Kapitel 42

1.4K 81 5
                                    

Die Woche verging überraschenderweise schneller, als gedacht. Heute war das Ereignis in Huntsville: Das große Finale der Regionalmeisterschaft.

Amber sah Owen nur während des Geschichtsunterrichts. Und wenn sie in der Mensa neben Jessica saß, hatte es sich Owen schon an der anderen Seite des Tisches gemütlich gemacht. Sie spürte seine Blicke, den Drang mit ihr zu reden, doch jedes Mal, wenn sie wirklich die Chance dazu hätte, traute sich keiner der Beiden den letzten Schritt zu machen.

Am Donnerstag, ein Tag vor dem großen Finale war gerade der Geschichtsunterricht beendet, als Owen und Amber die letzten im Klassenzimmer waren. Eine Sekunde lang sahen sie sich in die Augen und Amber meinte alles wieder spüren zu können. Die Hitze, die jedes Mal ihren Hals bis in ihre Wangen hinaufwanderte, das Pochen ihres schnellen Herzschlages, und die Schmetterlinge, die in ihrem Bauch umherflatterten. Er hatte ihr kurz zu gelächelt, doch als sie ihren Mund öffnete, um etwas zu sagen, hatte er sich schon zum Ausgang gedreht.

Also saß sie nun hier, zwischen den Freundinnen der Footballspieler am wichtigsten Tag in Huntsville. Jessica saß neben ihr, ihre Augen auf ihren Freund fixiert. Und alle anderen Mädchen um sie herum sahen mit verliebten Blicken ihre Freunde an, die an diesem Tag zu Helden werden konnten. Sie fühlte sich fehl am Platz. Denn eigentlich sollte sie zu dieser Gruppe gehören: Die Freundinnen der Spieler. Doch Owen war nicht ihr Freund. Noch schlimmer, sie hatte seit Wochen nicht mehr mit ihm geredet. Sie fühlte sich falsch hier zu sitzen und so zu tun, als ob sie zu dieser Gruppe gehören würde.

Amber zog den Reißverschluss ihrer roten Sweatshirt Jacke etwas weiter nach oben, als ein kühler Wind über den Footballplatz wehte. Ein Glück würde die Footballsaison nach diesem Spiel beendet sein. Stunden in dieser Kälte zu sitzen hielt doch keiner mehr aus.

„Wenn sie es genauso spannend machen wie letztes Jahr im Halbfinale, gehe ich früher. Das halte ich nicht nochmal aus", meinte Jessica neben ihr und erntete Zustimmung von ihren Freundinnen.

„Jess, sag deinem Freund er soll halt einfach oft genug in die Endzone laufen." Eine Freundin mit langen schwarzen Haaren stupste Jessica in die Schulter. Amber muss eine Zeit überlegen, da sie die ganzen Namen immer wieder durcheinanderbrachte.

„Pff, Kenzie ich bin nicht diejenige die ihrem Freund sagen muss, wie er zu spielen hat." Jessica lachte und erlöste Amber von ihren Gedanken, wie die hübsche Freundin des Verteidigers nur hieß.

Das Gelächter um sie herum verstummte und wurde von lauten Zurufen abgelöst, als die Mannschaften auf den Rasen liefen. Ambers Herz pochte so schnell, obwohl sie noch nicht einmal Owen in seiner Ausrüstung entdeckt hat. Sie hatte es sich schon selbst heimlich eingestanden, dass sie in den letzten Monaten zu einem großen Footballfan wurde. Während sie vor dem Sommer nur wusste, dass zwei Teams versuchen Touchdowns zu erzielen, hatte sie jetzt so viel dazu gelernt und auch noch richtig Spaß dabei gehabt. Doch sie wusste auch ganz genau, dass sie nur dank Owen die Zeit so genossen hatte.

