Kapitel 18

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Der Wind, der vom Meer herwehte, peitschte mir ins Gesicht. Wir waren erfolglos. Was hatten wir uns auch erhofft? Als ob drei Teenager irgendwas rausbekommen könnten. Ich war so motiviert gewesen, mich hatte es gepackt, doch jetzt standen wir drei frustriert am Geländer, das den Hafen eingrenzte und starrten schweigend auf das stille Meer. Es war so leise und dünne Nebelwolken schwebten über die Oberfläche des Wassers. Es wirkte wie ein ruhiger Schein, als würde hier nichts schlimmes passieren, doch das war es und die Menschen und auch ich rasteten aus. Ich meine, es könnte auch ein Serienmörder an dem Tod des jungen Mädchens schuld sein. Es könnte alles sein. Man dachte, dass eine Kleinstadt wie Cliffstone sicher war, doch der Schein trügte...

„Das ist doch alles wirklich scheiße", murmelte Amber genervt und packte aus ihrer Jackentasche eine Zigarettenschachtel heraus.

Du sprichst mir aus der Seele, dachte ich. Alles war einfach nur blöd. Ich fragte mich warum wir überhaupt hier waren.

„Wir sind auch keine Polizisten", sagte Joe.

Amber stöhnte. „Wenigstens tun wir irgendwas. Du hast ja keine Ahnung, was die Polizei und das FBI alles im Dunkeln am laufen haben."

„Sicher", sagte Joe ironisch und schmunzelte.

Amber gab einen abfälligen Ton von sich und holte ihr Feuerzeug hervor. „Klar, dass jemand wie du das nicht glaubt. Du hinterfragst ja Dinge auch nicht und vertraust Menschen und dem Gesetzt blind. In echt dreht sich alles nur um Geld. Was ist schon richtig oder falsch? - Aber hey, du kannst nichts dafür, weil dein Dad doch Anwalt ist, oder?" Sie zündete sich ihre erste Zigarette an und nahm einen Zug.

Joe nickte und schwieg auf das was Amber gesagt hatte und irgendwie musste ich über ihre Worte nachdenken.

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Nach einer Weile schaute Joe auf sein Handy und sagte, dass er zum Mittagessen nach Hause müsste. Er verabschiedete sich und machte sich auf den Heimweg. Jetzt war ich mit Amber alleine und ich bekam wieder dieses unangenehme Gefühl.

„Willst du nicht auch zu deiner Mommy und deinem Daddy rennen, um zu essen und dabei vorzugeben, ihr wärt die perfekte Bilderbuchfamilie?", fragte sie abfällig.

Ich sah sie scharf an. „Nur weil deine Familie kaputt ist, musst du das nicht auch auf mich übertragen." Es tat mir leid, dass ihr Dad ihre Mom verlasen hatte, als diese schwanger mit ihr wurde. Ich hatte auch Mitleid mit Amber, dass ihre Mom vor kurzem den Bürgermeister Mr Stone geheiratet hat und Kimberly jetzt ihre Stiefschwester war, aber das alles war erstens nicht meine Schuld und zweitens brauchte sie all ihre Wut und ihren Frust nicht an mir auszulassen.

„Jede Familie ist doch auf ihre Weise kaputt, nur wissen das die meisten Kinder nicht. Die Probleme kommen, wenn man älter wird. Falls nicht ist deine Familie eine Lüge und voll von falschen Leuten", sagte Amber mit eisiger Stimme und blies den Rauch von der Zigarette aus ihrer Lunge.

„Ich weiß, dass keine Familie perfekt ist, aber - "

„ - Was aber?", unterbrach sie mich. „Seh's ein. Jede Familie hat ihr Geheimnis, welches sie früher oder später zerstören wird."

„Warum siehst du alles so pessimistisch?", fragte ich.

„Nicht jeder ist so behütet wie du aufgewachsen, Grace. Das Leben dreht sich um's Überleben und nicht um Liebe. Töte oder du wirst getötet."

Ich sah sie lange an und schüttelte dann entschieden meinen Kopf. „Das stimmt nicht. Im Leben geht es um viel mehr."

