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Jungkook PoV

Die nächsten Tage fühlten sich an, als wäre ich in einem Moor gefangen und würde mit jedem Schritt nur noch mehr in diesem Sumpf absinken. Meine Trübsinnigkeit wurde nur mit jedem Morgen schlimmer, an dem ich Tae nicht begegnete. Mit jedem Mittag, an dem ich ihn nicht an seinem Platz in der Halle sah.

Er ging mir definitiv aus dem Weg, aber irgendwie konnte ich es ihm kaum übel nehmen. Ich hatte ihn überfordert. Taehyung war noch so rein und unschuldig, er war sich solche Situationen einfach nicht gewohnt.

Und ich Vollidiot liess mich mal wieder von meinen Hormonen leiten und hatte dabei vermutlich die einzige Chance zerstört, irgendwie zu ihm durch zu kommen. Ich hatte es echt verbockt.

Mit meinem Handeln musste ich ihn unglaublich verunsichert haben, ich kann mir vorstellen, dass er schlichtweg nicht wusste, wie er mit dem umgehen sollte. Das Ganze war viel zu schnell passiert. Ich konnte es mir selbst nicht erklären, wieso ich plötzlich so überstürzt gehandelt hatte.

Das wollte ich eigentlich gar nicht. Ich hatte nicht vorgehabt den Hufflepuff zu küssen. Irgendwie war das eine Kurzschlussreaktion meines Kopfes gewesen, weil er die Situation so verdammt passend fand.

Ja, eigentlich geschieh es mir Recht, dass Tae mich nun ignorierte. Vielleicht würde ich ja nun draus lernen.

Ich wollte nichts lieber, als die Zeit zurück zu drehen, diesen Augenblick nochmals zu erleben und einfach diese entscheidende Aktion nicht getan zu haben. Dann würde Taehyung mich bestimmt noch genauso anstrahlen.

Jetzt sah er mich nicht mal mehr an. Naja, eigentlich sah ich ihn sowieso nie. Ich wusste nicht, wo er sich aufhielt, aber irgendwie kriegte er es hin, scheinbar immer am anderen Ende von Hogwarts zu sein. 

Er lief mir nie über den Weg, keine zufällige Begegnung im Flur, kein Aufeinandertreffen in der Bibliothek. Selbst der Astronomieturm blieb irgendwie verlassen.

So konnte es mir wohl kaum jemand verübeln, dass ich unheimlich aufgeregt auf den Freitag wartete. Wenn wir Astronomie auf dem Turm hatten, konnte mir der junge Hufflepuff nicht mehr aus dem Weg gehen. Naja, aussser er würde die Stunde schwänzen, doch der kleine Streber würde vermutlich lieber Blutegel essen, als eine Unterrichtsstunde bei Zico zu verpassen.

Als dann endlich der Abend hereinbrach und ich mich auf den Weg zum Turm machte, schlug mir mein Herz bis zum Hals. Ich hatte keinerlei Ahnung, was ich dem Hufflepuff sagen wollte, wenn ich überhaupt dazu kam, ihm etwas zu erklären.

Jedes Mal wenn ich mir den Moment vorstellte, schien mein Gehirn keine Wörter mehr zu finden.

Leise Stimmen waren zu hören, als ich mich langsam der Plattform näherte. Jimin war schon früher los, weil er noch was mit Zico besprechen wollte, deshalb war ich ausnahmsweise alleine unterwegs. Vermutlich wollte er sich einschleimen, damit er eine bessere Note bekam. Nein, damit er überhaupt eine gute Note bekam.

Sagen wir's mal so; Jimin hatte unglaublich viele Stärken, die Astronomie gehörte definitiv nicht dazu. Weshalb er sich dann genau dieses Fach ausgesucht hatte, würde wohl immer ein Rätsel bleiben.

Ich beruhigte mich selbst nochmal, ehe ich die steinerne Treppe hoch lief und schlussendlich auf dem Turm stand. Zico befand sich wie so oft vor seinem Fernrohr, redete aber gerade mit meinem besten Freund. Ein paar andere Schüler waren ebenfalls schon anwesend, meine Augen suchten jedoch lediglich nach einer Person. Die ich dann auch fand.

Taehyung stand alleine rechts von mir in der Ecke. Er hatte seinen Mantel fest zu gezogen und den Schal um den Hals gewickelt, obwohl es nun wirklich nicht so kalt war. Mir schien es eher ein Schutzmechanismus zu sein. Er fühlte sich verletzlich. Und ich war dran Schuld.

Sein Blick wandte sich vom Boden ab zu mir, wobei er kurz erstarrte. Ich bildete mir ein, sowas wie ein Funkeln in seinen Augen gesehen zu haben, doch so schnell es auch gekommen war, so schnell war es auch verschwunden.

Er drehte den Kopf wieder weg, sah hinaus in die dunkle Nacht, in der mehr und mehr Sterne auftauchten und wunderschöne Bilder formten. Doch das schönste Bild blieb der Junge vor mir, der mich aber nicht weiter beachtete.

Ich hatte es einfach vollkommen versaut...

„So, meine Schüler, lasset uns beginnen", fing Zico dann die Stunde an, doch mein Gehör schien sich wie von alleine abzuschalten. Die Worte drangen nicht an mein Ohr, ich blendete sie aus.

Ich sah nur Taehyung, der nun ein wenig näher stand und unserem Lehrer aufmerksam zu hörte. Ich fokussierte mich auf seine Haltung, sein Blick und probierte irgendwas daraus lesen zu können.

Doch obwohl seine Gefühlslage sonst immer so offen lag, erkannte ich nun keine Gemütsregung. Ich konnte nicht einmal sagen, ob er sich freute mich zu sehen oder ob er lieber wünschte, ich wäre nicht hier.

Jimin stellte sich neben mich, folgte meinem trübsinnigen Blick und seufzte leise auf, wobei sich seine Hand auf meine Schultern legte. Er wollte mir somit sein Beistand vermitteln, doch am liebsten hätte ich die Hand abgeschüttelt.

Die einzige Gesellschaft, die ich gerade wollte, war diejenige eines Jungen, der mich nicht einmal anschaute.

Bitte, Schicksal, gib mir doch einfach eine zweite Chance, um das wieder gerade zu biegen...

Natürlich tat das liebe Schicksal nichts von dem. Wie immer musste man ja alles selbst in die Hand nehmen. Und so stürmte ich, sobald Zico das letzte Wort gesprochen hatte und uns somit entliess, dem jungen Hufflepuff hinterher, der sofort die Treppe runter rannte.

„Taehyung, warte doch!"

Ich wäre beinahe über den langen Saum meines Umhangs gestolpert, als ich ihn erreichte und meine Hand auf seine Schultern legte. Der Dunkelhaarige zuckte unter meiner Berührung zusammen, aber ich liess mich nicht so schnell abschütteln.

„Tae, es tut mir Leid, okay?"

Taehyung drehte sich nun endlich zu mir um, ich erkannte seinen immer noch sehr betrübt wirkenden Asdruck in den Augen, aber ich war schon froh, wenn er mir zuhörte.

„Ich wollte das nicht", redete ich weiter und nahm die Hand nun von seiner Schulter. Körperkontakt verunsicherte ihn meiner Erfahrung nach ebenfalls und ich wollte nichts riskieren.

Der Hufflepuff starrte mich einfach an, seine Augen waren aufgerissen, er musterte mein Gesicht. Doch im nächsten Moment schlug er die Augen wieder nieder, der trübe Ausdruck kam zurück.

„Du musst dich nicht entschuldigen...", murmelte er und wollte schon wieder umdrehen, als ich dieses Mal nach seiner Hand griff.

„Doch, Taehyung, das muss ich. Ich wollte dich nicht überfordern. Manchmal handle ich schneller als ich denke. Lass uns das doch einfach vergessen", meinte ich.

Taehyung zog seine Mundwinkel hoch, doch es sah nicht ansatzweise wie ein richtiges Lächeln aus. Stattdessen wirkte er nur noch niedergeschlagener.

Wieso machte ich auch immer alles falsch?

„Okay", sagte er, nickte nochmals und löste meine Hand dann von seiner, ehe er sich umdrehte und davon lief.

Und dieses Mal hielt ich ihn nicht auf, denn keine Bewegung in meinem Körper schien noch zu funktionieren. Lediglich meine Augen verfolgten den jungen Hufflepuff noch, bis er um die nächste Ecke bog und verschwand.

Irgendwie von der Wut gepackt schleuderte ich das Buch, das ich noch von der Stunde in der Hand hielt, auf den Boden und trat danach dagegen, so dass sich ein paar lose Seiten lösten und nach unten flatterten.

Einmal in meinem Leben traf ich einen wunderbaren, aufrichtigen Menschen, der niemandem etwas Böses wünschte und ich Vollidiot verhaute es wieder. Nur weil ich meine verdammten Hormone nicht unter Kontrolle hatte.

Mit einem erschöpften Seufzen folgte ich dem Buch, setzte mich hin und lehnte den Kopf an die kühle Steinwand. Automatisch fuhr meine Hand durch meine Haare, ich vergrub sie darin und zog an den Strähnen.

Nur einmal... Nur einmal sollte bitte etwas so laufen, wie ich es mir wünschte...

time turner | kookvWo Geschichten leben. Entdecke jetzt