Hail Mary | ✓

Kapitel 43

Owens Lungen brannten, der Schweiß lief ihm das Gesicht runter. Mit schnellem Herzschlag beobachtete er das Spiel vor ihm. Sie waren mitten im vierten Quarter und hatten nur noch drei Minuten um das Spiel zu drehen. Vier Punkte würden ihnen reichen. Also musste mehr her als nur ein Field Goal. Sie brauchten einen Touchdown, um als Helden vom Platz zu gehen. Coach Nelson rief seine Mannschaft zusammen und Owen stellte sich neben Anthony, um die Worte des Coaches hören zu können.

„Ich will alle Wide Reciever auf dem Feld", begann er und die Trillerpfeife um seinen Hals hüpfte durch seinen schnellen Atem auf seinem runden Bauch herum. „Und ihr rennt. So schnell ihr könnt. Anthony wirf den Ball einfach so weit wie du kannst. Alles, was uns hilft ist ein verdammter Hail Mary."

Owen sah die Konzentration hinter Anthonys Augen, gemischt mit einer gewissen Portion Unsicherheit. Logan gesellte sich zu den Beiden und sah Owen in die Augen. „Du bist doch schnell, oder Anderson?"

Owen zuckte mit den Schultern. „Denke schon."

„Gut. Du rennst in die Endzone und ich übernehme den Bereich davor." Er drehte sich zu Anthony. „Egal wie weit du werfen kannst, einer von uns beiden wird den Ball schon fangen."

Anthony nickte, doch sein Blick war stur auf den Rasen vor ihm gerichtet. „Wir schaffen das Jungs."

Owen atmete tief durch. Alles worauf er sich nun konzentrieren durfte, war es so weit wie möglich und so schnell wie möglich zu rennen und dabei auch noch einen Football zu fangen. Es musste ihm egal sein, dass Logan mit ihm redete, als könne er ihn plötzlich ausstehen. Und auch musste es egal sein, dass er Amber das ganze Spiel über im Publikum beobachtete.

Mit voller Überzeugung, dass er und seine Mannschaft das Unmögliche möglich machen könnten, zog er sich den Helm über den Kopf und betrat das Spielfeld. Die Scheinwerfer trafen auf sein Gesicht und die lauten Rufe aus dem Publikum, gemischt mit einigen Trommeln waren nur noch ein Hintergrundgeräusch.

Eins. Zwei. So lang hielt er seine Augen geschlossen, bis der erste Ruf von Anthony kam, seine Muskeln zusammenzuckten und er seinen Sprint mit voller Wucht antrat.

***

„Mom?" Amber hatte Jessica vorgespielt, dass sie die Aufregung nicht mehr aushielt und die letzten Minuten lieber an einer ruhigeren Ecke sehen wollte. Doch in Wirklichkeit stand sie nun am anderen Ende der Tribüne, gegenüber ihrer Mutter.

Ihre Augen trafen auf Ambers und ihre Mundwinkel zuckten kurz nach oben, bevor sie sich wieder zu einer geraden Linie formten. „Ich dachte ich schau mir mal an, für was sich meine Tochter seit den letzten Monaten so begeistert." Ihre Stimme war diesmal leiser als sonst, Amber konnte in ihr keine Verurteilung raushören, so neutral sagte sie den Satz.

Amber setzte sich neben ihre Mom auf die Tribüne und verschränkte ihr Hände auf ihrem Schoß. Das Spiel vor ihr hatte noch immer dieselbe Intensität, die es vor einigen Minuten hatte. Doch ihre Gedanken kreisten sich im Moment viel mehr um die Frau, neben der sie plötzlich saß.

„Ich nehme an, dass das Spiel gerade an einem sehr wichtigen Punkt angekommen ist?", hörte Amber ihre Mom sagen.

„Wir brauchen vier Punkte um noch zu gewinnen. Sie müssen also jetzt einen Touchdown erzielen."

„Und ist das machbar?"

Amber zuckte mit den Schultern. „Es würde an ein Wunder grenzen, aber es wäre sicherlich nicht unmöglich."

„Na dann hoffen wir doch mal für das Beste." Ihre Mom legte eine Hand auf Ambers.

„Mom, du bist doch nicht wirklich hier um dir nur ein Footballspiel anzugucken, oder?" Amber beobachtete, wie ihre Mom ihren Kopf senkte und ihre Augen schloss.

Sie räusperte sich. „Nein Amber, bin ich nicht. Ich hatte in den letzten Tagen viel Zeit um nachzudenken und habe dabei gemerkt, dass ich unbedingt mit dir reden muss."

„Hätten wir das nicht zuhause machen können?"

„Hätten wir. Ich bin auch eigentlich gar nicht hergekommen, dass wir miteinander reden. Ich wollte mir tatsächlich anschauen, für was du dich so interessierst, aber jetzt wo du so neben mir sitzt und mir die Chance gibt's dir anzuhören, was ich zu sagen habe, fühlt es sich einfach nach dem richtigen Zeitpunkt an."

Amber beobachtete, wie Anthony, Logan und Owen nebeneinander auf den Rasen liefen und dann ihre verschiedenen Positionen einnahmen. Ihr Herz begann wie wild in ihrem Herz zu klopfen, als ihr bewusst wurde, dass es in diesen Sekunden darauf ankam. Darauf, ob Huntsville tatsächlich noch die Meisterschaft gewinnen konnte.

„Und was möchtest du mir sagen?" Ambers Blick wich nicht von dem Footballfeld.

„So vieles. Ich muss dir so vieles sagen, Amber." Ihre Mom machte eine Pause, als der erste Ruf von Anthony kam. Er hielt den Football fest in den Händen und ging ein paar Schritte rückwärts, während die offensive Line vor ihm die gegnerischen Spieler zurückhielt und Owen und Logan genug Zeit gaben über das Feld zu rennen. Der Ball flog durch die Luft. Dreißig, vierzig Meter. Logan streckte sich, doch der Ball sprang an seinen Fingerspitzen ab und landete auf dem Rasen. Drei weitere Versuche blieben ihnen nun nur noch. Doch die Uhr tickte weiter.

„Amber, alles was ich dir sagen will ist, dass es ok ist. Deine Entscheidungen sind für mich in Ordnung. Und ich werde ich bei allem, was du dir vorstellst unterstützen. Auch wenn dein Dad vielleicht andere Vorstellungen haben sollte."

Ambers Blick wich zum ersten Mal von Rasen und sie blickte ihrer Mom in die Augen. Sie waren leicht glasig, doch auf ihren Lippen war ein unsicheres Lächeln zu finden. „Du findest...also du Unterstützt meine Entscheidung? Mom, ich weiß nicht...seit wann?", stammelte Amber.

„Seitdem du uns deutlich gemacht hast, dass du deinen Weg gehen wirst, egal was andere von dir denken. Das ist beeindruckend und ich weiß nicht so recht, ob dir das auch bewusst ist. Du stehst für das ein, was du wichtig findest und das bewundere ich an dir. Das kann ich einfach nur unterstützen."

„Was heißt das genau für die ganze Unisache?"

„Das heißt das du machen sollst, was du möchtest."

Amber nahm die Hand ihrer Mutter in ihre und gemeinsam beobachteten sie den zweiten Versuch von Huntsville. Wieder rief Anthony dasselbe wie einige Sekunden zuvor. Amber hielt die Luft an, als die Offensive Line die Gegner wegdrückte.

Logan und Owen gaben gleichzeitig alles. Sie sprinteten einige Sekunden, bis sie sich ein wenig umdrehten, um zu sehen, ob der Ball schon unterwegs war.

Anthony war geduldig. Er ließ seine Wide Reciever so lange wie möglich laufen, doch beobachtete genau, was vor ihm passierte. Er beobachtete, dass Logan zu nah an einem Gegenspieler war. Wenn er zu ihm werfen würde, war die Gefahr zu groß, dass der Gegner den Ball fangen konnte und somit Huntsville gar keine Chance mehr hatte.

Owen war schon fast an der Endzone und hatte viel mehr Platz. Doch das bedeutete auch, dass Anthony viel weiter werfen musste.

Das ganze Stadion hielt den Atem an, als der Football mit einer Wucht von Anthony durch in die Luft geworfen wurde. Er war zu hoch, um für Logan bestimmt zu sein. Alle Augen waren auf das braune Leder gerichtet, das durch die Luft wanderte. Owen lief schon fast seitwärts, um den Ball nicht aus den Augen zu lassen. Er machte zwei große Schritte, bevor er in die Luft sprang und nach dem Ball griff.