21. Türchen

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Rosa meinte sie müsse uns noch schnell ein paar Weihnachtsplätzchen einpacken, auch nachdem ich schon gesagt hatte, es wäre nicht nötig. Während sie in der Küche Plätzchen von der Dose mit dem Weihnachtsmann darauf in zwei Tüten umfüllte, setzte ich mich neben der Haustüre auf meine Reisetasche und sah mich um. Ich war alleine im Flur und wurde nachdenklich.
Genau wusste ich noch, als ich vor ein paar Tagen hier rein gestiefelt kam. Verzweifelt und ratlos, was mit dem Zug passiert war und wieso mitten in der Pampa ein Haus stand, welches ich nur kurze Zeit später für das vom Weihnachtsmann hielt. Irgendwie hatte ich das Gefühl etwas hier hatte mich verändert. Ob es jetzt Rosa, Cody oder sogar Davin war, konnte ich nicht genau sagen, aber ich hatte das Gefühl ich wäre ein kleines Stückchen ein besserer Mensch geworden. Wie das klingt. Als wäre ich davor irgendein schlimmes Mädchen gewesen, das den Fünftklässlern ihr Taschengeld abzog. Nein, ich meinte dass eher im übertragenen Sinne. Ich hatte das erste Mal seit sehr, sehr langer Zeit wieder das Gefühl richtig gemocht zu werden. Vielleicht war das ja alles Schicksal. Schicksal welches mich hier her gebracht hatte um zu erkennen wer ich tief in meinem Inneren bin. Aber irgendwie hatte ich auch so ein Gefühl, dass alles was ich hier wieder an meiner alten Persönlichkeit vor Pinas Unfall zurück bekommen hatte, auch in dem Haus bleiben würde und mich wieder genauso schnell verlassen würde, wie es zurück kam. Ob da jetzt Davin Schuld war oder einfach die Tatsache bald wieder im Alltagstrott zu landen, weiß ich nicht mehr.
Ich legte den Kopf auf meine Knie und lehnte mich nach hinten an die Wand. In einer Woche würde ich wieder in der Großstadt leben, etwas Studieren was ich eigentlich gar nicht wollte und nur tat um meinen Vater glücklich zu machen, niemanden zu kennen und mit einer Mitbewohnerin zusammen zu wohnen, die ich nicht mochte und deren Stalker Ex mir tierisch auf die Nerven ging. War es wirklich das, was ich mir vorstellte und was ich später mal meinen Kindern erzählen wollte?

 „Es kann losgehen.“, sagte Rosa und reichte mir eine Tüte Plätzchen. Ich zog mich an ihrer Hand, die sie mir reichte, hoch. Davin kam aus der Küche. Er trug eine graue Strickmütze. Ich bemühte mich ihn nicht anzuschauen, auch als ich merkte wie seine Augen auf mir klebten. Ein gutes hatte die Abreise, ich müsste ihn nicht mehr sehen.
Es war kalt als wir raus gingen. Auf dem Weg in die Garage zeichneten sich unsere Fußabdrücke im Schnee ab. Wir stiegen ein. Davin und ich saßen auf der hinteren Rückbank, so wie wenige Stunden zuvor auf der Heimfahrt vom Weihnachtsmarkt. Das einzige was anders war, war der Abstand der zwischen uns war. Cody stand an der Eingangstür, als wir losfuhren. Ich wank ihr zum Abschied zu. Dann blickte ich nach draußen, während Rosa über den Waldweg preschte, es draußen leicht anfing zu schneien und im Radio driving home for Christmas lief.
Ich schloss die Augen und versuchte nicht zu weinen. Keine Ahnung warum ich das Gefühl hatte, ich könnte es nicht mehr lange zurück halten. Vielleicht lag es ja nur daran, weil ich den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte.

