Kapitel 2

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Joe nahm endlich seinen bescheuerten Helm ab und schloss sein Fahrrad an den vorhergesehenen Stangen an. Dann liefen wir zusammen ins Gebäude zu unseren Schließfächern. Ich schloss auf und holte meine Bücher für heute heraus. Joe und ich waren in fast keinem Kurs zusammen, da er nur die Leistungskurse besuchte. Wenigstens gab es da noch Serena, sonst würde ich im Unterricht alleine verecken.

„Was hast du jetzt?", fragte Joe, während er seinen Taschenrechner aus dem Spind holte.

„Chemie", stöhnte ich. Chemie war für mich noch schlimmer als Mathe. Ich verstand in diesem Fach 0. Immer wenn unser Lehrer redete, kam es mir so vor, als würde er mit mir Chinesisch sprechen. Für mich war Chemie nicht logisch und diese Formeln taten in meinen Augen weh. „Apropos, wir schreiben nächste Woche eine Arbeit. Irgendwas mit Atomen. Könnest du mir wieder helfen?"

„Klar", zuckte er mit den Schultern und grinste mich an.

Ich sah meinen besten Freund erleichtert an. Joe war wie mein Nachhilfelehrer. Wenn er mir die Dinge erklärte, machte es oft Klick bei mir. Joe würde ein guter Lehrer sein, aber die Schüler würde er niemals im Griff haben.

„Also, bis später", drehte er sich um und hastete durch den Flur.

Ich packte meine restlichen Sachen in meinen Rucksack und machte mich auf den Weg zum Labor. Während ich lief, mied ich den Augenkontakt mit anderen Menschen. Viele hier hielten sich für was besseres und fühlten sich anscheinend bedroht, obwohl man nichts gemacht hatte. Dann kamen immer so dumme Sprüche, die mich aber tatsächlich verletzten und das passierte bei mir schnell. Ständig dachte ich zu viel nach und machte mir Gedanken, was andere über mich denken. Ich war schüchtern, außer bei meinen Freunden und meiner Familie. Am liebsten blieb ich unerkannt und würde mit einer Kapuze und einem weiten Jogginganzug durch das Leben laufen. Aufmerksamkeit konnte ich nicht ausstehen.

Ich quetschte mich durch die Schüler durch, die laut redeten und lachten. Als ich ins Labor kam, sah ich schon Serena auf unserem Platz sitzen. Serena Woods war Afroamerikanerin und ihre Eltern waren Krankenpfleger in der Praxis meiner Eltern. So hatten wir uns auch kennengelernt und wir waren sofort auf einer Wellenlänge. Serena war super lieb, offen und selbstbewusst. Ich hätte auch gerne so viel Selbstvertrauen wie sie. Ihre Haare waren wunderschön und außerdem konnte sie auch noch singen. Anders wie meine, war ihre Familie riesig. Serena hatte fünf Geschwister und sie beneidete mich dafür ein Einzelkind zu sein, obwohl ich auch gerne Geschwister hätte. Serena war anders als die anderen Mädchen meiner Schule. Sie war nicht oberflächlich oder eingebildet, sondern einfach sie selbst.

„Lange Nacht?", ärgerte sie mich zur Begrüßung.

„Ja, danke", sagte ich genervt und musste gähnen.

„Tessa hat heute Geburtstag und ich muss ich später noch einen Kuchen backen", verdrehte sie die Augen. „Ich muss die Bandprobe heute ausfallen lassen. Das hab ich noch nie."

Tessa war eine ihrer jüngeren Geschwister. „Sag ihr alles Gute von mir."

Serena nickte und fragte dann: „Gibt's irgendwas neues?"

Ich schüttelte den Kopf. „Alles so wie immer. Ich stehe auf, könnte in mein Spiegelbild kotzen, gehe zur Highschool und langweile mich, gehe wieder nach Hause, schaue meine Serie mit Chips und Schokolade an und schlafe dann ein."

„Oh Gott, Grace. Du brauchst echt mal ein Hobby oder irgendwas", betrachtete sie mich kritisch. „Ich mach mir ja langsam echt Sorgen um dich."

„Brauchst du nicht. Ich mag es alleine zu sein", winkte ich ab.

Sie hob eine Augenbraue an.

„Ehrlich, ich bin zufrieden mit meinem Leben. Das ist alles was ich brauche", beruhigte ich sie.

Just The Way You AreWhere stories live. Discover now