2. Gegessen wird zu Hause

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So, heute direkt das zweite Kapitel - schließlich ist das eine RAF-FF, er muss also auch mal vorkommen ;-)

Lasst mich wissen, was ihr denkt!

<3

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"How many special people change? - How many lives are living strange? - Slowly walking down the hall - Faster than a cannonball - Someday you will find me - Caught beneath the landslide - In a champagne supernova in the sky"

Matt Pond PA – Champagne Supernova


„Schon wieder in einen Puff? Wie wärs mal mit was anderem? Gemütlicher Abend im Café oder so?"
Ferhat Tuncel, seines Zeichens aufkommender Rapper unter dem Kürzel Fero47 und musikalisches Ziehkind von RAF Camora, sah unglücklich auf den roten Teppich, der, gesäumt von einer Absperrung bestehend aus roter Kordel, an zwei Türstehern im schwarzen Anzug, mit Sonnenbrille und Knopf im Ohr, in das Innere von Berlins exklusivstem Strip-Club führte. Einige Leute standen vor dem Laden auf dem Bürgersteig, dicke Autos fuhren vor oder ab, junge Männer in Anzügen, oft genug in Begleitung knapp bekleideter Damen standen in der Schlange und warteten darauf, eingelassen zu werden.

Raphael Ragucci, der gemeinsam mit seiner aktuellen Flamme Irina vor Ferhat aus der Stretchlimosine gestiegen war, drehte sich nun mit einem breiten Grinsen zu Ferhat um. Beinahe das gesamte Labelteam von Indipendenza war mitgekommen. Joe, besser bekannt als Gzuz, feierte Geburtstag, es war Samstagabend, sie hatten heute das neueste Album von KC Rebell abgemischt, die Stimmung war dementsprechend ausgelassen. Die meisten der Jungs hatten ihre Freundinnen – oder Damen, die sich für diese hielten - dabei und Ferhat fragte sich, wieso sich Frauen bitteschön andere halbnackte Frauen beim Tanzen ansehen wollten. Aber dann kam ihm der Gedanke, dass sie vielleicht eher ein Auge auf ihre Männer haben wollten – und das konnte Ferhat ihnen bei Gott nicht verübeln.

Joe hatte den ganzen Tag über ein großes Geheimnis aus seiner Partylocation gemacht und erst damit rausgerückt, als die gesamte Truppe bei ihm im Hotelzimmer auf seinen Geburtstag angestoßen hatte. Ein Großteil der anwesenden Männer hatte die Auswahl unter lautem Gejohle nochmals begossen – und Ferhat hatte mitgemacht. Er kannte das Hot nicht, so oft ging er nicht aus, dass er alle Szeneclubs der Stadt kannte, aber die Leuchtreklame in Form von stilisierten Frauen, die an einer Stange tanzten, sagten ja schon alles.

„Ist unser kleiner Kurde etwa prüde?", fragte Raphael und ließ Joe den Vortritt. Der großgewachsene Rüpelrapper ging raschen Schrittes an der Warteschlange vorbei. Klar, er hatte reserviert, er war einer der erfolgreichsten HipHopper Deutschlands, er war VIP. Und er schien die Türsteher zu kennen. Er war also nicht zum ersten Mal hier.
„Jetzt stell dich doch nicht so an, Ferhat, das ist kein Bordell. Das ist ein Club, in dem Frauen tanzen. Was übrigens sehr ansehnlich ist."
Shaho Casado gab Ferhat von hinten einen Stoß, so dass der beinahe gestolpert wäre und nun schnell seine Sonnenbrille aufsetzte, die er sich in den Ausschnitt gesteckt hatte. Hier, vor dem Eingang so eines Etablissements wollte er definitiv nicht erkannt oder sogar noch fotografiert werden. Seine Eltern würden ihn umbringen. Rapper hin oder her. Er hätte es doch wie Joshi machen sollen. Der kannte seine Pappenheimer und er hatte seine feierwütigen Kollegen früher durchschaut und sich mit einer fadenscheinigen Ausrede verabschiedet. Ferhat seufzte.

~

Raphael Ragucci fand Joes Idee schlichtweg genial. Sie waren schon viel zu lange nicht mehr im Hot gewesen. Er genoss die Abende in dem exklusiven Club, manchmal besprachen sie dort Geschäftliches, im Normalfall fand er es einfach entspannend, bei guter Musik schöne Frauen anzusehen, die für ihn tanzten. Dass Ferhat sich so anstellte, belustigte ihn ziemlich. Er fand nichts Schlechtes an Stripclubs. Wie hieß es so schön? ‚Appetit kann man sich woanders holen, aber gegessen wird zu Hause!'. Ferhat musste noch nicht mal zu Hause essen, er war doch sowieso single. Wo also lag das Problem?

„Die haben ne Neue hier, hab sich vorletzte Woche das erste Mal gesehen. Die haut dich um, Diggah. Was die mit ihren Hüften macht! Wahnsinn! Ich hab uns die für heute Abend bestellt!", rief Joe von weiter vorne, während ihre Gruppe durch einen Extraeingang in das abgesperrte VIP-Areal geschleust wurde. Irina an Raphaels Seite drängte sich in dem Gemenge ein wenig näher an ihn und Raphaels Hand wanderte ganz automatisch an ihren Hintern. Gegessen wurde zu Hause – oder besser gesagt in dem vorübergehenden Zuhause. Er fand Irina durchaus nett und würde es noch mindestens zwei weitere Wochen mit ihr aushalten – wahrscheinlich.

„Seit wann kann man hier Tänzerinnen bestellen, man kommt doch nicht an die Namen!", rief Shaho von weiter hinten.
Oh ja, das wusste Raphael. Bevor er mit Irina angebändelt hatte, hatte er tatsächlich mehrfach versucht, die eine oder andere der Tänzerinnen näher kennen zu lernen, aber die Regeln des Clubs waren strikt – auch gegenüber berühmten Besuchern wie ihm. Absolute Anonymität sowohl der Gäste als auch der angestellten Damen. Was natürlich nicht hieß, dass nicht die eine oder andere einem gefälligen Kunden ihre Nummer zusteckte, aber das kam eher selten vor. Und dass er Frauen hinterher telefonierte – nein, so nötig hatte er es nun auch wieder nicht.

„Ich hab eben Beziehungen, Diggah! Bullshit, das ist die einzige mit echten Titten in dem ganzen Laden, ich hab also gesagt, ich will die mit den echten Titten. Und zwar den ganzen Abend. Wehe, die wollen mir zwischendurch eine der anderen Nutten unterjubeln!"
Joes wolfsähnliches Grinsen sah Raphael sogar noch im schummerigen Licht, in das der gesamte Club getaucht war. Der laute Bass vibrierte in Raphaels Brust. Es würde ein entspannter Abend werden, dessen war er sich sicher.

~

„Adriana? Der Chef will dich sprechen!"
Es war zehn Uhr, als Adriana, mit einer Sporttasche über der Schulter, durch den Mitarbeitereingang auf der Rückseite des Clubs an ihrem Arbeitsplatz ankam. Die Garderobe der Tänzerinnen war großräumig, mit Spiegeln ausgestattet und genügend Platz, um sich aufzuwärmen. Jede der Frauen hatte ihren eigenen Platz, es gab Duschen und Snacks und Getränke. Was die Arbeitsbedingungen anging, hätte Adriana es nicht besser treffen können. Sie zog sich das Haargummi aus den Haaren und fuhr mit den Fingern durch die langen Strähnen. Etwas überrascht verstaute sie ihre Tasche in ihrem Spind und lief über den Flur zum Büro ihres Chefs. Er hatte sie noch nie sprechen wollen. Seit sie vor einem knappen Monat ihr Bewerbungsgespräch inklusive einem ausgedehnten Vortanzen gehabt hatte, sah sie Milosz Anicic höchstens mal in dem abgesperrten VIP-Bereich, wenn er besondere Gäste begrüßte.

Hatte sie irgendetwas falsch gemacht? Adriana ließ die letzten Abende Revue passieren. Sie hatte getanzt wie sonst auch, kein näherer Kontakt zu Kunden, wie gewünscht, sie trug ihre Maske, war pünktlich – alles wie immer. Sie klopfte an der Tür.

Herein!", ertönte Miloszs tiefe Stimme und Adriana drückte die Klinke hinunter. „Adriana! Komm rein. Alles klar?"
Adriana nickte.
„Ich mach's kurz, gleich kommt noch eine Getränkelieferung. Lieferengpässe, unglaublich. Du hast vor drei Wochen in unserem VIP-Bereich getanzt, wenn mich der Einteilungsplan nicht täuscht."
Adriana nickte wieder. Bibi, eine der Tänzerinnen, die schon länger im Hot arbeiteten, und deshalb im VIP-Bereich tanzen durfte, war krank gewesen, und Adriana war eingesprungen. Normalerweise ließ Milosz seine Mädchen immer erst mal einige Monate im normalen Dance-Area arbeiten, denn bei den VIPs war alles eine Nummer intimer, die Gäste hatten des Öfteren mal Sonderwünsche und es kam durchaus vor, dass einer der Security-Männer sanft, aber bestimmt eingreifen musste, wenn es spät wurde und die Kunden schon einiges an Champagner intus hatten. Da wollte Milosz lieber erfahrenere Frauen.

