VII. Unerwünscht

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"Alles in deinem Leben ist eine Reflexion der Entscheidungen, die du getroffen hast.
Wenn du ein anderes Ergebnis möchtest, dann musst du andere Entscheidungen treffen."

-Unbekannt-

Alecs Pov

"Ich habe keine Zeit für diesen Unsinn. Ich muss zum Unterricht", entgegne ich genervt und wende mich zum Gehen. Doch Rebecca packt ruckartig mein Handgelenk und drückt mich im nächsten Moment, mit ihrem kurvigen Körper, gegen die Spinde.
Eins der metallischen Zahlenschlösser bohrt sich dabei schmerzhaft in meinen Rücken.

"Dann wirst du heute wohl oder übel zu spät kommen", raunt sie mir hämisch zu.
"Also, nochmal für Spätentwickler, was hast du mit Simon zu schaffen?"
Ihr schwarz lackierter Zeigefinger versucht sich bei dieser Frage vehement in meine Brust zu bohren.

"Wir belegen ein paar Kurse zusammen, mehr nicht. Er war nett zu mir. Was ich von dir nicht gerade behaupten kann", antworte ich schnippisch und beäuge die feinen schwarzen Linien an Rebeccas Hals, die sich zu einem gewobenen Spinnennetz zusammenschließen. Ein starker Kontrast zu ihren feuerroten Haaren. An ihrem seitlichen Haaransatz kann ich kräftiges Braun erkennen und frage mich gleichzeitig, wie sie wohl in natura aussieht.

"Oh, ich denke, ich war für meine Verhältnisse noch sehr handzahm. Ich kann auch anders, Alexander Lightwood", wispert sie nun bedrohlich und schmiegt sich wie eine gierige Schlange an mich, presst bewusst ihr Becken gegen meinen Schritt.
Ich weiß nicht, welche körperliche Reaktion sie von mir erwartet, aber ich bin alles andere als angetan. Angewidert trifft es wohl am ehesten.

"Wenn du glaubst, du hast mich jetzt in der Hand, nur weil du mit meinem Bruder abhängst, hast du dich geirrt", stellt sie klar und funkelt mich an.
"Ich will ihn hier nicht mit reinziehen", gebe ich zu und weiche ihrem durchdringenden Blick aus. Auch wenn ich anfangs einen Nutzen in der Bekanntschaft mit Simon Lewis gesehen habe, kann ich mir gut vorstellen, dass wir einmal Freunde werden könnten.

"Natürlich nicht. Wie geht es eigentlich deinem Freund, Magnus, richtig?"
Ich erstarre bei ihren Worten und spüre langsam die Panik in mir aufsteigen.
"Du bist nicht der einzige, der Türschilder lesen kann", klärt sie mich grinsend auf.

"Wandelt er immer noch halbnackt auf den Fluren herum?", erkundigt sie sich mit gespielter Besorgnis und gleitet mit ihrem Finger auf meiner Brust allmählich weiter abwärts. Noch rechtzeitig bekomme ich ihr Handgelenk zu fassen, bevor sie mich unsittlich berührt.

"Du lässt ihn in Frieden", knurre ich feindselig und verstärke den Griff meiner Hand.
"Zu drollig, wie du dich immer noch um ihn sorgst", kichert sie und reckt ihren Kopf dicht zu mir heran.
"Du kannst ihn nicht vor allem beschützen, Alexander", flüstert sie mir ins Ohr und küsst mich anschließend innig auf die Wange. Unbewusst lockere ich den Griff um ihr Handgelenk und lasse zu, dass sie sich mir entzieht.

Mein Blick wird starr, die Sicht verschwommen, gleich einem trüben Aquarell. Sie hat vollkommen recht. Ich kann ihn nicht vor allem beschützen. So wie ich Max nicht vor Unheil und Gewalt bewahren konnte.
Ihre Schritte entfernen sich von mir, bis sie gänzlich verstummen.
Mit zittrigen Beinen strauchele ich zum Herren-WC und schaffe es gerade noch rechtzeitig meinen kompletten Mageninhalt im Toilettenbecken zu entleeren.

Magnus' Pov

"Hervorragend, einfach große Klasse!"
Aufgebracht trete ich einmal mit Schmackes gegen den großen schwarzen Koloss vor mir.
Natürlich wehrt er sich nicht, zuckt nicht, spricht nicht, aber ich bilde mir ein, sein hämisches Grinsen erkennen zu können.
"Warum werden diese Snackautomaten nie aufgefüllt?", seufze ich schwermütig und lehne meinen Kopf gegen die transparente Scheibe vor mir.

Nachtwandeln 🌔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt