Kapitel 23

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Ruhm gibt uns Selbstvertrauen. Ruhm versichert uns, dass das was wir tun bei anderen gut ankommt. Die positive Aufmerksamkeit beschert uns ein beflügelndes Gefühl.

Und so liefen auch am Montag nach dem ersten Spiel der Saison die Spieler mit aufrechter Haltung und stolzgeschwellter Brust durch die Schulgänge der Huntsville High.

Amber rollte mit den Augen, als Matt während des Geschichtsunterrichts zum gefühlt fünfhundertsten Mal von seinen Field Goals erzählte. Owen schüttelte immer wieder lachend den Kopf, hörte ihm jedoch geduldig zu.

Auch während der Mittagspause ließen die Erzählung nicht nach. Jeder Spieler berichtete von dem Spiel, als wäre niemand da gewesen. Doch sie waren alle vor Ort. Sie hatten alle gesehen, wie Whitehill keine Chance hatte. Sie sahen mit ihren eigenen Augen, wie gut Huntsville wirklich war.

„Owen, du kommst doch noch zum Training, oder?", fragte Matt plötzlich, als sich alle anderen Spieler am Tisch der Mensa weiter über das Spiel unterhielten.

Owen nickte langsam, während er auf seinem Essen kaute. „Coach hat nicht gesagt, dass ich nicht mehr kommen darf, also versuche ich es einfach", meinte er und zuckte mit den Schultern.

Amber entging das Zucken seiner Mundwinkel nicht. Sie wusste, dass ihm das Footballspielen viel wichtiger war, als er zeigte. Seine Zukunft hing daran. Und zu wissen, dass Scouts bei Spielen anwesend waren, bei denen er eigentlich auf dem Rasen stehen sollte, war für ihn sicherlich nicht einfach. Sie lächelte ihm kurz zu, doch er sah nicht zu ihr. Sein Blick war auf die Tischplatte gerichtet, als er mit seinen Gedanken beschäftigt war.

Denn so ist das mit Ruhm. Es betrifft die, die ihre gute Leistung unter Beweis stellen können. Wenn Leute nicht sehen, wie gut du wirklich bist, schenken sie dir auch keine Aufmerksamkeit.

***

Als Owen nach Unterrichtsschluss den Rasen des Footballfeldes betrat merkte er, wie sich die Stimmung im Team veränderte. Selbst durch die Ausrüstung konnte er ihre angespannten Schultern erkennen, ihre Mimik war unter den Helmen angestrengt. Er joggte auf Anthony zu, der einen Ball in der Hand hielt und ihn immer wieder ein paar Zentimeter nach oben warf, um ihn dann mit seiner anderen Hand wieder zu fangen.

„Hey, was ist hier los?", fragte Owen, als er neben Anthony stehen blieb.

Anthony drückte den Ball in seinen Händen zusammen und nickte zum Seitenrand des Feldes. „Wir haben Besuch von East Tennessee." Er schluckte einmal. „Angeblich kommen heute noch andere Scouts von echt krassen Unis."

Owen sah mit großen Augen zum Seitenrand. Und tatsächlich. Da stand ein Mann im Anzug, um die fünfzig Jahre alt, der auf seinem Handy rumtippte. Owens Herz pochte schneller. Er konnte sein Glück kaum fassen. Heute würde ihn zum ersten Mal ein Scout live sehen. Wenn auch nur während des Trainings. Aber das war Owen egal, er wusste, dass er alles geben würde um den Anzugträger von sich zu überzeugen.

Owen sah wie Anthony die Augenbrauen dicht zusammenzog. „Willst du bei East Tennessee spielen?"

„Oh nein, ich werde nach Florida gehen", Anthony sah kurz zu Owen, bevor er seinen Blick wieder zu dem Scout richtete. „Wir wurden noch nie von Colleges während des Trainings besucht."

Owen konnte ihn nicht weiter fragen, wieso nun ein Scout auftauchte, da der Coach über den Rasen lief und in seine Trillerpfeife pustete. Die Spieler sammelten sich in einem großen Kreis um ihn herum, der Besucher von East Tennessee war zunächst vergessen.

Nach einer Woche kannte Owen die Abläufe des Trainings. Sie machten sich zunächst gemeinsam warm, bevor die Spieler der verschiedenen Positionen gemeinsam Spielabläufe erlernten und übten.

Er stand gerade am Seitenrand um durchzuatmen, als Logan an der Reihe war einen neuen Spielzug zu proben. Der Schweiß lief ihm unter seinem Helm übers Gesicht, die Sonne brannte auf seiner Haut. Der Herbst wollte noch nicht so recht kommen, obwohl sich Owen in dem Moment nichts sehnlicher wünschte.

Ein lautes Räuspern war plötzlich hinter Owen zu hören. Er drehte sich danach um und sah dem Anzugträger direkt in seine blauen Augen. „Wie heißt du?", fragte der Scout ihn aus dem nichts.

„Ähm..." Owen schaute kurz zur Seite um sich zu vergewissern, dass auch wirklich er gemeint war. Doch als er bemerkte, dass alle anderen mit dem Training beschäftigt waren und der Mann wirklich ihn ansprach, stieg sein Puls in die Höhe. „Ich bin Owen Anderson, sir", antwortete er schließlich.

„Anderson", der Scout machte eine kleine Pause. „Mein Name ist Thomas Roger, ich bin von der East Tennessee."

„Schön sie kennenzulernen Mr. Roger", sagte Owen, während er sich seinen Helm vom Kopf nahm und ihn nun in einer Hand an seiner Seite festhielt.

Der Scout verschränkte seine Arme vor der Brust. „Wir haben von eurem Spiel am Freitag gehört, aber dein Name stand auf keinem Bericht."

Owen kratze sich am Hals. „Ich habe am Freitag nicht gespielt."

„Und wieso nicht?"

„Naja, also", er räusperte sich. „Also ich bin nach den Sommerferien erst nach Huntsville gezogen und..." Weiter kam er gar nicht. Die schrille Trillerpfeife und der Blick des Coaches zeigten Owen, dass er sich nicht mehr länger mit dem Scout unterhalten sollte.

„Wir reden ein anderes Mal, ich will dich nicht weiter vom Training ablenken", sagte Mr. Roger und zückte sein Handy, bevor er wieder auf dem Display herumtippte.

Owen blieb noch ein paar Sekunden stehen, ehe er sich den Helm wieder aufsetzte und zu der Gruppe joggte, mit denen er noch vor ein paar Minuten trainierte. Anthony klopfte ihm kurz auf die Schulter und begann ihm Pässe zuzuwerfen. Er spürte die Blicke von Mr. Roger auf sich. Doch als das Training vorbei war und Owen nochmals seine Chance nutzen wollte, war der Scout auch schon verschwunden.

Hail Mary | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt