Kapitel 25

180 6 1
                                    

„Sie - sie war meine beste Freundin und so - so viel mehr. Ich - ich habe sie geliebt." Das war alles, was Amber hervorbringen konnte...

Es war, als würde ich den Boden unter den Füßen verlieren. Amber kannte das tote Mädchen, sie hatte sogar eine enge persönliche Verbindung zu ihr gehabt und das hatte sie mir die ganze Zeit verschwiegen! Ich konnte es nicht fassen! Aus diesem Grund war Amber so vernarrt darin, den Mörder zu fassen! Deswegen hatte sie auch diese bescheuerte Gruppe gegründet, obwohl sie nichtmal am Tatort dabei war, als Jade und Sam die angespülte Leiche gefunden hatten. Deshalb hatte Amber sich mit Damian früh morgens am Strand gestritten. Wahrscheinlich hatte Damian dieses Mädchen auch gekannt.

Aber dann wurde ich in die Tatsachen katapultiert. Ich musste mich irgendwo festhalten. Mir war so schwindelig. "Ist sie - "

Amber sah auf und nickte. "Ja, Grace. Gianna war deine Zwillingsschwester."

Ich hatte das Gefühl, als könne nicht mehr atmen. Ich schnappte nach Luft und war gezwungen auf die Knie zu fallen. Kein Doppelgänger oder irgendein Zufall - nein, sie war meine Zwillingsschwester! Gigi war also der Spitzname von Gianna. Mein Herz raste. Sie konnte nicht mein Zwilling sein. Warum hätten Mom und Dad mir all die Jahre von ihr nichts erzählt? Ich bin Einzelkind. "Das - das glaube ich nicht!"

"Mach deine Kette auf", forderte sie.

"Ich soll was?!" Ich starrte Amber entgeistert an. Die Kette ließ sich nicht öffnen. Wovon sprach sie? Ich wollte, dass sie mir bewies, dass das tote Mädchen tatsächlich meine Schwester war. Was hatte meine Kette damit zu tun?

"Mach sie einfach", bat sie. Auch Amber war am Ende ihrer Kräfte.

Ich legte meine Kette ab. Meine Finger zitterten und ich sah das goldene Herz an. Amber kniete sich neben mich. Ich sah zu ihr hoch. Sie nickte, eine Aufforderung die Kette zu öffnen.

Und tatsächlich. Ich entdeckte an der Seite einen Verschluss. Warum war mir das zuvor noch nie aufgefallen?

"Du musst ihn drehen", sagte Amber.

Ich schluckte den dicken Kloß, der sich in meinem Hals gebildet hatte, herunter und tat, wie sie sagte.

Klack

Das Herz öffnete sich und zum Vorschein kam ein Bild eines Babys. "Das bin ich als Baby", flüsterte ich.

"Nein", widersprach Amber mit ruhiger Stimme. "Das war Gigi als Baby."

Ein Stich durchfuhr mein Herz und ich zuckte zusammen. "Wie - wie ist das möglich?"

"Gigi trug die gleiche Kette wie du mit dem Unterschied, dass - "

" - ich auf dem Bild in ihrer Kette war", beendete ich Amber's Satz. Meine Stimme war leise und zerbrechlich, so als würde sie der Wind davontragen.

„Es tut mir leid, Grace. Vielleicht hätte ich es dir schon früher sagen sollen - "

„ - Natürlich hättest du das tun sollen!", schnitt ich ihr wütend das Wort ab. Ich fuhr mir gestresst durch's Haar. Das alles hier war wahnsinnig! „Aber wieso haben mir meine Eltern nie etwas davon gesagt?"

Amber schluckte. „Ich weiß es nicht."

Ich musste all das erst einmal verdauen. Wahrscheinlich wäre es am besten gewesen, dass ich erstmal verarbeitete, dass ich eine Zwillingsschwester hatte und danach die Fragen stellen sollte - doch ich wollte alles jetzt sofort wissen. Sofort! Ich konnte nicht warten. Beruhigen konnte ich mich so oder so nicht, egal was ich tun würde.

„Erzähl mir alles", forderte ich schließlich und fügte mit scharfer Stimme hinzu. „Die Wahrheit."

Ihrem Auge entwich eine Träne. „Du willst also alles von Anfang an erfahren?"

Ich nickte als stumme Antwort.

Amber atmete tief ein und aus. „Es war letzen Sommer." Sie sah versonnen an mir vorbei. „Es waren Ferien und meine Freunde und ich chillten wie immer am Strand und rauchten Gras. Irgendwann reichte uns das aber nicht aber und ein Kumpel von mir bestellte harte Drogen. Keine Ahnung was er alles bestellt hat. Nach ein paar Stunden mitten in der Nacht tauchte dann sie auf - Gianna..." Amber verstummte und presste ihre Lippen zusammen.

