Der Feind der zum Freund wird

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Clint Barton stand mit verschränkten Armen ausserhalb des Raumes, in dem Loki und die Avengers sowie die beiden SHIELD-Agenten das Geschehen am Monitor verfolgten. Er hatte sich nicht überwinden können, mit hinein zu gehen. Dafür tobten viel zu viele widerstrebende Gefühle in ihm.

Noch immer konnte er Loki kaum ansehen, ohne ihm an die Gurgel gehen zu wollen. Und doch... Der Kerl hatte zwei Agenten gerettet sowie diesen Fandral aus Asgard. Lauter Feinde also. Warum?

Barton konnte es nicht nachvollziehen. Er fragte sich, welches doppelte Spiel Loki spielen mochte. Doch so sehr er sich auch den Kopf zermarterte: er konnte sich beim besten Willen nicht erklären, was Loki selbst von all dem haben könnte. Wenn er irgend einen eigennützigen, bösen Plan verfolgte, dann war dieser jedenfalls ziemlich genial da schlicht in keinster Weise durchschaubar.

Andererseits: wenn er wirklich ein falsches Spiel spielte, wäre er ihnen gegenüber dann so sarkastisch und spöttisch?

Barton gab sich die Antwort gleich selbst: nein. Ein guter Schauspieler – und von Thor wusste er, dass Loki sogar ein hervorragender Schauspieler war! – würde etwas ganz anderes vortäuschen. Er würde sich möglichst zerknirscht und extrem liebenswürdig geben, um Vertrauen zu erwecken und alle in falscher Sicherheit zu wiegen.

Loki hingegen schien sich nur reichlich Mühe zu geben, ihnen ihre Wut auf ihn zu erhalten.

Oder war etwa genau das sein Plan?

In Clints Kopf begann es zu schwirren, und er massierte sich die schmerzenden Schläfen. Er war seit über vierundzwanzig Stunden auf den Beinen, und es machte sich langsam bemerkbar.

«Ist nicht ganz einfach, damit klar zu kommen, wenn aus dem Feind plötzlich ein Freund wird, nicht wahr?» hörte Clint da eine leise, noch etwas schwach klingende Stimme im Rücken. Er wirbelte herum und sah Fandral hinter sich stehen.

«Freund..?» Barton dehnte das Wort. «Also, wenn Sie von Loki sprechen, dann können Sie das knicken! Als Freund werde ich ihn in meinem ganzen Leben nie bezeichnen.»

«Man sollte niemals nie sagen.» gab Fandral zurück. Er lächelte flüchtig, wurde aber gleich wieder ernst. Sehr ernst. «Glauben Sie mir: ich spreche aus Erfahrung.»

Clint musterte ihn neugierig. «Ich hab' gehört, Sie waren einer der Krieger, die damals, als Thor auf die Erde verbannt wurde, hergekommen sind, um ihm zu helfen. Um ihn aus den Händen seines Bruders zu retten, genau gesagt.» Er wandte kurz den Kopf und zeigte mit dem Finger auf Loki. «Mit anderen Worten: Sie haben gegen ihn gekämpft.»

«Natürlich habe ich das. Aber die Dinge... haben sich geändert.» Fandral zögerte einen Moment, dann erzählte er Barton davon, wie Loki Asgard vor der Eroberung – und beinahe kompletten Vernichtung - durch Hela gerettet hatte. Clints Mund stand am Ende seines Berichts weit offen. Er wollte etwas antworten und merkte, dass er es nicht konnte.

Fandral nickte nur düster und lächelte wieder matt. «Wie ich vorhin sagte: man sollte niemals nie sagen.»

«Und sie sollten im Bett liegen.» Das war Jemma. Sie hatte eben ihren Rundgang gemacht und festgestellt, dass der Krieger nicht mehr auf der Station war. «Sie sind noch zu schwach um hier rumzuschleichen.»

Der Asgardianer schenkte ihr ein herzliches Lächeln. «Eigentlich würde ich ja jetzt widersprechen. Aber bei einer so schönen Dame wie Ihnen mache ich natürlich eine Ausnahme.» Er hielt ihr den Arm hin. «Sie dürfen mich gerne in mein Bettchen zurückbringen, meine Liebe.»

Jemma wurde leicht rot und nahm dann seinen Arm. Mit einem letzten bekräftigenden Kopfnicken in Clints Richtung liess Fandral sich von ihr brav wie ein Lämmchen zur Krankenstation zurück geleiten.

Lokis Punishment - Lokis StrafeWhere stories live. Discover now