MOTEL

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"Was war das denn gerade eben?" Mit leicht gerunzelter Stirn sieht er mich an.
Ich erwiderte den Blick genauso und murmelte, mehr zu mir selbst als zu ihm "Wüsste ich auch gerne."
Dann schnappte ich mir den Zimmerschlüssel, den er locker in seiner Hand baumeln ließ und lief an ihm vorbei.
"Entschuldigen Sie, Mister Caine. Ich brauche jetzt dringend eine Dusche", eigentlich benötigte ich eher eine Verschnaufpause, die letzten Tage hatten definitiv an meinem Nervensystem gerüttelt und eine warme Dusche bewirkte da ja bekanntlich Wunder.

Im Zimmer angekommen ließ ich meinen Blick einmal kurz durch den Raum schweifen. Dieser war wirklich schön eingerichtet worden, die zwei großen Fenster gegenüber der Tür sorgten für ausreichendes Tageslicht und der Raum wirkte dadurch hell und freundlich. Der kleine Schreibtisch aus Holz neben der Wand passte perfekt zu dem gemütlich aussehenden Bett, dass mit einer hellgelben Bettwäsche versehen wurde.
Die Tatsache dass es nur ein Bett gab ignorierte ich fürs erste. Das würden wir später noch klären, ich hatte kein Problem damit zur Furie zu werden falls er es wagen sollte handgreiflich zu werden. Zur Not würde ich ihn einfach mitten in der Nacht auf den Boden schubsen, der war mit Sicherheit auch sehr gemütlich.

Ich ging auf die nächst gelegene Tür zu, diese musste ja wohl in das Badezimmer führen denn ansonsten gab es hier keine weiteren Räume mehr.
Ein kurzer Blick in ebendieses ließ mich sofort erkennen, dass hier viel Wert auf Hygiene gelegt wurde.
Erleichterung durchflutete mich, die meisten Motels die ich kannte, waren ein Paradies für Ungeziefer oder Staub. Dieser hier schien allerdings eher einen gehobenen Stand zu haben, was mich sehr beruhigte.
"Gefällt es dir?" Nick war hinter mir aufgetaucht und beobachtete jede meiner Bewegungen. Der Typ war echt nervig.
"Muss wohl reichen", erklärte ich schnipisch. "Duschen möchte ich allerdings alleine, danke." Ohne mich noch einmal zu ihm umzudrehen, zog ich die Badezimmertür hinter mir zu.
Ich lauschte einige Sekunden angespannt, wäre ja möglich dass er doch noch herein kommen würde. Als ich aber das Geräusch eines der Stühle im Zimmer nebenan vernahm, entspannte ich mich langsam und atmete hörbar aus.

Nach einer gefühlten Ewigkeit stieg ich wieder aus der Dusche. Das warme Wasser hatte meine verkrampften Muskeln wirklich gut getan, das Shampoo, welches vom Motel bereit gestellt wurde duftete nach zarten Rosenblättern. Ich fühlte mich wie ein neuer Mensch, ein Blick in den Spiegel jedoch, verriet mir das ich absolut nicht danach aussah. Dicke Augenringe prankten in meinem Gesicht und meine Haare konnten mal wieder eine Spülung vertragen.
Schulterzuckend wendete ich mich ab, ändern konnte ich daran jetzt sowieso nichts mehr. Im Moment jedenfalls nicht.
Meine Laune erhellte sich schlagartig als ich daran dachte wie Nick mir vorhin durch die geschlossene Tür zugerufen hat, dass er meine Sachen in einer Reisetasche auf dem Bett liegen ließ, mein erster Gedanke war, was er doch für ein elendiger Stalker war.
Er hatte wohl schon vor meiner Entführung meine Sachen gepackt und dies hier alles geplant. Als er jedoch kurz darauf erwähnte, er würde einen kurzen Spaziergang machen, änderte sich meine Gefühlslage. Es war mir egal, dass er noch ausführlich schilderte wie sinnlos eine Flucht war, da um uns herum nur ein Wald mit wilden Tieren und eine Schnellstraße zu finden war.
Die knallende Moteltür kurz darauf, erweckte meine Lebensgeister schlagartig.

Eine Minute später war ich auch schon aus der Duschkabine gesprungen und hatte mich abgetrocknet. Ein letztes Mal hatte ich an der Tür gelauscht, nur um sicherzugehen dass er auch wirklich gegangen war.
Kein Mucks war zu hören und ich öffnete leise die Tür.