„Moment, sie war - "

„ - eine Dealerin? - Ja, irgendwie schon." Amber mit den Schultern, aber ich sah in ihren Augen Angst und Wut aufflackern.

„Irgendwie?"

Amber seufzte. „Sie war eine. Keine Ahnung für wen Gigi gearbeitet hat. Jedenfalls sollte ich die Drogen abholen. Wir hatten den Skatepark als Treffpunkt ausgemacht. Die anderen waren zu betrunken, um den Dealer zu bezahlen und die Drogen entgegen zu nehmen. Ich habe lange gewartet. Ich hatte einen dürren Jungen im Hoodie oder irgendeinen Freak in Markenklamotten erwartet, doch ich sah keinen. Stattdessen stand da dieses Mädchen mit den braunen Locken auf der gegenüberliegenden Seite der Straße - Gigi... Sie hatte sich an die Laterne gelehnt und mich beobachtet. Keine Ahnung, wie lange sie da schon stand, aber irgendwann spürte ich ihren starrenden Blick auf mich. Als ich zurückstarrte, wusste ich, dass sie nicht aus Cliffstone kommt. Irgendwann grinste sie und überquerte die Straße zum Skatepark. Sie trug ein schlichtes schwarzes T-Shirt Kleid, dazu geklaute Sneaker. Das habe ich an diesem Sicherungsteil gesehen, dass hinten rausschaute. Ihre Locken fielen ihr auf die Schultern und plötzlich - da - da stand sie einfach vor mir." Amber's Augen wurden wieder nass und sie versuchte ihre Atmung zu kontrollieren.

Ich biss die Zähne zusammen und zitterte am ganzen Körper. Ich konnte immer noch nicht fassen, was Amber mir da gerade alles erzählte.

„Ich - ich kann mich noch ganz genau an diese Augen erinnern." Amber sah mich wieder an. „Sie hatte genau die gleichen wie du, nur in ihren Augen loderte so ein Feuer - so eine Lebendigkeit. Das habe ich zuvor noch nie gesehen."

Ich schluckte den dicken Kloß, der sich in meinem Hals gebildet hatte, herunter.

„Sie hat mir die Drogen verkauft und ich hab sie gefragt, ob sie mit mir kommen will. Gigi hat gezögert, aber sie ist schließlich mitgekommen. Meine Freunde waren schon total drauf gewesen, aber Gigi und ich saßen auf einer Mauer und haben die ganze Nacht geredet und ehe wir uns versahen, war es Morgen. Sie hat mir gesagt, dass man sie Gigi nennt, aber ihren richtigen Namen hat sie mir erst später verraten. Dass ihr echter Gianna war, hat sie, warum auch immer, Überwindung gekostet. Es schien so, als hätte sie Angst."

„Steckte sie in Schwierigkeiten?"

Amber kniff ihre Augen zusammen und nickte gezwungen.

„In welchen? Mit welchen hat sie sich abgegeben? Vielleicht war einer unter ihnen ihr Mörder."

Amber seufzte. „Ich weiß es auch nicht genau. Gigi hat immer in Rätseln gesprochen und konnte gut von sich ablenken. Sie war geheimnisvoll und hat mit ihren Charme gespielt - wie ein Mysterium."

„Erzähl mir was du weißt", beharrte ich.

„Gigi hat gesagt, dass die Typen aus ihrer Szene übel sind. Sie meinte, dass sie in einem Kinderheim aufgewachsen war seit sie denken kann. Mit fünf Jahren wurde sie adoptiert und kam in eine schreckliche Familie. Mit zehn Jahren ist sie abgehauen und dann hat sie irgendwann ein Kerl auf der Straße gefunden. Sie hat erzählt, dass er sehr nett war. Er gehörte einer Gang an, die Drogen über's Meer schmuggelten. Die Typen waren ziemlich erfolgreich mit ihrer Methode, die Drogen nicht an der Küste von San Francisco rüber zu schmuggeln, sondern bei Cliffstone und sie dann mit dem LKW in die Großstadt zu liefern. Die Kerle haben Gigi bei sich aufgenommen, weil sie der Meinung waren, sie könnte eine gute Schmugglerin werden, schließlich würde niemand ein Kind verdächtigten."

Ich musste all diese Information erst einmal verdauen. Das war zu viel und zu verwirrend. Es hörte sich einfach nicht real an, eher wie eine ausgedachte Geschichte. Schließlich wurde mir bewusst, was Amber sagte. „Cliffstone ist also eine Drogen-Export-Stadt?" Deswegen hasste Amber diese Stadt und die Leute darin so sehr. So langsam ergab alles einen Sinn.

„Oh Grace, es gibt so vieles was du nicht weißt. Diese Kleinstadt wahrt nur ihren Schein, aber er trügt. Die mächtigsten Leute stecken in dem Drogengeschäft alle mitdrin - auch deine Eltern."

Just The Way You AreWhere stories live. Discover now