22. Türchen

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Lautstark knallte ich die Tür zu meinem Zimmer hinter mir zu, hob die Bettdecke hoch und kroch darunter. Dann packte ich mein Handy und mein Ladekabel, so gut es ging ohne aufzustehen, aus meiner Tasche aus und steckte das Kabel in die Steckdose und mein Handy in das Ladekabel. Ein paar Minuten wartete ich ab, dann drückte ich auf den Anschaltknopf und lies es hochfahren.
Das erste was hell auf meinem Display aufleuchtete waren fünf Nachrichten von Pascal.
‚Mia?‘
‚Bist du sauer auf mich?‘
‚Sollen wir uns treffen?‘
‚Meine Eltern sind nicht zu Hause. Du kannst zu mir kommen.‘
‚Mia? Wieso antwortest du nicht?‘
Ich drückte gleich wieder auf den Tastensperrknopf, legte den Kopf auf meine Kissen und schloss die Augen. Gerade jetzt, wo sowieso so ein Chaos in meinem Kopf herrschte, musste Pascal auch noch ankommen. Normalerweise würde ich ihm jetzt einfach aus dem Weg gehen und so die Situation regeln. Da er aber im gleichen Dorf wie ich wohnte und dieses nun mal nicht größer ist als eine Straße in Köln ist, würde der Plan wohl nicht ganz so gut aufgehen. 
Ich versuchte vergeblich meine Gedanken auf ein anderes Thema wie Davin, meine Familie oder Pascal zu richten. Doch im Endeffekt dachte ich dadurch nur noch mehr darüber nach und bemerkte nach einer Stunde in meinem Bett, dass meine Gedanken schon ganz fusselig deswegen geworden waren. Nachdem ich schon zum sechsten Mal die Runde bei Candy Crush verloren hatte, weil ich mich einfach nicht darauf konzentrieren konnte, stand ich genervt auf. Als ich die Treppe nach unten lief, hörte ich wie meine Schwester redete.
„Ja okay. Dann bis übermorgen…Ich dich auch.“, sagte sie. Anschließend hörte ich wie sie unser Haustelefon auf die Station stellte. Es war bestimmt ihr Freund mit dem sie Telefoniert hatte. Das war so unfair. Sie hatte jemand den sie mochte und der sie auch mochte. Ich hingegen hatte zwei totale Volldeppen. Den einen mochte ich nicht und den anderen…ja, den schon. Doch mit dem war es zu kompliziert.
„Da bist du ja.“, sagte Pina, während ich auf sie zu in unser Wohnzimmer stapfte.
Aus der Küche hörte man die Abzugshaube. Ming kochte, obwohl Mama zu Hause war.
„Wo soll ich denn sonst sein.“, sagte ich monoton, lies mich rücklings aufs Sofa fallen und schlug ein Magazin, welches auf dem Wohnzimmertisch lag, in der Mitte auf.
Pina rollte mit ihrem Rollstuhl bis zu dem Sofa heran.
„Ich weiß nicht. Nicht zu Hause vielleicht?“ Ich gab keine Antwort.
„Sag mal, ist was? Du bist so komisch.“ Pina drückte die Bremsen ihres Rollstuhles herunter.
„Nein. Es ist alles bestens. Was soll denn auch sein?!“, gab ich ironisch zurück ohne von meiner Zeitschrift aufzuschauen.
„Ich versteh ja, dass es stressig in der Uni ist und ich fände es auch nicht toll, wenn ich in den Ferien noch mit jemand dafür büffeln müsste. Aber bitte lass deine schlechte Laune nicht an uns raus.“ Ihre Stirn legte sich in Falten. Toll. Die ganze Familie hatte keine Ahnung wo ich wirklich die letzten Tage war.
„Boor.“, gab ich von mir.
„Essen.“, sagte Ming und stellte schon mal einen Topf auf den Tisch. Ich sprang auf. Von oben hörte ich schon wie Tristan her gestürmt kam, dann die Treppen runter polterte und sich auf sein Platz schmiss. Auch Papa beeilte sich auf den Stuhl, auf dem er immer saß, zu kommen und seine erste Portion auf den Teller zu Laden. Wie die Geier.
Pina, Mama und ich kamen fast gleichzeitig an den Tisch. Ming streifte sich ihre Jacke über.
„Guten Appetit.“, meinte sie und ging dann, wie immer wenn wir zu Abend aßen.
Es gab Nudeln. Ich stocherte lustlos darin herum und dachte nach. Wie wäre es wohl, wenn ich jetzt bei Rosa wäre. Bestimmt gäbe es Lasagne oder so etwas. Und sie würde mir nach jedem Teller, den ich gegessen hatte, wieder etwas darauf laden, obwohl ich schon satt war.
„Ach Mia. Ich wollte noch sagen, dass ich es eigentlich nicht okay finde, wenn in unserem Haus so dermaßen die Türen geknallt werden, dass mein Patient am Telefon denkt, bei uns wäre der dritte Weltkrieg ausgebrochen.“, meinte Mama und sah mich bittend an.
„Das war nur eine Wut-Abregungs Maßnahme. Ist Pädagogisch bewiesen, dass es gestressten Kindern hilft, nicht irgendwann mal die eigenen Eltern umzubringen.“, sagte ich trocken und spießte eine Nudel auf meine Gabel. Pina schmunzelte.
„Sag mal. Was bist du denn schon wieder so geladen?“, fragte sie mich entsetzt. „Hätte ich gewusst, dass du wieder total unausstehlich bist, wenn du dich überarbeitest, hätte ich nicht erlaubt, dass du zu dieser Freundin gehst und nicht deine Ferien genießt.“
Ich knallte die Gabel auf den Rand des Tellers. Alles war still, sogar Tristan hörte auf wie ein Wilder zu schmatzen.
„Würdest du nur ein beschissenes Mal zu hören, wenn es um mich geht, wüsstest du jetzt genau, dass ich nicht bei einer Freundin war. Bei welcher denn auch? Ich hab keine Freunde in Hamburg. Um genau zu sein, ist das einzige was mich dort hält, Papa nicht zu enttäuschen.“, schrie ich.
„Aber Mia. Das hättest du mir doch sagen können. Du hättest doch nochmal anrufen können.“, sagte Mama endgültig verwirrt.
„Ach hätte ich das? Dann wäre es wieder so abgelaufen wie immer. Du hörst nicht zu und bist nur mit den Dingen beschäftigt die uns als perfekte Familie darstellen lassen. Ich habe in den letzten Tagen eine Frau kennengelernt und ich hab mir gewünscht du wärst nur annähernd ein Stück wie sie.“
„Von was redest du?“, sagte Mama und legte ihre Gabel langsam in den Teller.
„Ich war nicht bei einer Freundin. Ich war in Dänemark. Aus mir immer noch nicht klaren Gründen, waren wir im falschen Zug und sind nach Dänemark gefahren. Mir hätte sonst was passieren können. Aber daran denkst du gar nicht.“, schrie ich immer noch. Mit einem Ruck stand ich auf, der Stuhl fiel nach hinten um. Keine Ahnung was meine Mutter noch sagte. Ich wollte einfach nur noch in mein Bett. Nichts mehr hören und nichts mehr sehen.

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Was denkt ihr was passieren wird?

Lysell <33

Driving home for ChristmasWhere stories live. Discover now