Entsetzen

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Natasha fand Clint draussen vor dem Eingang zur Basis vor – allein. Eigentlich war es sehr riskant, das Innere des SHIELD-Hauptquartiers zu verlassen, denn in der momentanen Krise musste man jederzeit damit rechnen, angegriffen zu werden. Doch Hawkeye hatte wohl einen Ort gesucht, wo er ungestört von den anderen einen Moment Ruhe finden konnte. Natasha wäre die letzte Person gewesen, die das nicht verstanden hätte.

Sie kannte den Freund aber auch gut genug um zu ahnen, dass er nicht allein mit dem fertig werden sollte, was in ihm brodelte.

Die Enthüllung von dem, was in Asgard mit Loki geschehen war, war ein regelrechter Schock gewesen. Sie alle hatten lange Zeit angenommen, dass er in einer Zelle gelandet wäre (und sich darunter in etwa das vorgestellt, womit man in einem irdischen Gefängnis in einem solchen Fall rechnen musste). Dann, als Tony ihnen davon berichtet hatte, dass Loki sich auf der Erde befand – und ihre Hoffnung zerschlagen worden war, ihn wenigstens als einen Gefangenen von SHIELD vorzufinden – hatten sie nicht so recht gewusst, was sie von der ganzen Sache halten sollten. Laut Tony hatte Thor persönlich seinen Bruder hergebracht, etwas, das dieser inzwischen auch bestätigt hatte. Doch warum... Auf diese Frage hatte der Donnergott bislang keine Antwort gegeben.

Nun wussten sie es. Und Natasha war nicht die einzige gewesen, die das nackte Entsetzen gepackt hatte, als Coulson berichtete, was passiert war... Was er selbst so real vor sich gesehen hatte, als wäre es mit ihm persönlich geschehen.

Clints Gesicht war bis zum Schluss von Coulsons leisen, erschütterten Worten eine eiserne Maske geblieben. Bruce Banner hatte sich schon nach wenigen Sekunden die Brille heruntergerissen und sie in sichtlicher Hektik zu putzen begonnen (einzig in dem Bemühen, seine Betroffenheit nicht allzu sichtbar werden zu lassen, da er dadurch schön unauffällig den Kopf senken konnte), Steve hatte mit offenem Mund und fassungslosem Kopfschütteln dagesessen, die Augen verdächtig feucht und Tony...

Nun, Tony war verschwunden, kaum dass Coulson geendet hatte – in wilder Hast und offenkundig in Richtung der nächsten Toilette mit dem ebenso offenkundigen Bedürfnis, das Gehörte herauszuwürgen... Buchstäblich.

Natasha selbst war wie versteinert gewesen und hatte erst nach einigen Minuten gemerkt, dass sie ihre Hände so fest im Schoss zusammenpresste, dass sich die Fingernägel in die Handlächen krallten, bis es leicht zu bluten begann.

Nur Clint war ruhig geblieben – unheimlich ruhig.

Und dann hatte auch er sich erhoben und war gegangen. Aber nicht wie Tony, der geradezu geflohen war, sondern scheinbar gelassen.

Nur Natasha, die ihn gut genug kannte, hatte gewusst, dass die steinerne Maske wirklich nur genau das war: eine Maske.

Nun sah sie den Freund draussen an einen Baum gelehnt, die Arme um den Stamm geschlungen, als finde er dabei Halt und so schwer atmend, als habe er Bauchschmerzen.

«Hey,» sagte sie leise.

Clints Kopf ruckte herum. Er starrte die Frau an, nur ganz kurz, ehe er das Gesicht wieder abwandte.

Doch in dieser einen Sekunde hatte Natasha deutlich das verdächtige Glitzern in seinen Augen gesehen.

«Ich... habe ihn gehasst, Nat.» brach es aus Clint heraus, noch ehe die Black Widow dazu kam, das Gespräch einzuleiten. «Ich hätte ihn mit blossen Händen erwürgen können. Er hat sich damals in meinem Kopf festgesetzt und mich Dinge tun lassen, für die ich mich jetzt verabscheue... Ich war eine hilflose, wehrlose Marionette, die er buchstäblich weggeworfen hätte, wenn ihr Dienst getan war. Es war schrecklich gewesen. Teilweise konnte ich mir zusehen, wie von aussen – aber ich konnte nichts tun! Ich wollte schreien, wollte rufen 'Leute, helft mir, das will ich gar nicht!' Aber es war unmöglich, aus diesem Bann rauszukommen. Ich... ich musste mich hilflos dabei beobachten, wie ich Menschen umgebracht und den Helicarrier angegriffen habe. Wie ich euch alle in Gefahr gebracht habe...»

Lokis Punishment - Lokis StrafeWhere stories live. Discover now