Ich merkte wie das Auto langsamer wurde.
„Ja, genau hier.“, sagte Davin. Leicht blinzelte ich mit meinen Augen. Erst nach ein paar Sekunden und als Rosa schon angehalten hatte, bemerkte ich wo wir waren. Die gelbe Fassade und die weiße große Tür kamen mir doch bekannt vor. Wir standen vor meinem Haus.
Ich rieb mir kurz in den Augen und stieg dann, nachdem mich Rosa aus dem Rückspiegel heraus leicht angelächelt hatte, aus. Davin stand auch auf.
„Und ich soll dich wirklich nicht bis zu dir nach Hause fahren?“, fragte Rosa ihn.
„Nein, kein Problem. Ich hab‘s nicht so weit.“ Kurz sah er zu mir, weil ich genau wusste, dass er nicht hier wohnte. Aber ich sagte nichts. Sollte er doch verhungern, erfrieren oder sonst was.
Rosa zog meine Tasche aus dem Kofferraum und auch Davins Rucksack reichte sie ihm.
„Ihr könnt mich gerne mal besuchen kommen. Meine Tür steht immer für euch offen.“, sagte sie und drückte uns beide gleichzeitig an sich. Diesmal spürte ich nicht Davins Arm um meiner Hüfte.
„Klar komm ich dich mal besuchen.“, sagte ich zu ihr. Davin nickte ihr lächelnd zu.
„Danke für alles.“, sagte er als wir uns wieder losgelassen hatten.
„Ich hab euch zu danken. Wärt ihr beide nicht gekommen, hätten wir den Kindern in den Heimen niemals eine Freude machen können.“ Sie strich mir über den Oberarm. Ich zitterte, es lag wahrscheinlich an der Kälte.
„Jetzt ab nach Hause mit euch, bevor ihr euch noch erkältet.“, sagte sie schnell.
ich lächelte sie an.
„Tschüss.“, sagte ich, als ich schon auf dem Weg zur Haustür war. Rosa stieg ein und fuhr los. Auch ihr wank ich noch zu. Davin stand noch genau am selben Ort, an dem uns Rosa verabschiedet hatte. Ich warf einen kurzen Blick in den Carport, unser Auto stand da. Ohne nochmal zu Davin zu schauen, ich wusste er sah zu mir, schloss ich die Tür auf und ging hinein. Es roch wie immer nach dem Lavendelduft den Mama so liebte und der von einem elektrischen Raumerfrischer kam. Kein bisschen Weihnachtsstimmung lag in der Luft. Ich lief ein Stück gerade aus.
„Ich bin da.“, sagte ich freudig und hoffte, eine ebenso freudige Antwort zurück zu bekommen.
Mein Bruder saß vor dem Fernseher und spielte Playstation mit einem Freund. Ming kam mit einem Geschirtuch aus der Küche.
„Ach hallo.“, sagte sie und sah mich entsetzt an, „zieh bitte die Schuhe laus, ich habe glade flisch geputzt.“ Meinte sie mit ihrem Akzent. Mein Bruder rührte sich kein Zentimeter und ich zog genervt meine Schuhe aus. Hätte ich mir ja denken können, dass es wieder niemand interessierte ob ich da war oder nicht und die Whatsapp Nachricht, die von Mama kam, als ich vor ein paar Tagen auf dem Weg nach Hause war, wieder nur von Pia getippt wurde um mich glauben zu lassen ich wäre Mama nicht ganz so egal.
Ich lief mit meiner Tasche nach oben, Ming verschwand wieder in der Küche, wo sie weiterspülte.
Die Tür zu Mamas Arbeitszimmer war nur angelehnt. Ich ging rein.
„Hallo Mama.“, sagte ich.
„Huch.“ Sie zuckte zusammen, „erschreck mich doch nicht so.“
„Tut mir leid.“, meinte ich schnell.
„Macht ja nichts. Du entschuldigst dich für etwas? Bist du krank?“ Als ich keine Antwort gab und mich nur auf die Lehne des Sessels in der rechten Ecke setzte, sprach sie weiter. „Wie war es bei der Freundin? Musstet ihr was für die Uni machen?“, sagte sie. Ich war verwirrt.
„Welche Freundin?“, meinte ich und strich mir eine Haarsträhne hinter das Ohr.
„Ich dachte du warst bei einer Freundin. Ihre Mutter hat mich doch angerufen, wegen…. .“, sie stockte kurz. „ja, das du eben noch bei ihr bist.“
Ich wusste es. Meine Mutter hatte Rosa nicht mal richtig zugehört und keine Ahnung wo ich überhaupt war. Das Telefon neben ihrem PC klingelte lautstark.
„Ja?“, meldete sie sich. „Ach Herr Walter, … .“
Mir reichte es. Ich verschwand aus ihrem Zimmer. Es war unfassbar. Einfach unfassbar.

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Hey.
Noch dreimal schlafen, dann ist Heilig Abend.
Habt ihr schon alle Weihnachtsgeschenk besorgt?

Einen schönen Abend, Morgen oder Mittag noch, je nachdem wann ihr das hier liest. :)

Lysell <33

Driving home for ChristmasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt