11. Von einem anderen Stern

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Hallo, meine Lieben!

Wenn Zenit RR rauskommt, kann auch direkt mal ein Kapitel erscheinen - der Freitag steht ganz im Zeichen von RAF Camora :D

Welcher Song ist bisher euer Favorit? Wie findet ihr das Album?

<3

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"And isn't it ironic...don't you think - It's like rain on your wedding day - It's a free ride when you've already paid - It's the good advice that you just didn't take - Who would've thought...it figures"

Alanis Morissette - Ironic


Mit einem Grinsen im Gesicht spazierte Raphael Ragucci durch seine Wohnung. Seine Party war in vollem Gange – obwohl der offizielle Beginn erst vor einer Viertelstunde gewesen war. Aber einige Ungeduldige hatten es nicht abwarten können, und waren schon früher dagewesen. Kein Problem für Raphael, er kannte seine Freunde, und so hatte er sie herzlich empfangen, erste nett gemeinte, aber überflüssige Geschenke in Empfang genommen, und dem DJ Hugo Bass, der für die musikalische Untermalung des Abends zuständig war, sein Startzeichen gegeben.

Er hatte kurzzeitig mit dem Gedanken gespielt, Tänzerinnen zu engagieren, im Hinblick auf seine Einladung an Adriana war diese Idee aber in den Hintergrund gerückt. Er wollte es sich nicht unnötig schwer machen. So streifte er mit einem Champagnerglas in der Hand durch sein Revier und ließ sich von seinen Freunden feiern. Das Glas war bloße Zierde, er würde heute nichts trinken. Zu viel Alkohol war Gift für seinen Körper, und auf seiner eigenen Party wollte er durchaus den Überblick behalten.

Und er wollte auf keinen Fall Adrianas Auftritt verpassen. Er hatte nachgefragt, sie war tatsächlich beim Konzert erschienen. In Begleitung eines Mannes, aber diesen Umstand ignorierte Raphael. Die erste Etappe war also geschafft. Und falls sie heute kommen sollte...er würde ihr Interesse wecken, indem er ihr seine Freundin vorstellte. Sie sollte sich fragen, was er eigentlich von ihr wollte, die Gedanken in ihrem hübschen Köpfchen sollten sich in den nächsten Tagen vornehmlich um ihn drehen, und niemanden sonst. Ganz einfach.

Er hatte seine großen Balkontüren geöffnet, sodass die lauwarme Abendluft Berlins in sein Haus strömte. Kurz genoss er die sanfte Brise, als er einen Blick über die Dächer der Großstadt schweifen ließ. Doch dann wurde er von Irina abgelenkt, die sich energisch bei ihm einhakte, um neue Gäste zu begrüßen.

Während er einigen Jungs der Tour-Crew Hallo sagte, sah er verstohlen auf die Uhr. Er wusste nicht genau, wer sich mittlerweile schon alles in seiner Wohnung herumtrieb, aber Ferhat war definitiv noch nicht da. Dabei war er sonst immer pünktlich. Carlos und Joe trieben sich weiter hinten am Buffet herum, während Joshi und Gallo die Tanzfläche unsicher machte – sehr zur Erheiterung der anderen Gäste. Raphael spürte selbst den Bass durch seinen Körper wummern, aber er hatte keine Zeit, dem DJ Respekt zu zollen. Er hatte zu tun.

Es war reiner Zufall, dass er gerade in dem Moment an seiner offenen Haustür vorbeiging, als ihm das laute Röhren eines Motors ansagte, das einer seiner Jungs angekommen war. Er warf einen Blick auf seinen großen Vorplatz – und tatsächlich. Es war Ferhats lackschwarzer Mercedes, dessen Türen sich da gerade öffneten. Moment mal. Türen? Wen hatte Ferhat da mitgebracht? LX war gemeinsam mit seiner Freundin einer der ersten Gäste gewesen, die beiden hingen schon den ganzen Abend aneinander, wie die Kletten. Jedes Mal dasselbe, kaum war LX Freundin in der Nähe, konnte man jedes weitere Gespräch vergessen.

Während er über diesen nervigen Fakt und Ferhats Zuspätkommen nachdachte, trat er aus seiner Haustür heraus. Doch sein „Zu spät, du Piç!" blieb ihm plötzlich im Halse stecken, als er erkannte, mit wem Ferhat da gerade seine Auffahrt hinauf kam.

Sollte das ein Witz sein?

Wer verarschte hier gerade wen? Wie kam Adriana dazu, seiner Einladung zu seiner Party ausgerechnet mit Ferhat Tuncel zu folgen?! Ferhat Tuncel, der an Joes Geburtstag wie ein alleingelassener Welpe auf die Tänzerin gestarrt hatte und danach total durch den Wind gewesen war?

Aber Raphael Ragucci wäre nicht er selbst gewesen, wenn er seine Überraschung nicht gut hinter einem breiten Grinsen verborgen hätte.

„Na, haben es meine beiden Lieblingsgäste auch endlich geschafft? Fero, kann es sein, dass du versuchst, mir mein selbstgemachtes Geschenk zu stibitzen?"
Raphael wusste durchaus, dass er sich mit diesen Worten aufs Glatteis begeben hatte. Adriana schien in ihren sowieso schon zögerlichen Bewegungen endgültig stoppen zu wollen, und Ferhat warf ihm einen griesgrämigen Blick zu, den er prüfend erwiderte.

„Ferhat kann dir nicht stibitzen, was dir nicht gehört.", brach Adriana schließlich die unangenehme Stille, in der Ferhat ärgerlich auf den Autoschlüssel in seiner Hand gestarrt hatte. Raphael verkniff sich ein Lachen. Adriana entpuppte sich als immer interessanter.
„Sind wir also doch endlich beim Du?", fragte er sie grinsend.
„Ich bin es leid, deinen Unverschämtheiten mit Höflichkeit zu begegnen.", antwortete sie ihm. Allerdings klang sie nur wenig angefressen, mehr gelangweilt. Nun, die Langeweile würde er ihr austreiben können.
„Das freut mich. Ist das für mich?"
Er deutete auf die Flasche in ihrer Hand. Tatsächlich, sie war nicht nur gekommen, sie hatte ihm auch etwas mitgebracht. Sehr aufmerksam.

Adriana warf einen Blick auf ihr Gastgeschenk und streckte es ihm schließlich hin.
„Ja...alles Gute zum Geburtstag.", sagte sie schließlich.
„...Nachträglich.", vollendete Raphael grinsend.
„Er hatte gestern, aber da konnten wir natürlich nicht feiern, weil wir heute das Konzert hatten.", erklärte Ferhat eifrig.
„Oh. Nun, dann eben alles Gute nachträglich."
Raphael nahm die Flasche und die daran geheftete Karte entgegen und konnte sich gerade noch davon abhalten, sie sofort zu lesen.

„Dankeschön. Sehr nett von dir. Wie hat dir übrigens die Show gefallen?"
„Mein Nachbar wird dir auf ewig dankbar sein, dass er durch mich an VIP-Plätze gekommen ist. Wollen wir rein, Ferhat? Nach der Fahrt in diesem Auto brauche ich etwas zu trinken."

„Na klar, ich zeig dir, wo alles ist!"
Dienstfertig schob Ferhat seine neue Bekanntschaft an Raphael vorbei und warf ihm dabei einen beinahe entschuldigenden Blick zu.
„Ja ja, fühlt euch wie Zuhause.", murmelte Raphael ärgerlich.
Ferhat hatte es geschafft und ihm seinen Auftritt versaut, und Irina war auch nicht in der Nähe gewesen! Er sah den beiden hinterher, wie sie in Richtung Wohnzimmer verschwanden. Sein Plan, der einzige hier zu sein, den sie kannte, war also voll nach hinten los gegangen. Ursprünglich hatte er vorgehabt, sie ein wenig zu kitzeln, und ihr dann betont neutral zu begegnen. Er hatte sie verwirren wollen, sie dazu bringen wollen, auf ihn zuzukommen. Mist.

~

Adriana versteckte ihre Unsicherheit hinter einer gleichgültigen Mine, denn sie ärgerte sich selbst darüber, dass sie sich von offen zur Schau gestelltem Reichtum so hatte beeindrucken lassen. Erst der Schock, als sie Ferhat Wagen entdeckt hatte. Der glänzende Mercedes mit den riesigen Felgen schien wie von einem anderen Stern, geparkt zwischen alten Schrottkarren und einem überquellenden Müllcontainer. Es hatte sich bereits eine Traube begeisterter Männer um das Auto geschart, die sich sogar damit fotografierten. Mit einem Auto.