Die Reisetasche lag wie angekündigt auf dem Bett, doch ich ignorierte sie erst einmal.
Mein Augenmerk lag auf etwas ganz anderem. Schon als ich zum ersten Mal diesen Raum betreten hatte, entdeckte ich es. Mein Ticket in die Freiheit.
Auf meinem Gesicht bildete sich ein leichtes Lächeln und zum ersten Mal fühlte ich diesen Funken, den ich schon für Verloren gehalten hatte.
Hoffnung.
Ich vergewisserte mich ein letztes Mal ob wirklich niemand in diesem Raum war und beeilte mich dann um an das andere Ende des Raumes zu gelangen.
Neben dem Bett, auf der kleinen Anrichte stand es. Ein Beiger Farbton, der so abgenutzt war das man meinen könnte, es stammt noch aus der Vorkriegszeit. Aber das war mir egal. Meine Hand zitterte stark als ich nach dem Telefon Hörer griff und die Nummer der Polizei wählte. Bald wäre ich hier raus und all das wäre nur noch ein schlechter Albtraum.
Mein Atmen ging nur noch Stoßweise als ich den Hören an mein Ohr hielt.
Wertvolle Sekunden verstrichen und langsam bekam ich Angst, er könnte jede Sekunde hier wieder auftauchen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit musste ich resigniert feststellen, dass das Telefon tot war. Das Freizeichen, welches sich normalerweise meldete blieb aus und am anderen Ende des Hörers war das einzige das ich wahrnehmen konnte mein eigener Herzschlag.
Frustriert nahm ich das dumme Gerät in die Hände und warf es mit einer solchen Wucht gegen die nächste Wand, dass sogar die Verankerung in der Wand sich löste und einige broken des Putzes abfielen.
"Fuck!"

Enttäuscht ließ ich mich für einen Moment auf das Bett sinken, soviel Pech kann auch nur ich haben.
Trotz meiner ziemlich aussichtslosen Lage wollte ich so schnell nicht aufgeben, es gab immer mehr als eine Möglichkeit und meine nächste Chance war Blond und hoffentlich ziemlich dumm. Die Barbie hatte ich für einen Moment ganz vergessen. Ich hatte zwar keine Lust von einem Bären als Nachtisch herzuhalten oder von einem zu schnellen Auto von der Straße gewischt zu werden, aber die Frau an der Rezeption schien eine Akzeptable Lösung zu sein.

In Windeseile zog ich mich an, es war mir egal was für Kleidung ich aus der schwarzen Reisetasche zog, das wichtigste war, dass sie meinen Körper bedeckten.
So stand ich eine Minute später in einer rosa Sporthose und einem Blauen, viel zu weit geschnittenem Hoodie da. Nicht gerade die Art von Klamotten die ich sonst bevorzugte aber im Moment war mir das wirklich alles andere als wichtig.

Ich huschte so schnell und leise wie möglich in den langen Gang der zur Treppe führte. Immer noch war von Nick keine Spur zu sehen. Einzig das zwitschern der Vögel und ab und an einen rasant vorbeifahrenden
Wagen konnte ich ausmachen. Ansonsten war es still. Wahrscheinlich zu still.

Ich beeilte mich die Treppe nach unten zu laufen, ohne das ich mir dabei den Knöchel brach. Unten angekommen rannte ich den kurzen Korridor entlang und stand auch schon an der kleinen Kabine mit der Aufschrift 'Rezeption'.
Jetzt war es mir egal ob ich leise war oder ob mich jemand hören würde.
Ich riss die Tür auf und lief an den kleinen Schalter hinter dem uns vorhin die Blondine begrüßt hatte.
Leider war keine Spur von ihr zu sehen.
Klasse.. Mein Glück ist heute anscheinend auf einem Wellness Ausflug.
Ich drückte panisch auf die kleine Glocke neben der Anrichte, in der Hoffnung die Frau würde bald erscheinen.
Panisch umdrundete ich den Tresen und fand ein Telefon. Schnell drückte ich die Tasten und lauschte nach einem Freizeichen.
Nichts!
Dieses scheiss Motel sollte wirklich mal seine Telefone reparieren.
Unschlüssig was ich nun tun sollte, suchte ich den kleinen Raum mit den Augen ab. Hier musste doch wohl etwas brauchbares zu finden sein. Der Parkplatz vor dem Motel war immer noch wie leer gefegt. Nur die zwei Autos standen da. Das eine war Nicks Audi und das andere gehörte wohl der Blondine.
Schnaufend und mit den Nerven am Ende rief ich panisch "Hallo?!"
Aber niemand antwortete. Na gut.. Dann werde ich eben nach draußen gehen. Bei einem Auto hatte ich zumindest die Möglichkeit, dass es anhalten könnte.
Ich wirbelte herum und wollte gerade in Richtung der Ausgangstür gehen, als ich einen schmunzelnden Nick in der Tür lehnen sah.
In seiner Hand hielt er locker eine Heckenschere.
"Telefon kaputt?" Grinsend ließ er die Schere von einer in die andere Hand wandern.
Dieser Mistkerl..
Mit offenem Mund starrte ich ihn an, unfähig etwas zu sagen oder zu tun.
"Und die Rezeptionistin ist anscheinend auch ausgeflogen", er kam langsam ein paar Schritte auf mich zu.
Erst da erkannte ich das Blut an der Schere, mit jedem Schritt den er auf mich zu kam, tropfte etwas davon auf den Boden.










Dunkles Verlangen [✔️] Where stories live. Discover now