„Und ob", lachte Amber auf und sah mich kopfschüttelnd an. „Du bist echt das naivste Mädchen, was ich je getroffen hab, Grace."

„Ich bin lieber naiv, anstatt das Leben als Bestrafung zu sehen", sagte ich.

„Falsche Einstellung", sagte sie. „Ich bin lieber kalt und abweisend. Denn weißt du was? Später werden alle gehen oder dich enttäuschen."

Von ihrem letzten Satz bekam ich eine Gänsehaut. Nach diesen Worte starrte ich Amber lange an. Ich sah diesen Schmerz in ihren Augen und ich erkannte, dass sie verletzt und verlassen wurde. Wer hat sie zu dem gemacht, der sie heute war?

Amber ließ ihre fertige Zigarette zu Boden fallen und zerdrückte sie mit ihrer Schuhsohle. „Mir wird langweilig. Lass uns gehen."

Ich nickte gedankenverloren und folgte ihr. Wir entfernten uns vom Hafen und liefen dann den Gehweg entlang. Das Herrenhaus der Stones, in dem Amber mit ihrer Mom jetzt lebte, lag auf dem Weg zu meinem Haus, also liefen wir die gleiche Strecke. Keiner von uns sagte dabei ein Wort. Wir liefen einfach nur still nebeneinander her. Aber ganz plötzlich aus dem Nichts hielt Amber abrupt an und spitzte ihre Ohren.

Als ich gerade fragen wollte, was los war, rannte sie ins Gebüsch und packte jemanden am Kragen und zog ihn heraus. „Damian Wayne, du Stalker!", brüllte sie und riss ihm die graue Kapuze vom Kopf.

Es war tatsächlich Damian. Oh mein Gott, war er uns tatsächlich gefolgt? Mich gruselte es und ein kalter Schauer lief meinen Rücken hinab. Ich war aber auch von Amber's Reflexen beeindruckt, wie sie ihn so plötzlich bemerken konnte. Besaß sie übermenschliche Sinne?

„Ich hab dir gesagt, dass du uns in Ruhe lassen sollst!", schrie Amber ihn wütend an.

„Du weißt ganz genau wie schwer es ist zu - "

„ - Fresse!", schnitt sie Damian das Wort ab.

Was lief hier, verdammt?! Hatte Damian uns tatsächlich verfolgt? Als ich Amber und Damian morgens am Strand streiten habe sehen, ging es da etwa darum, dass Damian sich nicht in Amber's Ermittlungen einmischen sollte oder war es doch etwas ganz anderes?

„Bleib von ihr weg! Du weißt genau, dass sie nicht sie ist!", fauchte Amber leise.

„Warum bist du dann mit ihr zusammen?", fragte er wütend.

Einen Moment, von wem sprachen sie?

„Verpiss dich! Wenn ich dich noch einmal erwische, schwöre ich dir bist du tot! Also zieh Leine, klar?!", drohte Amber.

Damian sah mich noch einmal an, dann lief er weg.

„Was war das?", fragte ich überrumpelt

Amber sah mich gestresst an und lief mit schnellen Schritten weiter. „Kümmer dich um dein Business und misch dich nicht immer ein."

Jetzt reichte es mir! „Ich misch mich ein? Du bist es, die sich in diesen Fall und in mein Leben eingemischt hat!"

Amber stoppte prompt und drehte sich herum. „Weil der Fall nunmal mit dir zusammenhängt!"

„Das tut er nicht!", widersprach ich. Es machte mich wahnsinnig die ganze Zeit hören zu müssen, die Leiche sähe wie ich aus.

„Hör doch auf dich selbst anzulügen, Grace. Hast du dir jemals das Foto von dem Mädchen richtig angeschaut? - Vielleicht solltest du das mal tun. Ich weiß, dass du es nicht hören willst, aber sie sieht wie du aus. Ob dir das nun gefällt oder nicht ist egal, denn dass ihr gleich ausseht, ist die üble Tatsache und die kannst du nicht verdrängen. Renn davor nich weg."

Just The Way You AreWhere stories live. Discover now