Ein Lächeln wanderte auf ihre Lippen, als sie ihn endlich unter den ganzen Spielern entdeckte. Seine Uniform hing eng an seinen Muskeln, zwei schwarze Steifen hatte er sich auf die Wangen gemalt. Er war zwar weiter weg, doch sie sah die Entschlossenheit in seinem Gesicht. Diese Entschlossenheit, die sie Inspirierte das zu tun, für das ihr Herz schlug. Die Entschlossenheit, die sie immer in seinem Gesicht sah, wenn es um Football ging. Die Entschlossenheit, die kein bisschen in seinen Augen zu erkennen war, als er ihr sagte, dass sie keine Zukunft hätten.

Amber spürte eine Hand auf ihren Rücken und sah zu Jessica, die sie mit einem fragenden Blick studierte. „Alles in Ordnung bei dir?"

„Ja, ich meine...also es ist nur so, ach du weißt schon", antwortete Amber und nickte in die Richtung, in der Owen war.

Jessica drückte Amber an sich heran, dass sie sich nun umarmten. „Logan hat mir erzählt, dass Owen in letzter Zeit anders ist. Und das war nicht positiv gemeint. Ihr müsst unbedingt reden."

„Seit wann interessiert sich Logan für Owen?"

„Seitdem er dem Coach während dem letzten Spiel seine Meinung gesagt hat."

„Er hat was?" Amber sah Jessica schockiert an, die nur grinste.

„Ach komm schon, war doch klar, dass die sich irgendwann in die Haare kriegen. Aber ist ja auch eigentlich egal. Nach dem Spiel werden sie nie mehr was miteinander zu tun haben und Owen hat doch auch schon sein Stipendium."

Amber schüttelte lächelnd den Kopf, als sie daran dachte, was Owen wohl zu Coach Nelson gesagt hatte. So richtig konnte sie es sich einfach nicht vorstellen.

Die Aufregung war in der Menschenmasse um sie herum deutlich zu spüren, als das Spiel begann. Und auch Amber konnte kaum ruhig sitzenbleiben. Laos stand sie nun mit Jessica an ihrer Seite und feuerte das Team der Huntsville High an.

Doch ihre Unterstützung kam nicht so recht bei dem Team an. Immer wieder wurden Bälle fallen gelassen oder vom gegnerischen Team abgenommen. Es war frustrierend. Immer, wenn Huntsville mal vorlegen konnte, glichen die Gegner in ihren gelben Trikots aus. Amber wusste in dem Moment, dass sie nie mehr Gelb tragen würde. Zu sehr hasste sie die Farbe nun. Ihre Hoffnung lag auf Owen. Um ehrlich zu sein, waren ihr die anderen Spieler auch vollkommen egal. Alles, was sie sich wünschte war, dass Owen dieses Spiel gewann. Denn er hatte es sich verdient mit dem größten Erfolg die Highschool zu verlassen und seine Karriere an der University of Tennessee zu beginnen.

Es war kurz vor dem vierten Quarter. Nicht mehr lange Zeit, um ein Spiel zu gewinnen. Die gelben Trikots führten mit vier Punkten, alles was nun half war ein Touchdown.

Amber sah zu Owen runter, als ihr Bein nicht mehr aufhörte wie wild auf der Tribüne zu wippen. Ihr Herz machte einen Sprung, als er ihr direkt in die Augen sah. Ein Lächeln spielte auf seinen Lippen, als er seine Hand hob und seinen Daumen in die Höhe streckte. Als wolle er ihr sagen, dass alles gut wird. Egal was.

Sie sah sich auf der Tribüne um, wollte sichergehen, dass sie nicht die Einzige war, die mit dem Nerven am Ende war. Und dann passierte es.

Ihre Augen landeten auf der Frau mit dem festen Dutt und den Perlenohringen. Ihre Mutter war tatsächlich hier, auf der Tribüne des Footballfeldes und sah zu, wie Huntsville das wichtigsten Spiel ihrer Geschichte absolvierte.

Hail Mary | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt