Kapitel 34

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Leider hatte ich in der nächsten Stunde zusammen mit Jason Unterricht. Er ist die Person die ich im Moment am wenigsten sehen möchte, was glaube ich jeder versteht. Mir bleibt aber nichts anderes über als Augen zu und durch. Schließlich geht es hier immer noch um die Gruppenarbeit und ich habe keine Lust eine schlechte Note zu bekommen nur weil Jason das größte Arschloch des Universums ist. Wer weiß vielleicht hab ich auch einfach mal Glück und wir müssen dieses Komische Projekt nur abgeben und nicht noch vor der Klasse vorstellen das fehlt mir auch noch. Oder Jason stellt es zur Not alleine vor und ich bin einfach nur stiller Beobachter. Ich habs ich halte einfach das Plakat und Jason redet.

„Hör zu ich weiß das vorhin war scheiße. Ich hätte es dir nicht vor allen so ins Gesicht klatschen sollen aber es war nun mal eben die Wahrheit auch wenn sie schwer zu akzeptieren ist. Aber wäre es vielleicht für diese Stunde möglich das du dein Kindisches verhalten und deine Schmollerei bei Seite lässt und mal einen auf Erwachsen machst, ich habe keinen Bock ne schlechte Note zu bekommen nur weil du dich wie ein kleines Kind aufführst." Hab ich schonmal erwähnt wie abgrundtief ich mittlerweile Jason verachte? Ich meine ist das gerade sein scheiß ernst? Ich benehme mich wie ein kleines Kind, dabei war er es doch der mit der Abfuhr nicht leben konnte und mir dann vor der ganzen Schule einen rein drücken musste.

„Weißt du was Jason? Mir ist das scheiß egal was du sagst. Lass uns einfach dieses scheiß Projekt hinter uns bringen und hoffen das wir uns danach nie wieder treffen oder mit einander reden müssen. Ich glaube mittlerweile hasse ich dich genauso sehr wie du mich und wir sind beide froh wenn wir das alles hinter uns haben." Mit diesen Worten drehte ich mich wieder nach vorne da unsere Lehrerin mittlerweile den Raum betreten hatte. „So heute beschäftigen wir uns mit den Projekten die ihr in den letzten Wochen in Zweiergruppen erarbeitet habt. Ich werde gleich nach und nach ein paar Gruppen aussuchen die vor der Klasse bitte dann ihr Projekt vorstellen werden." War ja klar. Das Schicksal hasst mit aus tiefsten Herzen. Wir hatten immerhin das Glück nicht die ersten zu sein. Unsere Lehrerin suchte sich nach und nach eine Gruppe raus. Ich hatte schon fast die Hoffnung doch noch heil aus dieser ganzen Sache rauszukommen, doch ich habe mich geirrt den als einer der letzen Gruppen fiel dann schließlich unser Name.

Als wir vorne standen vor der Klasse wurde mir gleich ganz anders ich hasse es im Mittelpunkt zu stehen besonders seit damals. Mit einem Blick auf meine Unterlagen wurde ich immer nervöser. Mir wurde heiß und kalt gleichzeitig und mir wurde so Übel, dass ich dachte ich übergebe mich gleich in den Rucksack des Schülers der vor mir sitzt. Ich spürte wie mein Hals sich nach und nach zuschnürte. Kurz bevor ich dachte das ich gleich zusammenklappe spürte ich eine Hand die sich auf meinen Rücken legte. Jason kam mir unauffällig näher. „Klapp mir ja nicht zusammen. Atme einfach einmal tief durch und stell dir vor du sitzt wieder wie damals in meinem Zimmer und erzählst mir von deiner Geschichte. Sieh es als Gelegenheit den anderen und auch mir zu zeigen was du eigentlich wegen und durchgemacht hast. Du hast jetzt endlich mal die Gelegenheit den anderen die Augen zu öffnen. Ich bin auch hier." Auch wenn er ein Arsch ist kann man sagen das er manchmal auch eine gute Seite hat, die leider viel zu selten ans Licht kommt. Doch er hat recht, dass ist meine Chance.

Jason fing an unsere Mitschüler über die Grundidee unseres Themas zu informieren. Er erzählte wie es überhaupt soweit kommen kann dass sich jemand umbringen will. Er erzählte auch die Geschichte von Jess. Am Anfang waren unsere Mitschüler noch lustig drauf und haben immer wieder ein paar dumme Kommentare losgelassen doch umso mehr wir erzählten umso ruhiger wurde die Klasse.  Nach einiger Zeit war ich dann dran meine Geschichte zu erzählen. Am Anfang war es noch schwer doch es wurde immer leichter, ich erzählte von dem Unfall mit meiner Mutter und der Reaktion von meinem Vater. Ich erzählte alles von den Mobbing Attacken in der Schule bis hin zu meinem Selbstmordversuch. „Ich saß in meinem Zimmer auf dem Bett. Man könnte zwar jetzt meinen dass ich mich verloren und einsam fühlte aber die Wahrheit ist das ich in diesem Moment garnichts  Gefühlt hab, ich habe keine Trauer, keine Angst und keine Wut gefühlt. Ich wollte einfach das alles zu Ende ist. In dem Moment als ich die Tabletten geschluckt habe, war mein einziger Gedanke den ich hatte, ob diejenigen die mir das angetan haben zufrieden sind, ob ich jetzt endlich meine Ruhe habe. Leider hatten die Tabletten nicht so gewirkt wie ich es mir gewünscht hatte. Ich wurde nicht wie gehofft bewusstlos. Ich spürte wie mir die Luft immer mehr ausging. Irgendwann ging die Tür auf und einer meiner Brüder hat sich über mich gebeugt, ich sah sein Tränenverschmiertes Gesicht und hörte die Schreie um Hilfe. Ihr denkt vielleicht das ein einziger dummer Kommentar ja nicht so schlimm ist. Man kann sich ja auch anstellen. Aber die Wahrheit ist, dass ihr alle so denkt. Es ist ein Unterschied ob es ein dummer Kommentar ist oder 5o dumme Kommentare. Keiner von euch weiß wie es ist sich jeden Tag anhören zu müssen wie Hässlich man ist, wie dick man ist oder das man sich doch bitte umbringen soll damit man nicht jeden Tag sein blödes Gesicht sehen muss. Keiner hat nur einen Gedanken daran verschwendet wo das ganze hinführen kann und was man der Familie dieses Opfers antut. Mein Bruder liest sich jeden beschissenen Tag meinen Abschiedsbrief durch, da er denkt er hätte  als Bruder versagt.  Als ich nach sehr vielen Therapiestunden wieder zuhause war haben meine Brüder geglaubt das es mir wieder besser geht und ich habe sie in diesem Glauben gelassen, obwohl es eine Lüge war. Mir ging es genauso wie vorher, nur dass in meinem Kopf immer wieder die gleiche Frage aufgetaucht ist und zwar wen ich so verärgert habe das ich immer noch hier sein muss. Es ist einfach keine Freude oder Lust am Leben da. Ich sitze jeden verdammten Tag hier bei euch in diesem Raum. Ich höre was ihr sagt. Ihr traut euch nicht diese Sachen mir ins Gesicht zu sagen, stattdessen sagt ihr das hinter meinem Rücken aber ich bekomme es trotzdem alles mit. Eure Sprüche von wegen „Ist das nicht die, die zu dumm war sich umzubringen" es verletzt einen immer wieder sowas zu hören. Bis vor einer Woche wollte ich dass alles aufhört und dieses Mal alles klappt und ich wirklich weg bin. Glaubt mir ich wollte euch diesen Gefallen nur zu gerne geben. Aber ich habe inzwischen sowas wie richtige Freunde gefunden die für mich da sind und mir immer zur Seite stehen egal was passiert. Ich bin so unglaublich glücklich. In meinem Leben was bis jetzt fast nur aus Angst, Wut und Trauer bestand auch mal sowas wie Freunde zu finden, die mich nicht ändern wollen. Mit diesem ganzen Gerede möchte ich euch keine Vorwürfe machen oder so. Ich möchte einfach nur das ihr bevor irgendein Kommentar fällt, ihr euch darüber klar werdet dass ihr keine Ahnung habt was bei dieser Person gerade im Leben los ist. Wenn ihr irgendwo jemanden sitzen seht der alleine oder traurig aussieht, geht auf die Person zu und redet mit ihr. Fragt sie ob ihr ihr irgendwie helfen könnt. Wer weiß wäre damals irgendjemand auf mich zugekommen vielleicht hätte sich so einiges vermeiden lassen."

Good Girl or BadWhere stories live. Discover now