ein paar Minuten später war meine Laune tatsächlich besser und ich freute mich schon auf zuhause.
Noch bevor ich ihn sah, wusste ich dass er da war. Ein mulmiges Gefühl in meiner Magengegend und ein leichter Schmerz im Kopf waren dafür die ersten Anzeichen.

Ein letzter Blick auf Su, der ich kurz zulächle und dann straffte ich meine Schulter und gehe nach draussen.

Nick lehnt lässig an der Wandmauer vor dem Gebäude und wirkte gelangweilt.

Als er mich sah löste er sich von seiner Position und kam auf mich zu.
"Können wir.."?

Das "Wohin?", welches mir auf der Zunge brannte sparte ich mir diesmal.


Dunkles Verlangen [✔️] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt