13. Nasse Hemden

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Good morning in se morning, wie der Wendler sagen würde ;-)

Während Herr Ragucci sich in den Staaten rumtreibt und Inspiration für seinen Tattooshop sucht, hat er hier keine sehr angenehme Geburtstagsparty...wie hättet ihr an Adrianas Stelle reagiert?

<3

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"I'm not in love yet - Sweet talk don't win me over - But I realized - Big brown eyes can hypnotize"

Christina Aguilera - Infatuation


Der Geburtstag verlief in ungefähr genau so, wie Adriana es sich ausgemalt hatte. Überfüllt mit Menschen, die sie nicht kannte, angetrunkenen Rappern und zu vielen kostspieligen Accessoires, um übersehen zu können, dass Raphael mit seiner Musik mehr verdiente, als für einen einzelnen Menschen gesund war. Ein eigener DJ, also bitte. Und dann dieses Buffet. Wer kam schon zum Essen auf eine Party von Raphael Ragucci? Die Frauen sahen allesamt eher so aus, als würden sie sich feste Nahrungsmittel nur drei Mal die Woche gestatten. Der einzige positive Aspekt an dieser Feier war der langsam auftauende Ferhat. Natürlich fiel ihr trotzdem auf, wie er sich um sie bemühte, aber immerhin brachte er mittlerweile zusammenhängende Sätze zustande. Das machte Unterhaltungen um einiges einfacher. Und trotzdem.

„Ich geh mal an die frische Luft."
Beinahe fluchtartig sprang Adriana von ihrem Stuhl auf, als sie die laute Stimme groß gewachsenen Mannes vernahm, der sie ziemlich rüde angesprochen hatte.
„Soll ich mit – "
„Nein, nein, bleib ruhig. Sind doch deine Freunde hier, bevor dir mit mir langweilig wird..."
Sie winkte ab und war froh, als Ferhat von dem angetrunkenen Typen aufgehalten wurde, so dass sie unbehelligt aus der Küche und durch die schnatternde Menge auf die Terrasse flüchten konnte. Dort standen einige Raucher zusammen, aber Adriana hatte kein Interesse daran, sich zu ihnen zu gesellen. Stattdessen trat sie in paar Schritte auf das Balkongeländer zu, hinter dem sich wirklich eine wunderbare Aussicht auftat. Der Balkon selbst war schön angelegt, Südseite, einige Pflanzen in Terrakottatöpfen standen an der Seite, ein kleiner Bistrotisch mit einem Stuhl, kein überflüssiger Schnickschnack.

