Kapitel 33

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"Was ist los?", fragte Marco wieder und strich mir beruhigend über den Rücken. Ich fühlte mich schlecht. Mehr als das. Er tröstet mich, er hält mich fest, dabei habe ich Ihm so unrecht getan. Eigentlich müsste ich Ihn auffangen, vorallem müsste ich Ihm meinen Fehler erstmal beichten. "Marco, ich.. ich,..", setzte ich an. Aber leider Gottes war ich so feige und konnte diese Wörter nicht über meine Lippen bringen. Es fühlt sich falsch an, einen fehler gemacht zu haben. Nein. Eigentlich war falsch nur ein anderer Ausdruck für Fehler. Es fühlte sich furchtbar an. "Schatz, jetzt komm mal runter. So schlimm kann es doch nicht sein." "DOCH!", rief ich. "Verdammt nochmal, ich war doch nur im Krankenhaus weil ich mich so zugedröhnt habe mit Alkohol. Ich habe gesoffen wie der letzte Alki. Und warum? Weißt du warum? Weil ich dich betrogen habe. Und ich hatte nichtmal den Anstand es dir direkt zu sagen." Tränen liefen über meine Wangen. Ich konnte sie nicht stoppen, es waren viel zu viele. Aprupt lösten sich seine Arme um meinen Körper und er stand auf. Ich rutschte auf den Teppich unter mir. Splitterfasernackt stand er auf und fuhr sich durchs Gesicht. Es ist besser jetzt nichts zu sagen. Er sammelte seine Klamotten vom Boden und sprintete in sein Bad. Mein Gott, was habe ich nur angerichtet. Immer mehr Tränen fanden den Weg über meine Wange, immer mehr. Und ich konnte sie nicht verhindern. Nein, ich wollte sie auch nicht verhindern. Ob ich es besser mache wenn ich Reue zeige? Ich weiß es nicht. Aber hier sitzen und warten bis er wieder kommt bringt auch nichts. Zumal ich nicht weiß, was er machen wird. Immer noch weinend stand ich auf und zog mir meine Klamotten wieder an. Kaum zu glauben, bis vor zehn Minuten haben wir auf diesem kuscheligen Teppich gelegen und uns von unseren gefühlen leiten lassen. Und jetzt? Jetzt drohte diese ganze Gefühlsebene zu zerbrechen. Sich in einen großen Scherbenhaufen zu verwandeln. Das konnte doch nicht wahr sein. Eineinhalb Wochen Beziehung und ich zerstöre sie von dem einen auf den anderen Moment. Es war wie damals, ich wollte unbedingt so einen süßen Hamster haben, wie ihn alle hatten. Zwei Wochen ging das gut. Ich habe mich wirklich intensiv um das kleine Flauscheding gekümmert, aber dann hatte ich keine Lust mehr und habe es auch ehrlich gesagt vergessen, und das süße Tierchen ist verhungert. Ich war wirklich kein guter Mensch. Vielleicht sollte ich ins Kloster gehen. So ein Leben als Nonne, da kann man doch eigentlich nichts falsch machen. Aber ich bekomme das eh hin. Hinter mir hörte ich Schritte und ich drehte mich ruckartig rum. Marco kam total emotionslos auf mich zu. "Hast du mit dem Typ gefickt?" Ich war schockiert über seine Wortwahl. Vor nichtmal einer halben Stunde hat er mich doch auf seinem Teppich entjungfert. Ich guckte auf den Boden, einfach aus Fassungslosigkeit. Das er es mir zutraute, dass ich mich tatschlich von dem erst besten Vollhorst nageln lasse. "Ich fass es ja nicht. Und dann kommst du allen ernstes hierhin und lässt dich von mir auch nochmal ficken? IST DAS DEIN ERNST?", schrie er. Ich war schon wieder den Tränen sehr nahe. Aber sauer konnte ich ihm nicht sein. "Marco.." - "Ne nichts Marco. Weißt du wie weh das tut? Du hälst mir hier was vor, von wegen großer Liebe und fickst den erst besten der dir über den Weg läuft. Das ganze gequatsche von wegen Jungfrau war doch mitsicherheit genauso erstunken und erlogen. Weißt du was Jana? Guck das du Land gewinnst! Und zwar ganz schnell." Ich musste mich richtig zusammen reißen. Seine Worte schmerzten sosehr in meinem Herzen. "Nein hör mir zu. Bitte! Lass