Kapitel 9

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Ich erinnerte mich verschwommen daran wie Cohen die Polizei angerufen hatte und jeder von uns im Schockzustand eine kurze Zeugenaussage machen musste. Es war bereits eine Wochen vergangen und wir alle, die an dem Lagerfeuer saßen, mussten sieben Tage zu Hause bleiben, weil die Psychologen sagten, wir seien in unserem seelischem Zustand nicht fähig in die High School zu gehen. Ganz Cliffstone redete nur von dem Mord. Jeder hatte Angst, da wohl ein Mörder sein Unswesen in unserer Kleinstadt trieb. In der Young hätte uns jeder überfallen und uns mit Fragen bombardiert, deshalb hatte auch unser Direktor empfohlen, dass wir zu Hause bleiben sollten.

Ich bekam diesen Anblick von dem Mädchen einfach nicht aus meinem Kopf. Hatte Jade recht und die Leiche sah tatsächlich wie ich aus? Ich hatte noch nie einen Menschen mit meiner Augenfarbe gesehen, da ich ein so ungewöhnliches intensives Grün in den Augen hatte. Die meisten Menschen hatten grüne Augen mit anderen Farben gemischt - ich nicht. Deshalb war es ja auch so komisch, dass dieses Mädchen die genau gleichen Augen wie ich hatte. Auch ihr Gesicht war zu meinem exakt und sie hatte dieselbe Haarfarbe wie ich. Es war gruselig. Mom und Dad sagten, dass es am Strand dunkel war und eine Leiche sich veränderte, wenn sie anfing zu verwesen. Man wusste ja immerhin noch nicht ganz genau wie lange die Leiche schon im Wasser schwamm. Meine Eltern hatten mich beruhigt und gesagt, dass es wahrscheinlich nur so aussah und da eh alle total neben sich standen, Jade übertrieben hatte. Ich hoffte Mom und Dad hatten recht. Um ehrlich zu sein, wollte ich auch nichts anderes glauben. Ich wollte mir keine Theorie über einen möglichen Doppelgänger machen oder was weiß ich. Ich durfte nicht die Nerven verlieren und verrückt werden. Ich hoffte nur, dass Jade es niemand anderem erzählte. Vielleicht sah das Opfer mir auch nur ähnlich und Jade hatte sich unter Schock nur etwas eingebildet. Niemand hatte die Leiche auch wirklich lange angesehen, weil sich die meisten die Augen zugehalten hatten oder davon gerannt waren.

Mom kam natürlich ohne anzuklopfen (wer kennt es nicht?) einfach so in mein Zimmer. Sie hatte mir Kakao gemacht und hatte dazu auf einen Teller meine Lieblingscookies gelegt. „Na Schatz, wie gehst dir?", fragte sie besorgt.

Nicht jeder Teenager entdeckte einfach so aus dem Nichts eine angespülte Leiche am Strand und das in einer Kleinstadt, in der man dachte, dass man sicher sei. Aber jetzt war eine Woche vergangen und ich war mit dem Gedanken irgendwie klar gekommen, dass es überall auf der Welt böse Menschen gab. „Es ist alles okay", zwang ich mir ein Lächeln auf die Lippen und nahm ihr dankend den Kakao ab.

Sie setzte sich auf meine Bettkante. „Morgen musst du wieder in die Highschool. Geh den ganzen Leuten einfach aus dem Weg, die dich bedrängen oder irgendwas komisches zu dir sagen. Du weißt, dass wenn es dir zu viel wird, du jederzeit zum Sozialarbeiter gehen kannst."

„Ja, Mom", stöhnte ich. Das hatte sie in den letzten Tagen in Dauerschleife von sich gegeben.

„Ich mein ja nur", murmelte sie und strich mir über das Haar. „So etwas sollte niemand in deinem Alter gesehen haben."

„Mom!", beruhigte ich sie. „Es geht mir gut, ehrlich." Ob das die Wahrheit war, wusste ich allerdings selbst nicht...

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Joe hatte mir am nächsten Morgen auf unserem Schulweg tausende Fragen gestellt, obwohl ich ihm schon alles haargenau am Telefon gesagt hatte. Er war total aufgedreht und fragte mich ob die Gerüchte stimmen würden, dass das Mädchen, das an den Strand angespült wurde, genauso aussehen würde wie ich.

Als wir in der Young Highschool angekommen waren, wurde mein persönlicher Alptraum wahr: Jeder kannte meinen Namen und wusste wer ich war... Genau das war geschehen, was ich nie wollte: Im Mittelpunkt zu stehen. Ich war in meiner persönlichen Hölle gelandet! Jeder glotzte mich an und gab Sprüche ab wie: „Hallo, Doppelgänger!" „Ist deine Zwillingsschwester tot?" „Opfer!" oder „Die hat was mit dem Mord zu tun!" Jedes Wort tat mir weh und ich wünschte ich könnte mich unsichtbar machen. Es war schrecklich. Da ich sowieso nicht sehr selbstbewusst war, fiel es mir umso schwerer die Bemerkungen von den anderen Schülern runterzuschlucken. Ihre Worte nagten an mir rum und stachen in meinem Herzen. Wie konnte die alle nur so gemein sein? Glaubten die ernsthaft, dass ich etwas mit dem Mord zu tun haben könnte, wenn ich doch die ganze Zeit am Lagerfeuer saß und dafür auch noch Zeugen hatte? Ich hoffte, dass ich mit meiner Zeugenaussage heute in der Polizeiwache dieses Gerücht all für alle Mal aus der Welt schaffen könnte.

„Kommst du alleine zurecht, Gracie?", fragte mein bester Freund besorgt, als wir unsere Bücher aus den Schließfächern holten.

Ich nickte verängstigt und sah mich um. Alle starrten mich noch immer an oder tuschelten. „Muss ich wohl", gab ich dann schulterzuckend von mir.

„Okay, wir treffen uns später in der Pause wie immer an der alten Eiche", streichelte Joe meine Schulter, schenkte mir einen aufmunternden Blick und lief dann in seinen Unterricht.

Jetzt war ich auf mich alleine gestellt. Kein Joe, hinter dem ich mich verstecken könnte. Ich wünschte, ich hätte mich nicht von Serena überreden lassen zu diesem blöden „Treffen" mitzukommen. Wie so oft hätte ich lieber auf mein Bauchgefühl hören sollen, denn das lag immer richtig. Aber ich Depp hatte nachgegeben. Wenn ich nicht mitgekommen wäre und Jade nicht dieses bescheuerte Gerücht in die Welt gesetzt hätte, würde mein antisocial Leben bestehen bleiben und niemandem wäre aufgefallen, dass ich vielleicht eine klitzekleine Ähnlichkeit mit der Leiche hatte, denn niemand kannte mich hier, obwohl wir in einer Kleinstadt lebten. Meine „Anonymität" hatte ich deswegen immer geschätzt. Jetzt war alles vorbei, denn nun kannte mich jeder. Es war schrecklich.

Mit gesenktem Kopf lief ich den Flur entlang. Ich hatte jetzt Spanisch und das Zimmer von ... war in dem anderen Ende des Gebäudes. Also musste ich durch den unendlich langen Flur laufen. Diese gaffenden Blicke auf mir waren mehr als unangenehm. Es war furchtbar. Ich versteckte mein Gesicht hinter meinen Büchern, doch es half nicht. Die Leute hörten einfach nicht auf zu starren und zu tuscheln.

Plötzlich zog mich jemand in den Musikraum. Ich wollte aufschreien, doch jemand presste seine Hand gegen meinen Mund. Ich hörte wie jemand die Türe zutrat. Dann wurde ich nach hinten geschuckt. Ich stolperte über meine eigenen Füße, konnte das Gleichgewicht aber noch halten. Ich sah auf und blickte in Amber Sullivan's Gesicht, das von ihren roten Locken umrahmt wurde. „Du erzählst mir besser warum du der Leiche so verdammt ähnlich siehst!", zischte sie.

„Das würden wir auch gerne wissen", sagte eine Stimme.

Ich sah an Amber vorbei und erkannte den Angeber Cohen Smith, Verräterin Summer Wilson, Bienenkönigin Kimberly Stone, meine beste Freundin Serena Woods, Wichtigtuer Sam Taylor und natürlich die Fake-News Verbreiterin Jade Coleman.

Ich sank in meiner persönlichen Hölle wohl immer tiefer...

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Hier ist das nächste Kapitel! Tut mir leid, dass es etwas länger als sonst gedauert hat. Ich versuche jetzt regelmäßiger neue Kapitel hochzuladen :)

katherine_fields

Just The Way You AreWhere stories live. Discover now