Als Ferhat den Funkschlüssel betätigte und sich daraufhin die beiden Türen öffneten und automatisch das Radio mit lautem Hip Hop ansprang, hätte Adriana sich am liebsten wieder umgedreht und wäre, ohne sich noch einmal umzublicken, zurück in ihre Wohnung geeilt. Kleid aus, Makeup runter und ein entspannter Netflix-Abend mit Hugo. Aber dafür war es zu spät. Beinahe verschämt hatte Ferhat an seiner Sonnenbrille herumgerückt und Adriana beobachtet. Dann war er durch die respektvoll zurückweichende Menge gelaufen und in sein Auto gestiegen hatte, nachdem er Adriana in das tiefliegende Gefährt geholfen hatte.

„Das...Wahnsinn. Was ein Auto! Die Sitze sind gemütlicher als mein Bett. Und der gehört wirklich dir?!"
Ferhat neben ihr startete den Motor.
„Naja...ja. Hab ich mir zum letzten Geburtstag geschenkt."
Adriana blieb stumm. Erinnerte sich an ihren letzten Geburtstag. Ihr Vater war betrunken gewesen und hatte ihn vergessen. Sie hatte niemanden einladen können, um ihn nicht zu stören. Ihre Mutter war arbeiten gewesen, bis spät in die Nacht. Sie hatte ihr einen Rosenkranz aus Rosenquarz geschenkt, nicht besonders teuer, aber Adriana hütete die Kette mit den rosafarbenen Steinen trotzdem wie einen Schatz. Manchmal war Gott das einzige, an das Adriana noch glaubte.

Ferhat schien eine Reaktion zu erwarten, also räusperte Adriana sich.
„Das...nicht schlecht. Schönes Geschenk. Ich hoffe, es war wenigstens eine Schleife drum gebunden? Mit dem Geschenkpapier war es bestimmt schwierig."
Ferhat lächelte leicht.
„Leider nicht. Hab mich trotzdem gefreut. Du hast kein Auto?"
Er versuchte sich in Smalltalk, doch Adriana entging nicht, wie verkrampft Ferhat nach ungefährlichen Themen suchte. Einerseits fand sie es irgendwie süß, dass er so sehr versuchte, ihr nicht zu nahe zu treten, und trotzdem etwas über sie herausfinden wollte, doch auf der anderen Seite wünschte sie sich, er wäre wenigstens ein bisschen lockerer. Es war so anstrengend, mit ihm zu sprechen.

„Nein. Lohnt sich kaum, ich komm überall mit den Öffentlichen hin. Wo wohnt Raphael eigentlich?"
Ferhat drehte an den Knöpfen des Radios herum, bis er einen Sender gefunden hatte, der leise spanische Popmusik spielte.
„Ach, er wohnt in Charlottenburg, ganz oben in einem Hinterhaus mit Blick über die Stadt. Ist ganz schön dort. Ziemlich ruhig."
„Okay..."
Adriana hatte erwartet, dass Raphael Ragucci mitten in der Berliner Innenstadt lebte, nahe am Puls der Zeit praktisch, in einem gläsernen Loft oder so.

„Und, äh...ach, lass dich einfach nicht beeindrucken oder so, ja? Bei unseren Gehältern muss man in teure Immobilien und Autos investieren, sonst geht alles für die Steuern drauf."
„Nicht auszudenken.", erwiderte Adriana grinsend, und auch Ferhat versuchte sich in einem leisen Lachen.
„Dabei ist das gar nicht so toll.", führte der den Gedankengang dann weiter „Ich hab auch so eine riesige Wohnung, aber so ganz allein...ich komm aus einer Großfamilie, und als ich noch klein war, hatten wir auch nie viel Platz. Aber es war immer laut und lustig. Manchmal vermisse ich das. Hast du Geschwister?"

Adriana sah aus dem Seitenfenster hinaus, auf Berlins Straßen, wo langsam die Sonne unterging. Sie hatte keine Geschwister. Es reichte auch vollkommen, wenn ein Kind mit solch einem Vater aufwachsen musste.

„Nein.", sagte sie schließlich kurz angebunden und drehte sich wieder nach vorne. „Wie lange brauchen wir noch?"

Sweetest Sin (RAF Camora)Όπου ζουν οι ιστορίες. Ανακάλυψε τώρα