„Gefällt's dir?"
Sie zuckte zusammen und hätte beinahe ihr Glas fallen gelassen, das sie mitgenommen hatte, um nicht so verloren auszusehen. Sie hätte sonst nicht gewusst, was sie mit ihren Händen anstellen sollte. Raphael hatte es geschafft, von ihr unbemerkt zu ihr zu treten und stand nun nicht mehr als einen halben Meter entfernt hinter ihr. Sie wäre einen Schritt nach vorne gegangen, wäre da nicht das Geländer gewesen.
„Musst du mich so erschrecken?", fragte sie ungehalten und drehte sich wieder nach vorn.
Raphael sagte nichts und Adriana blinzelte, während sie auf eine Reaktion wartete. Raphaels breit gebauter Körper stand so nah bei ihr, dass sie meinte, die Wärme fühlen zu können, die von ihm ausging. Sie konnte sein Aftershave riechen, eine Spur des Dufts zog an ihr vorbei, nicht aufdringlich, aber bemerkbar.
„Du sahst so einsam aus. Wo hast du deinen Schoßhund gelassen?"
„Wie bitte?"
„Ferhat ist gar nicht hier."
„Du hast ja eine nette Art, über deine Freunde zu sprechen."
Wie überheblich konnte ein einziger Mensch sein? Raphael schwieg einen Moment und Adriana war sich nicht sicher, ob er weiter da stand und grinste, oder ob er sich tatsächlich für einen Moment schämte, so über seinen Kollegen hergezogen zu haben.
„Er mag dich, kann das sein?"
„Das musst du ihn schon selbst fragen."
„Werd' ich schon noch."
Sie konnte das Lächeln in seiner Stimme hören. Was war das überhaupt für eine Art, ständig hinter ihr zu stehen?
„Aber du magst ihn nicht auf diese Art."
Es war noch nicht mal eine Frage. Er stellte das fest, einfach so. Er wollte das so, dann hatte es auch so zu sein. Niemand hatte Mitspracherecht. Auch wenn er insgeheim recht hatte, Adriana hatte nicht vor, ihn das spüren zu lassen.
„Interessant, wie genau du das weißt."
„Man braucht dich nur zu beobachten. Dein Körper..." Er pausierte und Adriana spürte plötzlich, wie eine Gänsehaut über ihren Körper strich. Raphaels tiefe Stimme, direkt hinter ihr – warum kam er ihr so nah? Was war mit den dreißig Zentimetern, die jeder Mensch als privates Refugium beanspruchen konnte?
„...Du verschränkst deine Arme. Du drehst dich zur Seite, nie frontal zu ihm. Deine Beine sind überschlagen. Du schaust ihn nicht länger als eine Sekunde an, dein Lächeln...du lächelst nicht."
Sie atmete scharf aus, als ihr bewusst wurde, dass sie die Luft angehalten hatte. Dann drehte sie sich um, wollte an Raphael vorbei und dieser eigenartigen Situation entfliehen, als sie bemerkte, dass er näher, viel näher bei ihr stand, als sie gedacht hatte. Erschrocken wollte sie zurückweichen, als sie so plötzlich direkt auf seine breite Brust starrte und es war allein den guten Reflexen des Rappers zu verdanken, dass sie nicht rücklings gegen die Blumenkästen am Blakongitter stieß.

Geistesgegenwärtig griff er nach ihrem Arm und zog sie an sich, bis ihr schmaler Körper eng an seinen gepresst war. Sie keuchte erschrocken auf. Die weiche Haut seiner stahlhart angespannten Arme strich über den Rückenausschnitt ihres Kleids.
„Du musst schon ein wenig aufpassen, Adriana."
Seine dunkle Stimmte streifte ihr Ohr und Adriana meinte zu spüren, wie sein heißer Atem ihren Hals entlang strich.
„Ich – lass mich los."
Sie hätte sich selbst dafür ohrfeigen können, wie dünn ihre Stimme plötzlich klang. Ihr eigener Herzschlag dröhnte in ihren Ohren und sie war sich sicher, dass er ihn ebenfalls spürte.
„Bist du dir...sicher?"
Er trat keinen einzigen Zentimeter zurück, um ihr die Möglichkeit zu geben, wieder auf eigenen Füßen zu stehen. Sollte er sie nun loslassen, würde sie wirklich nach hinten stolpern.
„Rafa, lass mich los!"
Der Druck der Arme löste sich etwas, doch stattdessen legte er ihr sanft eine Hand auf den Rücken. Adriana spürte die großflächige Hitze, die sich von diesem Punkt ausbreitete, durch ihren gesamten Körper pulsieren zu schien und ihr schier die Luft zum Atmen nahm.

„Ich sagte – lass los!"
Sie nahm all ihre Kraft zusammen und stieß ihn von sich. Es war die Überraschung, die Raphael tatsächlich zurück stolpern ließ, Adrianas schmaler Körper hätte nie die Kraft gehabt, sich dem seinen wirklich zu widersetzen.
Ihr war das nur zu bewusst, und es machte sie nur noch wütender. Was fiel diesem Macho ein – auf seiner eigenen Geburtstagsparty, in der Nähe seiner Freundin – Adriana sah hinab auf das immer noch halbvolle Champagnerglas in ihrer Hand – und schüttete ihm den golden perlenden Inhalt direkt ins Gesicht.
Dann raste sie an ihm vorbei und durch das Getümmel der Gäste. Am Wohnzimmer vorbei aus der Wohnungstür raus. Sie würde ihr Taxi außerhalb des Hauses rufen. Sie wollte weg.

