14. Reue

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Hallo, ihr Lieben :)

Raphael, dieser Traumschwiegersohn, kommt in Erklärungsnöte. Geschieht ihm nur Recht ;-)

Wer von euch hat eigentlich das Interview mit ihm im Spiegel gelesen, und wie fandet ihr es?

<3

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"Feeling alone, and she's on my mind - Try to erase all the pain from that time - She's breaking up, and I'm breaking down - Now I'm headed out of this fucked up town"

Mest – Drawing Board


Ferhat war verwirrt. Wo war Adriana?

Er hatte sie nicht mehr gesehen, seit Joe mit seiner aufdringlichen Art praktisch in die Küche gefallen war und Adriana fluchtartig den Raum verlassen hatte. Und das war vor über zwanzig Minuten gewesen. Und Raphael war auch wie vom Erdboden verschluckt. Während Ferhat sich durch die dutzenden Partygäste schob, immer ein Auge darauf, wo gerade die meisten Models aufliefen (denn das war meist der Ort, an dem Rafa sich gerade befand), schluckte er einmal trocken, als ihm plötzlich ein ziemlich...unschöner Gedanke kam. Adriana war unauffindbar, Raphael ebenso...und ihm war ja nicht entgangen, dass in Raphael scheinbar der Jäger erwacht war...aber Adriana würde nicht so schnell nachgeben. So gut glaubte er sie mittlerweile zu kennen.
...oder?

Als er schließlich Joshi am Buffet entdeckte, legte er ihm rasch eine Hand auf die Schulter.
„Hast du Rafa gesehen?"
Der Österreicher griff nach ein paar Garnelenspießen und hielt Ferhat dann eine Scheibe Baguette mit Trüffeln hin. Der Türke nahm es an und biss hinein. Zu Raphaels Catering konnte man einfach nicht nein sagen.
„Der ist in seinem Schlafzimmer."
Ferhat begann bellend zu husten und bespuckte Joshi dabei mit Brotkrümeln. Der wischte sich mit unglücklichem Gesichtsausdruck die Krumen vom Shirt.
„Soll ich mich auch noch umziehen müssen? Alles okay?"
Er klopfte Ferhat auf den Rücken, dem mittlerweile richtiggehend die Augen tränten. Wenn das so weiterging, musste Raphael Ragucci sich nach einem anderen Newcomer umsehen. Ein paar Sekunden später war er jedoch wieder in der Lage, sich Joshis trommelnden Schlägen zu entziehen und nahm dankbar das Glas Cola an, das Raphaels bester Freund von irgendwo her gezaubert hatte.
„Da...danke. Ey xwedê." Er räusperte sich, während Joshi ihm die Schulter tätschelte. „Was...äh, was macht Rafa denn in seinem Schlafzimmer? Ich meine, so an seinem Geburtstag..."
„Kümmert sich um diese kleine Tänzerin – wie hieß die doch gleich? Ariane? – wenn du weißt, was ich meine." Er zwinkerte zweideutig und Ferhat wäre beinahe sein Colaglas aus der Hand gefallen. Das durfte einfach nicht wahr sein! Er hatte gedacht...nun, doch, irgendwie hatte er gedacht, dass Adriana sich ihm gegenüber langsam geöffnet hatte. Und nun sprang sie mit Raphael ins Bett?! „Haha, jetzt solltest du aber mal dein Gesicht sehen! Nein, dein kleiner Augenstern hat ihm ihren Champagner ins Gesicht geschüttet und Rafa steht nun vor der komplizierten Aufgabe, sich eine neue Abendgarderobe zusammen zu stellen. Noch ein Baguette?"
Ferhat war kurz davor, das bereitliegende Brotmesser zu zweckentfremden, aber da hatte Joshi ihm schon zwei weitere Baguettescheiben in die Hand gedrückt und Ferhats Anschlag somit vereitelt.

Mit einem muffeligen Gesichtsausdruck nahm Ferhat sein Essen mit zurück in die Küche, wo Joe mittlerweile mit einer schwarzhaarigen Dame beschäftigt war. Ferhat, noch kauend, drehte auf dem Fuß um – das war nun wirklich kein Anblick, den er so kurz nach Joshis schlechtem Witz ertragen konnte. Doch im letzten Moment fiel ihm eine dünne Jacke auf, die über einem Stuhl hing.
Adrianas Jacke.
Sie hatte sie hier abgelegt und sie noch nicht wieder an sich genommen, also musste sie noch irgendwo hier sein!

Ferhat machte es sich also zu der schwierigen Aufgabe, Adriana irgendwo im Partygetümmel wieder zu finden. Er fragte seine Kollegen, schaute auf dem Balkon nach, beim Gäste-WC, erneut in der Küche und am Buffet, auf der Tanzfläche und sogar vor dem Haus. Nirgends auch nur eine Spur der dunkelhaarigen Tänzerin. Dafür fand er nach zwanzig Minuten Raphael. Der trug eine neue Hose und ein neues Shirt, doch die Unterschiede waren nur für die auffällig, die eingeweiht waren. Unglücklicherweise stand Irina an seiner Seite. Ferhat beschloss, dass eine Nachfrage allerdings nicht gleich ein Beziehungsdrama auslösen wurde, also lief er zu ihm, bevor ein weiterer Bewunderer Rafa in den Himmel heben konnte.

„Hey! Hey, Rafa! Hast du Adriana gesehen?", fragte er über die laute Musik hinweg.
„Oh, Ferhat. Gefällt's dir? Ich hab den DJ extra gebeten, auch ein bisschen kurdische Musik mitzubringen, vorhin lief so ein Remix, hast du den – "
„Ja, danke, toll. Weißt du, wo Adriana ist?", unterbrach der Türke seinen Mannschaftskameraden. Als ob er auf die Musik geachtet hatte, während er durch die Wohnung geirrt war.
„Adriana...deine Begleitung?", fragte Rafa gedehnt.
„Du weißt genau, welche Adriana ich meine! Sie ist verschwunden, aber ihre Jacke ist noch da. Und Joshi hat gesagt, dass sie dir – "
„Aaach, die Adriana, warte, ich glaube, da hinten...ich bin gleich wieder da, Schatz!"
Diesmal war es Rafa, der Ferhat mit einem warnenden Blick unterbrach und ihn dann mit sich zog, zu der Treppe in den für Gäste gesperrten oberen Bereich. Ferhat folgte ihm unwillig. Wenn Rafa etwas mit Adrianas Verschwinden zu tun hatte...!
„Also?", fragte er schließlich und wischte dabei ärgerlich Rafa's Hand von seinem Ärmel und verschränkte dann seine Arme vor der Brust.
„Also...ich glaube, Joshi hat gesagt, dass er denkt, eventuell gesehen zu haben, dass Adriana in Richtung Tür...gegangen sein...könnte."
„Sie ist weg?!"
„Das habe ich so nicht gesagt! Ich war ja nicht dabei."

Rafa war es offensichtlich unangenehm, von seinem eigentlich guten Freund so gemustert zu werden. Ihm war schließlich durchaus klar, wer Schuld an dieser Misere trug. Das auch vor Ferhat zuzugeben, war allerdings eine völlig andere Geschichte. Der Kurde konnte wahnsinnig nachtragend sein, wenn man tatsächlich mal über seine Grenzen geschritten war. Und Raphael hatte das ungute Gefühl, dass er diese Grenzen nicht nur überschritten, sondern praktisch überrannt hatte.

„Und das mit dem Champagner? Kannst du das erklären?"
Ferhats Stimme war gefährlich ruhig. Die nächsten Studiosessions würden kein Spaß für Rafa werden – auch wenn er Feros Entdecker und Unterstützer war, begegneten sie sich arbeitstechnisch auf Augenhöhe, und Fero konnte sehr eigen werden, das hatte Raphael bereits bemerkt.
„Das...also, das war ein ganz blödes Missverständnis. Sie hat wohl irrtümlich angenommen, ich würde mit ihr...flirten...was natürlich lachhaft ist. Ich bin schließlich mit Irina zusammen. Und sie ist ja außerdem mit dir gekommen...ah. Was ich eigentlich noch fragen wollte – wie kommt es denn, dass sie deine Partybegleitung war, Fratello?"
„Du brauchst gar nicht vom Thema ablenken, das funktioniert nicht. Sei ehrlich zu mir, Raphael. Ist sie gegangen, weil du mal wieder beweisen musstest, dass du jede haben kannst?"

Ferhat war unauffällig näher getreten und mittlerweile klar in Raphaels persönliche Schutzzone eingedrungen. Der durchtrainierte Rapper hatte normalerweise absolut kein Problem mit Körperkontakt...wenn er nicht gerade darin enden könnte, dass er einen Kinnhaken bekam. Schnell trat er einen Schritt von Ferhats angespanntem Körper zurück.
„Das – also – "
„Du bist doch das größte Arschloch, Rafa! Hast du denn keinerlei Respekt vor Frauen? Vor deinen Freunden? Manchmal frage ich mich wirklich, warum ich das immer wieder mitmache..."

Raphael fühlte einen unangenehmen Druck in der Magengegend, als Ferhat sich mit enttäuschtem Gesichtsausdruck von ihm abwandte. Das hatte er nicht gewollt. Das mit Adriana war ein Spaß gewesen, eine Aufgabe an ihn selbst – doch dieser Spaß sollte ihn auf keinen Fall die Freundschaft zu Ferhat kosten. Woher hatte er denn wissen sollen, dass es den Kurden mit dem Welpenblick diesmal tatsächlich so erwischt hatte? Normalerweise mied er näheren Kontakt zu Frauen wie der Teufel das Weihwasser. Er und die Jungs hatten sie sich schon über den Dauer-Single lustig gemacht, ihn scherzhaft Eiserne Jungfrau genannt, was meist in eine wilde Studiorangelei ausgeartet war...Und nun drehte ihm Ferhat den Rücken zu, die Hände in den Hosentaschen vergraben, und lief davon.
„Ferhat! Ferhat, warte, ich – "
Xayin!"
Raphael zuckte zurück. Was immer Ferhat ihm da über die Schulter zugezischt hatte, es hatte nicht nach einem herzerwärmenden Treueschwur geklungen. Verdammt.

Die Lust aufs Feiern war Raphael vergangen. Ferhat hatte nicht mehr mit sich reden lassen, hatte sich ohne Abschiedsgruß in sein Auto geschwungen und war mit durchdrehenden Reifen aus seiner Auffahrt gerast. Dieser Abgang schmerzte. Irinas ständige Fragerei, was es mit Raphaels plötzlichem Launenumschwung auf sich hatte, machte es nicht besser. Wie sollte er ihr auch erklären, dass Ferhat aufgrund einer Flirterei mit dessen Begleitung vorzeitig nachhause gefahren war?
Alles in allem entpuppte sich diese Geburtstagsparty als ziemlicher Reinfall. Und Raphael Ragucci hasste Reinfälle.

Sweetest Sin (RAF Camora)Where stories live. Discover now