IV. Abhängigkeit

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"Ich kann dir den Schmerz nicht nehmen, den dir das Leben zufügt.
Aber ich kann hinter dir stehen und dir Halt geben."

Unbekannt

Magnus' Pov

Gerade noch rechtzeitig schaffen es Alexander und ich zu Mr. Graymarks Unterricht. Die letzten Meter müssen wir sogar rennen.
Folglich hat sich noch kein günstiger Moment ergeben, um mit ihm über die vergangene Nacht zu sprechen.
Alexander wirkt tief in Gedanken versunken. Zu gern wüsste ich, was gerade in seinem hübschen Kopf vor sich geht.
'Bin ich ihm schon zur Last geworden?'

Suchend blicke ich mich nach einem freien Platz für uns um und entdecke tatsächlich noch zwei unbelegte Stühle in der vorletzten Reihe.
Schweigend nehmen wir nebeneinander Platz und kramen Schreibutensilien und Notizblock für die Vorlesung heraus. Immer wieder beobachte ich Alexander von der Seite. Seine Stirn liegt in Falten und unter seinen Augen kann ich deutlich dunkle Ringe erkennen.

"Wegen deinen Sachen... Es tut mir wirklich leid. Ich räume nachher alles auf und bügele deine Kleidung, wenn es sein muss", platzt es schließlich aus mir heraus.
"Schon gut, nicht nötig", flüstert Alexander und macht sich nebenbei Notizen.
Doch mir fällt es deutlich schwerer, mich auf den Kurs zu konzentrieren. Ich will das zwischen ihm und mir klären.

"Doch ist es", beharre ich und stibitze ihm seinen Notizblock.
"Warum entschuldigst du dich ständig?", brummt er jetzt und greift nach seinem Eigentum. Doch ich bin schneller und halte es außerhalb seiner Reichweite.
"Weil du offensichtlich sauer auf mich bist", erwidere ich stur.

"Bin ich nicht", seufzt Alexander und macht eine bittende Geste, ihm seinen Block zurückzugeben.
"Nicht?"
"Ich brauche einfach nur einen Kaffee", gibt er jetzt mit einem schiefen Lächeln zu.
"Oh.", kann ich nur entgegnen, weil ich zu beschäftigt bin, in seinen tiefblauen Augen zu versinken.

"Bitte entschuldigen Sie, langweile ich Sie vielleicht?", hallt es plötzlich durch den Saal. Verdutzt schaue ich mich um und muss peinlich berührt feststellen, dass alle Blicke auf meine Wenigkeit gerichtet sind.
"Äh, nein. Bitte fahren sie fort, Mr. Graymark."
"Dann darf ich jetzt wieder mit ihrer Aufmerksamkeit rechnen, Mr. ...?"
"Bane, Magnus Bane", stelle ich mich jetzt meinem gesamten Wirtschaftskurs vor. Großartig.

Alexander neben mir rutscht immer tiefer in seinen Stuhl und versucht sich hinter einer nicht existierenden Wand zu verstecken.
"Nach einem Kaffee ganz sicher", antworte ich gelassen.
'Jetzt ist es auch egal', denke ich mir.
"Wie bitte?", erkundigt sich mein Professor verblüfft.
"Ich habe heute verschlafen und hatte keine Zeit mehr, mir vor ihrem Kurs noch einen Kaffee zu holen. Den brauche ich um morgens in die Gänge zu kommen", lüge ich gekonnt.

"Verstehe." Mr. Graymark scheint kurz ernsthaft zu überlegen, bevor sein rechter Mundwinkel leicht nach oben zuckt. "Dann aber schnell", winkt er mir zu.
Unschlüssig erhebe ich mich und steuere auf den Hinterausgang des Vorlesungssaals zu.
"Und Mr. Bane?", ertönt es hinter mir und ich halte augenblicklich inne. 'War ja klar, dass er mich nur veräppelt.'

Zögerlich wende ich mich wieder meinem Professor zu.
"Bringen Sie Ihrem Sitznachbarn auch gleich einen mit. Er sieht aus, als würde er gleich vom Stuhl kippen."
"Ja, Mr. Graymark. Danke", murmle ich grinsend und verlasse den Saal, um Alexander und mir das magische Überlebenselixier zu besorgen.

"Danke für den Kaffee", flüstert Alexander nach der Vorlesung neben mir, als wir den Schulflur entlang gehen.
"Ist ja wohl das Mindeste, nach letzter Nacht", antworte ich salopp, ernte dafür allerdings verdutzte Blicke, von den uns entgegen kommenden Studentinnen.

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