15. Manchmal ist es ernst

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Tadaaa, auch hier ein neues Kapitel.

Ihr merkt, ich war am Wochenende trotz Fasching fleißig ;-)

Monsieur ist jetzt also nach Barcelona ausgewandert - aus mir spricht der Neid, ich habe langsam auch genug vom Nieselregen...übrigens schreibe ich parallel an einer zweiten RAF Camora-Geschichte, ganz anders, als diese hier - soll ich sie hochladen, so lange diese hier auch noch läuft, oder erst im Anschluss..? Was meint ihr?

<3

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"You can have the money and the world - The angels and the pearls - Even trademark the color blue - Just like the tower we never built - In the shadow of all the guilt - When the other hand was pointed at you"
Shinedown – I'll follow you


Adriana saß mit einem angezogenen Bein auf ihrem Küchenstuhl und lackierte sich die Fußnägel. Sie musste irgendetwas tun, um sich abzulenken. Es hatte sie bis in ihre Grundfesten erschüttert, wie schwer es ihr gefallen war, Raphael von sich zu stoßen, und darüber, dass sie es keine Minute länger in seiner Wohnung ausgehalten hatte. Ihre Flucht war so überstürzt gewesen, dass sie sogar ihre Jacke zurückgelassen hatte. Und nicht nur das, sie war auch noch gefahren, ohne sich von Ferhat zu verabschieden. Allerdings fand sie diesen Aspekt der Problematik nicht ganz so wichtig, so, wie sie Ferhat kannte, würde er schon bald besorgt bei ihr anrufen, um zu klären, ob alles in Ordnung war.

War es nicht.

Adriana übermalte versehentlich die Nagelhaut ihres kleinen Fußzehs und fluchte. Sie hätte Raphaels Einladung nie annehmen dürfen. Genauso wenig wie Ferhats. Nun steckte sie mittendrin in einer blöden Dreiecksgeschichte, die sie so wenig brauchen konnte, wie den anhaltenden Kanalgeruch vor ihrem Fenster. Sie hatte kein Interesse an einer Beziehung mit Ferhat, und erst recht nicht mit Raphael! Zumal das mit dem Super-Rapper augenscheinlich sowieso nicht auf ernstes Interesse hinauslief. Gott, wieso hatte dieser nervtötende Joe seinen Geburtstag unbedingt im Hot feiern müssen?!

Adriana fluchte laut, als es plötzlich an ihrer Wohnungstür klingelte. Sie verrutschte mit dem kleinen Pinsel des rosafarbenen Lacks, ihr rechter großer Fußzeh sah komplett verunstaltet aus und sie versuchte humpelnd zur Tür zu kommen, ohne die Arbeit an den restlichen Zehen auch noch zunichte zu machen. Es gab nur sehr begrenzte Möglichkeiten, wer nachts um halb drei bei ihr klingelte. Sie betete, dass es nicht...

„Hey, Ferhat."
Er stand im dunklen Hausflur (Vadim sollte seit vier Tagen die Deckenleuchte austauschen. Adriana hatte ihm sogar schon einen Zettel in den Briefkasten geworfen!) und sah noch beinahe genauso aus, wie vor ein paar Stunden, als er sie abgeholt hatte.
„Hey, Adriana. Darf ich, äh...reinkommen?"
Adriana konnte schlecht Nein sagen, also nickte sie kurz und trat zur Seite, um Ferhat Platz zu machen. Der sah sich neugierig in der kleinen Einzimmerwohnung um. Ihm musste die Hitze hier drin ebenso auffallen wie der leichte Geruch nach Kloake, der von draußen durch jede Ritze zog. Er musste merken, dass die elektrischen Leitungen in diesem Haus schlampig verlegt waren, dass einige der Bodenfliesen Sprünge aufwiesen und dass an der Kante der Küchentür ein Stück Holz abgesplittert war. Adriana war ihre Behausung nie peinlich gewesen. Berlin war teuer, das hier war nun einmal alles, was sie sich leisten konnte. Es war sauber, und es war abschließbar, mehr erwartete sie nicht. Und auch vor Ferhat, dessen Wagen wahrscheinlich mehr wert war, als das gesamte Mietshaus, spürte sie keine Scham. Nur...Trotz. Sie wünschte sich beinahe, dass er etwas Abfälliges oder Mitleidiges über ihre Wohnung sagte, doch es kam nichts.

„Ich habe dir deine Jacke mitgebracht."
Er reichte ihr den dunkelblauen Stoff, ihre Finger berührten sich kurz, als Adriana zögerlich danach griff.
„Danke.", sagte sie nur und hielt das Oberteil dann in den Händen, während Ferhat damit aufhörte, ihre Wohnung zu inspizieren, und stattdessen Adriana musterte.


„Was ist passiert, bei Rafa?"
Die Frage war berechtigt, auch wenn Adriana wenig Lust hatte, sie zu beantworten.
„Nichts, ich...mir war nicht gut, ich wollte heim."
„Wegen Nichts schüttest du Raphael keinen Champagner ins Gesicht. Bitte sag mir, was er getan hat."
Ferhats Dackelblick, in den sich eine Spur von Sorge und Ärger mischte, war nur schwer standzuhalten.
„Wir hatten eine kleine Meinungsverschiedenheit auf der Terrasse."
„Eine Meinungsverschiedenheit worüber?"
„Magst du was trinken?"
Adriana kehrte dem Rapper den Rücken zu und verschwand in die kleine Küche.
„Worüber habt ihr euch gestritten, Adriana?"
Wie konnte jemand gleichzeitig so schüchtern und so penetrant sein?
„Darüber, wie nah er mir kommen darf. Wasser? Ich hab auch Cola da."
Ferhat kniff die Augen zusammen.
Wie nah er dir kommen darf?", fragte er, und diesmal war der Ärger deutlich herauszuhören.
Da Adriana keine Antwort bekam, schenkte sie ihm Cola ein und schob das Glas über den Tisch zu ihm. Ferhat verharrte noch kurz in seiner Position, dann seufzte er tief und setzte sich schließlich auf einen der Stühle.

„Es tut mir leid.", sagte er schließlich, nachdem für einige Sekunden nur das Bizzeln der Kohlensäure zu hören gewesen war.
„Was?", fragte Adriana und kam nicht umhin, sanfter zu klingen, als sie gewollt hatte.
So ungebeten der Besuch auch war, Ferhat war keine Persönlichkeit, dem man böse sein konnte. Er konnte nerven, manchmal war er beinahe langweilig, aber er war ein guter Mensch. Er hatte ihr nichts getan, abgesehen davon, dass er ganz augenscheinlich in sie verliebt war. Dass dieses Gefühl nicht erwiderte wurde, war nicht seine Schuld. Seltsamerweise wurde Adriana das in gerade diesem Moment zum ersten Mal wirklich klar, während sie da gemeinsam in ihrer nächtlichen Wohnung am Küchentisch saßen, seltsam abgeschottet von der schlafenden Umwelt. Gemeinsam allein, irgendwie.


„Wie das heute gelaufen ist. Du wolltest von Anfang an nicht mitkommen, und du hattest recht. Ich hätte besser auf dich aufpassen müssen."
„Niemand muss auf mich aufpassen, Ferhat. Ich komme ganz gut alleine klar."
Er blickte auf, und Adriana hob ein wenig die Mundwinkel.
„Ich hatte kurzzeitig gedacht..."
„Was? Was hast du gedacht?"
„Dass du und Rafa...du weißt schon..."
„Ach, Ferhat!"

Diesmal war es ein wirkliches Lächeln, beinahe schon ein Grinsen, und Ferhat sah sie unglücklich an, was Adriana tatsächlich zum Kichern brachte.
„Du bist schon ziemlich verrückt manchmal, weißt du das?"
„Ach ja? Wer von uns beiden hat Berlins Hiphop-König auf seiner eigenen Geburtstagsparty Champagner übergeschüttet?"
„Das", sagte Adriana „Hat er sich komplett selbst zuzuschreiben. Und jetzt trink aus, ich muss ins Bett. In acht Stunden beginnt meine nächste Schicht, und ich will wenigstens noch ein bisschen schlafen."
Ferhat setzte das Glas an, ließ es dann jedoch wieder sinken.
„Schicht? Um elf Uhr mittags?"
„Ich arbeite noch in einer Art Kindertagesstätte. Unentgeltlich, aber ich will trotzdem pünktlich da sein. Also wenn du jetzt nicht trinkst, schütte ich die Cola weg und werfe dich eigenhändig raus!"

Und diesmal trank Ferhat wirklich. Auch wenn er eiskalte Cola um drei Uhr morgens eigentlich nicht wirklich leiden konnte.

~

Für Raphael dagegen endete sein diesjähriger Geburtstag mehr oder weniger desaströs. Nicht nur, dass zwei seiner Lieblingsgäste seine Party überstürzt verlassen hatten und er den verbliebenen Besuchern erklären musste, weshalb er sich mitten in der Nacht komplett umgezogen hatte, nein, es hatte auch noch erheblichen Ärger mit Irina gegeben. Ärger, den er zwar erwartet, aber lieber umgangen hätte. Aber seine kleine...Annäherung mit Adriana auf der Terrasse war seiner Freundin natürlich nicht verborgen geblieben, und somit war Irina nach der Party wutentbrannt in ihre Berliner Stadtwohnung gefahren und hatte ihn allein mit den Überbleibseln einer langen Nacht gelassen.

Zwei Tage später, als er und Ferhat sich das erste Mal seit diesem verhängnisvollen Abend im Studio getroffen hatten, war die Stimmung angespannt gewesen. Abudi hatte das natürlich bemerkt und beiden nahegelegt, eventuelle Streitigkeiten zeitnah zu klären, schließlich hatten sie beide einen Job zu erledigen. Er war immer so verdammt vernünftig. Aber das hatte Raphael auch vor, denn kleinere Kabbeleien mit seinen Teamkameraden standen für ihn zwar praktisch an der Tagesordnung, ernsthaftem Streit wollte er allerdings aus dem Weg gehen. Erst recht, wenn es dabei um Frauen ging. Und um Ferhat. Er mochte Ferhat.

Also beschloss er, die Unstimmigkeiten mit seinem Newcomer aus dem Weg zu räumen, sobald die heutige Studiosession abgeschlossen und der Rest der Jungs nach Hause gegangen war. Bros before Hoes war zwar ein beknacktes Sprichwort, stimmte in diesem Fall aber wie die Faust aufs Auge – von der er hoffte, sie nachher nicht zu kassieren, so, wie Ferhat den ganzen Tag über schon drauf war.

Also trödelte Raphael herum, während die anderen ihr Zeug zusammenpackten, und hielt Ferhat schließlich zurück, als dieser ebenfalls runter zum Parkplatz wollte.

Sweetest Sin (RAF Camora)Where stories live. Discover now