„Ja...wie lief das? Ich habe ab und an mal einen Blick rüber geworfen, du hast einen guten Job gemacht."
„Danke."
Milosz sah auf und musterte die junge Frau, die da vor ihm stand. Sie war die jüngste seiner Angestellten, normalerweise achtete er sehr darauf, dass seine Tänzerinnen bereits Erfahrung im Job hatten, aber Adriana...sie hatte ihm gefallen. Natürliche Frauen waren in diesem Business selten und deshalb begehrt, gepaart mit den blauen Augen, die manchmal noch richtig kindlich aussahen. Verletzlich. Manchmal fragte Milosz Anicic sich, was ein Mädchen wie sie eigentlich zu so einem Job getrieben hatte. Sie hatte etwas, das Männer dazu brachte, sie mit nach Hause nehmen zu wollen, nur, um sie vor allem Übel dieser Welt beschützen zu können. Eine Art unschuldige Erotik, aber Milosz war sich ziemlich sicher, dass Adriana sich dessen nicht einmal ansatzweise bewusst war. Wahrscheinlich war das gut so. Milosz blinzelte kurz.

„Du bist einem der Gäste aufgefallen. Er hat heute eine der Logen gemietet, für eine größere Gruppe, und er wünscht sich, dass du für sie tanzt."
Adriana, die sich überrascht Miloszs Ausführungen angehört hatte, zog die Augenbrauen hoch.
„Aufgefallen?", fragte sie verwirrt. Wie konnte das sein – die Tänzerinnen waren alle mit zart gearbeiteten Masken ausgestattet, die die Augenpartie verdeckten, einer der Gründe, weshalb Adriana sich ausgerechnet für diesen Club entschieden hatte. Sie hatte keine Lust, dass einer der Gäste sie am nächsten Morgen im Supermarkt erkannte. Milosz tippte sich in seine breite Brust und Adriana verstand. Natürlich, die alte Geschichte. Seit sie im Hot angefangen hatte, war sie öfter nach einer Brust-OP gefragt worden, als nach ihrem Namen. Sie fiel auf. Adriana wusste allerdings nicht so wirklich, ob ihr das so recht war.

„Okay. Welche Loge ist es? Irgendwelche Besonderheiten?"
„Nummer vier. Keine Sonderwünsche. Nur..."
Milosz zögerte kurz. Eigentlich war es unwichtig, wer ihre Gäste waren. Es spielte keine Rolle, ob es bekannte Politiker, Partylöwen oder die Söhne reicher Väter einen entspannten Abend in seinem Club machten, aber vielleicht sollte er Adriana vorwarnen.
„Kennst du dich mit HipHop aus?"
„Mit...HipHop?"
„Die Gäste. Es sind Rapper, ziemlich berühmte sogar. Gzuz feiert seinen Geburtstag. Ich wollte es dir nur sagen. Du kannst dich dann fertig machen."
Ohne noch einmal von seinen Papieren aufzusehen wartete er, bis die Tür hinter Adriana ins Schloss fiel. Dann wanderte sein Blick wieder hoch. Er hatte das Gefühl, dass Adriana nicht lange hier bleiben würde. Obwohl er sie gerne gehalten hätte.

~

„Na, was wollte er?", fragte Camilla, die sich gerade ihre langen schwarzen Haare auf große Lockenwickler drehte und sie im Spiegel ansah.
„Ein Gast will, dass ich für ihn und seine Gesellschaft tanze. VIP. Welche Loge hast du heute?"
Rasch streifte Adriana sich ihre Klamotten über den Kopf und schlüpfte in den schwarzen Slip mit den rosa Schleifen.
„Echt? Cool! Ich hab die fünf, dann kann ich dich ja beobachten! Sag mal, sitzt der BH richtig? Seit der Brust-OP bin ich mir da nie sicher..."
Adriana schloss die Ösen ihres eigenen BHs und zupfte dann an Camillas.
„Sitzt, passt, wackelt und hat Luft. Kann ich mir mal dein Volumen-Spray leihen?" Camilla nickte gedankenverloren, zog an den Trägern ihres BHs und griff dann nach den künstlichen Wimpern. In einer Dreiviertelstunde begann ihre Schicht.

Sweetest Sin (RAF Camora)Where stories live. Discover now