~

Für einen Moment glaubte Raphael Ragucci, zu halluzinieren. Hatte er doch zu viel getrunken? Es war doch...unmöglich, dass ihm gerade auf seiner eigenen Geburtstagsparty der von ihm gekaufte Champagner vom Kinn auf sein Hemd tropfte, der von einem von ihm eingeladenen Gast in sein Gesicht geschüttet worden war.
Wie ferngesteuert fuhr seine Hand in sein Gesicht – doch tatsächlich, prickelnde Champagnertropfen hingen an seinen Fingern. Er verrieb die Flüssigkeit ein wenig und wische seine Hände dann an der Hose ab. Er musste sein Hemd wechseln.

Doch für ein paar weitere Sekunden stand er einfach nur auf seinem Balkon und ließ den Vorfall sacken. Es war sein Glück, dass niemand das Intermezzo mitbekommen hatte. Dabei hatte er durchaus das Gefühl gehabt, etwas bei Adriana ausgelöst zu haben. Etwas anderes als Wut. Der Champagner ließ den Stoff seines weißen Shirts durchsichtig werden und an der muskulösen Brust kleben.
Er war noch nie – noch nie! – von einer Frau auf eine solch melodramatische Art und Weise abgewiesen worden. Ob sie schon fort war? Raphael überlegte. Er könnte ihr nachlaufen – aber wenn er ehrlich zu sich selbst war (und das war er meistens), dann war er sich ziemlich sicher, dass Adriana auf ihn reagiert hatte. Auf seine Nähe, auf seinen Körper, auf seine Stimme – auf ihn. Und dann musste er ihr nicht hinterherlaufen. Dann würde sie von selbst wieder kommen.

„Rafa? Wo bleibst du denn?"
Wenigstens war es nicht Joe, der ihn in diesem Aufzug erwischte. Oder Ferhat. Verdammt – Ferhat! Dem war er wohl eine Erklärung schuldig...nachher.
Joshi schien auf eine Antwort zu warten und seine Augen weiteten sich ungläubig, als Raphael sich schließlich umdrehte. Wenigstens lachte er nicht. Noch nicht.
Ach du Scheiße! Was ist denn mit dir passiert?" Er trat näher und tippte ihm auf die Brust. „Ist das Champagner?"
„Mhm", brummte Raphael und sah an sich herab. Sogar seine Hose hatte ein paar dunkle Flecken abbekommen. Also musste er sich wirklich komplett umziehen. Dabei hatte er sich heute wirklich Mühe gegeben und von den Schuhen bis zur Uhr alles auf sein Outfit abgestimmt.
„Wieso kippst du dir Champagner über?"
„Idiot, das war doch nicht ich!"
„Wer dann? Hast du übrigens in letzter Zeit mal nach deinem Lieblingsgast gesehen? Mir war vorhin so, als wäre sie an mir vorbei in Richtung deiner Haustür gerannt."
„Mhm", war die erneut einsilbige Antwort von Raphael.
„Was ‚Mhm'? Oder – das war doch nicht etwa – " Joshi seufzte ergeben. Er kannte seinen besten Freund einfach zu gut. „Okay, du Vollidiot, was hast du wieder angestellt?"
Raphael verzog das Gesicht und warf seinem Landsmann einen finsteren Blick zu. Er hatte wirklich ein Talent dafür, Raphael regelmäßig denken zu lassen, sich wie ein ungezogenes Kind verhalten zu haben. Er enthielt sich jedoch eines Kommentars und zog den Wiener einfach hinter sich her zu seinen Privaträumen. Zuerst musste er sich umziehen.


Sweetest Sin (RAF Camora)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt