Des einen Leid - des anderen Freud

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«Jetzt mal ganz ehrlich, Thor: hast du ernsthaft geglaubt, ich wäre so blöd, Thanos mit einem Küchenmesser anzugreifen?»

«Das war kein Küchenmesser...»

«Hätte aber genauso gut eines sein können. Echt jetzt, ich werde ja manchmal als verrückt bezeichnet. Aber so verrückt, Thanos nur mit einem Dolch angreifen zu wollen, bin ich denn doch nicht. Bruder, ich könnte fast beleidigt sein, dass du das geglaubt hast!»

Die beiden sassen im SHIELD-Hauptquartier und waren endlich – nachdem sie die ganzen Begeisterungsstürme und Umarmungen der anderen hinter sich gebracht hatten – allein. Als ob die anderen gespürt hätten, dass die zwei Halbgötter dringend einen Moment für sich benötigten, hatte sich einer nach dem anderen unter irgendeinem Vorwand verabschiedet.

Nun schaute Thor ein wenig betreten, fast schon etwas schuldig, drein. Da neigte sich Loki zu ihm hinüber und meinte schmunzelnd: «Naja, ich könnte mich beleidigt fühlen... Wenn ich nicht gleichzeitig ziemlich gerührt wäre.» Er wurde wieder ernst. «Dass mein Tod dich so mitnehmen würde, hätte ich nie gedacht. Und dass es das war, was dich endlich richtig stark gemacht hat...» Er zuckte die Schultern als könne er es immer noch nicht ganz glauben. «Dabei war ich mir so sicher, dass du eine richtige Portion Wut brauchst, um in Fahrt zu kommen. Aber Trauer... Und dann noch meinetwegen..?»

«Spinnst du, Bruder?» Thors Mund klaffte auf. «Hast du etwa gemeint, es wäre mir egal, wenn du stirbst?» Er schüttelte fassungslos den Kopf. «Also, jetzt könnte ich mich beleidigt fühlen!»

Loki hob in gespieltem Entsetzen die Hände. «Bitte nicht! Sonst lässt du am Ende nochmal so ein Gewitter vom Stapel.»

Thor blieb ernst. «Als ich dich da liegen sah, da war mir, als würde mein Herz zerspringen. Ich wollte durchdrehen, so weh tat es. Doch ich wusste, dass ich damit warten musste, bis Thanos erledigt wäre. Aber ehrlich, Bruder: am liebsten hätte ich mich neben dir auf den Boden geworfen und nur noch geheult.»

«Jetzt werd' nicht pathetisch.» Loki konnte sich ein leicht spöttisches Grinsen nicht verkneifen. Doch andererseits genoss er das Gefühl, dass Thor seinetwegen so sehr getrauert hatte. Oder hätte... Wenn er denn wirklich gestorben wäre.

«Noch so eine blöde Bemerkung von dir und du kannst dich wirklich auf das nächste Gewitter gefasst machen!» schnappte der Blonde. Doch dann musste auch er lachen, ganz kurz zumindest, ehe er beinahe nachdenklich fortfuhr: «Und dann überkam es mich plötzlich. Dieser irre Schmerz, der mich fast um den Verstand gebracht hat, hat mich von einer Sekunde auf die andere stark gemacht. Richtig stark. Ich wollte nur noch töten...»

«Tja, ich würde sagen, das hast du dann auch getan.» Loki klopfte ihm auf die Schultern und ging zum Kaffeeautomaten. «Ich schätze, damit hast du dir einen Extra-Cappuccino verdient.»

Thor nahm das heisse Getränk entgegen, nippte aber bloss daran. «Echt, Bruder,» sagte er nach ein paar Minuten. «Tu sowas nie wieder.»

«Was denn?» Loki hob unschuldig eine Braue.

«Du weisst schon, dass ich dir jetzt am liebsten eine reinhauen würde, oder?»

«Oh Thor, du klingst gerade fast wie Tony! Habt ihr zwei die Körper getauscht oder was..?» Als der Blonde mit gespieltem Ärger aufstand, beeilte sich Loki, hinzuzufügen: «Hey, benimm dich oder du bekommst nie wieder Kaffee von mir.»

Thor konnte sich ein flüchtiges Lachen nicht verkneifen. Aber er war andererseits viel zu aufgewühlt, um es bei diesem leichten Geplänkel zu belassen. Zudem kannte er seinen Bruder gut genug um zu wissen, dass der nur wieder abzulenken versuchte.

Lokis Punishment - Lokis StrafeDove le storie prendono vita. Scoprilo ora