mich was klarstellen." Er seufzte. "Zwei Minuten und dann verschwindest du." Ich schluckte. Eben hatte er mir seine romantischste Seite gezeigt und jetzt? Jetzt wird er ausfallend und beleidigend. Hätte mir ja ruhig mal vorher jemand sagen können, wie scheisse sich Liebe anfühlen kann. "Ich hab' nicht mit ihm geschlafen. Es war nur ein Kuss, ein jämmerlicher Kuss. Ich weiß, dass es keine Ausrede ist, aber ich war sturz betrunken. Meine Güte, ich weiß auch nicht wie das kam. Aber stell mich nicht so dar, als hätte ich dich angelogen. Bis vor zwanzig Minuten war ich auch noch Jungfrau. Und gerade wünschte ich, ich wär es noch." Mein Stolz war zurück gekehrt und verlässt mich auch so schnell nicht wieder. "Meinst du wirklich das gerade du im moment große Töne spucken solltest von wegen Fehlern?" - "Nein, ich muss mir sowas nicht nach sagen lassen. Ich kann dich verstehen, vermutlich würde ich nicht anders reagieren. Aber nie, wirklich nie im Leben würde ich dir etwas an den Kopf werfen, wo ich nicht weiß, ob es wirklich so ist. Und das geht auf deine Kappe. Es tut mir leid Marco. Ich wollte dir wirklich nicht wehtun." Ich ging in den Flur, zog meine Schuhe und meine Weste wieder an. In dem Moment klingelte es. Na klasse. Ich hörte Marco's Schritte und bald stand er neben mir im Flur. Ich zog gerade meine Tasche über die Schulter und war bereit zu gehen. Marco öffnete seine Haustür. "Alles klar, alter?", fragte eine mir unbekannte Stimme. Marco hielt die Tür weiter auf und ließ die Person eintreten. Ein Mann, ungefähr so alt wie Marco, aber kleiner kam herein stolziert. Dicht gefolgt von Robin, der bei Marco einschlug. Er drehte sich um und wollte seine Jacke an die Garderobe hängen, als er mich bemerkte. "Oh hey Jana, Marco hat ja garnicht erzählt, dass du auch da bist. Wie gehts, alles klar?", fragte er und umarmte mich. Oh scheisse. Auch das tut weh. Er wird mich hassen! Ich nickte nur stumm und versuchte ihn nicht anzusehen. "Wirklich alles klar?", fragte er wieder. "Ja.. ja alles gut.", sagte ich schluchzend. Die Erkenntnis traf mich schon hart. Robin ist ein guter Kerl und ihn direkt so enttäuschen zu müssen, ist einfach nur scheisse. "Jana du weinst ja, was ist hier los?", fragte er, nahm mich in den Arm und drehte sich zu Marco. Ich löste mich aus meiner Starre und guckte ihn an. "Ich bin sicher, dass Marco euch das erzählen wird." Ich ging zu Marco an die Tür und blieb vor ihm stehen. "Es tut mir ehrlich leid! Ich liebe dich wirklich. Ich wünsche dir alles gute.", sagte ich unter Tränen und ging aus seiner Tür. Ich lief die Treppen runter und vernahm einen lauten Knall. Er hat die Tür zu geschlagen. Das war es also, das Ende. So schnell wie das Ganze kam, so schnell war es auch wieder vorbei. Wieder liefen Tränen über meine Wangen und tropften auf die Fliesen im Wohnhaus. Endlich kam ich unten an der Haustür an und konnte die frische Luft einatmen. Meine Güte, es tat so gut. Ich griff in meine Tasche um Alex oder Emily anzurufen, Ihnen kurz zu sagen was Sache ist. "Mist.", fluchte ich. In diesem ganzen Wirwarr fand ich alles, außer meinem Handy. Na klar, es lag noch auf Marco's Esszimmertisch. Scheisse. Aber egal, dafür laufe ich jetzt nicht zurück. Es ist ja eh total kaputt, also kann ich mir theoretisch auch ein neues kaufen. Wenn ich denn noch genug Geld auf meinem Konto habe. Ach scheisse. Mir war schon wieder zum heulen zumute, aber ich hatte einfach keine Lust mehr, weiter zu heulen. Ich kannte mich hier garnicht aus. Und ich hatte kein Handy um mich an Google Maps zu orientieren. Wenn es kommt, dann doppelt und dreifach, hat meine Oma immer gesagt. Und verdammt, sie hatte so recht damit!

***

Gott sei Dank, endlich Zuhause! Ich hatte mich in Dortmund durchgefragt zum Bahnhof, hatte gerade noch soviel Kleingeld für eine Fahrkarte und musste zum Glück nur 20 Minuten auf den Zug warten. Nur Nerven hatte ich keine mehr. Die sind glaube ich in Marco's Wohnung liegen geblieben. Ich war ihm nichtmal sauer, ist doch vollkommen verständlich. Ich habe ihn hintergangen, da kann ich ja nicht davon ausgehen, dass er mich in den Arm nimmt und sagt:'Alles gut Schatz, das passiert jedem mal.' Aber die Tatsache, dass er mir Dinge vorgeworfen hat, die nicht stimmen, regt mich so auf! Das wirft doch ein völlig falsches Bild auf mich. So bin ich nicht. So werde ich niemals sein. Ich bin nicht so eine aufgeblasene Schlampe. Zwei Typen! Zwei verdammte Typen. Und für den einen hege ich Gefühle. Sehr große Gefühle sogar. Oder bilde ich mir das nur ein? Ach was, dass ist einzig und allein, weil es alles so schnell ging. Ich liebe Marco und ich werde auch darum kämpfen, ich werde um ihn kämpfen! Immernoch traurig kam ich an unserem Wohnhaus an und sperrte die Tür auf. Im Treppenhaus lag ein herrlicher Geruch, die ältere Frau unter uns - die immer total klischeehaft, alles da hat, was wir brauchen, wenn wir es vergessen hatten einzukaufen - ist bestimmt wieder eine von ihren total leckeren Kuchen am backen. Gott, die Frau hat es so drauf. In Gedanken an diesen tollen Geruch, öffnete ich die Wohnungstür und vernahm Stimmen aus dem Wohnzimmer. Ohnee, bitte kein Besuch. Ich brauche gerade einfach nur einen tollen Mitbewohner DVD Abend. So wie wir ihn immer machen, wenn es einem von uns schlecht geht. Ich stellte meine Tasche lustlos neben meine Schuhe und schlürfte dann ins Wohnzimmer. "Hallo.", sagte ich leise in den Raum rein und gähnte. War der dumme Tag hier vielleicht anstrengend. Ich ließ mich auf die Couch blumpsen und öffnete meine Augen wieder. Aber ich traute ihnen nicht. "Papa?", fragte ich erstaunt. "Ich dachte schon du erkennst mich garnicht mehr.", lachte er. Um Gottes Willen. Mein Papa ist hier. Ich sprang auf und fiel ihm um den Hals. "Was verschafft mir die Ehre?" - "Ich war eh gerade in der Gegend." - "Wie nett." - "Ich habe mir heute extra frei geholt. Und was muss ich hören wenn ich hierhin komme. Jana ist bei ihrem Freund?" Autsch. Das war wohl das Letzte, worüber ich jetzt sprechen wollte. "Naja, jetzt wohl eher Ex-Freund.", sagte ich mit gesenktem Kopf. Die Tränen waren mir schon wieder nahe. "Wie? Was?", fragte mein Vater. "Erklärst du mir das vielleicht mal kurz?" Ich nickte. "Wir lassen euch wohl besser mal alleine.", sagte Alex und stand auf. "Ja, ich denke auch. Habt euch bestimmt viel zu erzählen.", sagte Emily und stand auch auf. Mein Vater nickte den beiden zu. "Also?" - "Es ist echt kompliziert." - "Jana, erzähl doch einfach." - "Okay, aber versprich mir was." - "Das da wäre?" - "Bild' dir keine falsche Meinung über mich." Er nickte. Ich atmete noch einmal tief durch und fing an zu erzählen. Von allem. Angefangen beim Praktikum, dann das Kennenlernen mit Marco, die Dinge die wir gemacht haben und dann Stuttgart. Ich erzählte auch wie es sich angefühlt hat jemand anderen als Marco zu küssen und das ich heute mittag mit Ihm geschlafen habe. Natürlich musste mein Vater schlucken, wäre ich nicht so traurig gewesen und hätte den ganzen Mist nichtmal loswerden müssen, hätte er dieses Detail mitsicherheit auch nicht erfahren. Aber andererseits. Das ist normal, total normal. Ich meine, wir sind alle entstanden, weil unsere Eltern Sex hatten. So ist es halt. "Das ist also aus meinem kleinen Mädchen geworden." - "Ach Papa, jetzt ist wirklich nicht die Zeit für unlustige Witze." - "Ich weiß. Aber so leid es mir tut. Du bist selbst daran schuld. Gib ihm jetzt erstmal Zeit und dann meldest du dich bei ihm. Aber überstürze nichts. Und dann möchte ich, dass mir der gute Mann vorgestellt wird." - "Du glaubst also echt, dass das nochmal was werden kann?" - "Wenn man will, schafft man alles.", sagte er mit einem lächeln. Ich war unsicher. Aber wann war ich das mal nicht.

Can it be real?Where stories live. Discover now