Kapitel 8 - Manchmal braucht es nur eine kleine Violet

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"Envision, create, and believe in your own universe, and the universe will form around you." — Tony Hsieh

Brooklyns P.O.V
Violet sah mich von unten herab an. Sie lächelte, hatte aber zu gleich einen strengen Ton auf den Lippen.
„Brooklyn, du musst dich beim Singen gerade hinstellen. Also Schultern zurück!" Ich rollte genervt mit den Augen und stöhnte auf. „Wieso...? Hier sieht mich doch eh keiner!" Violet atmete resigniert auf, als hätte sie einen nervigen Schüler an der Backe, dem man wirklich alles erklären musste.
„Es geht doch nicht nur um deine optische Wirkung. Du musst genug Luft haben zum Singen und die Töne werden dadurch so viel klarer." Ich sah Violet skeptisch an.
„Woher weißt du das denn jetzt schon wieder alles?" Violet kniff die Augen zusammen und zog noch etwas an mir herum.
„Weiß ich halt. Woher tut hier nichts zur Sache!" Ich seufzte wieder genervt auf, machte aber alles was Violet mir sagte. Sie straffte meine Schultern, ich sang jede Stimmaufwärmübung nach, die Tonleiter rauf und runter und versuchte so ernst es eben bei diesen albernen Übungen ging, ein und auszuatmen wie Violet es mir sagte.
Nach Violets kritischem: „Dein A muss ein bisschen höher sein!" resignierte ich. „Können wir nicht mal richtig anfangen zu singen? Wie sonst auch, mit richtigen Worten?" Violet sah mich mit einem nachsichtigem Blick an.
„Erstmal müssen wir doch bis dahin kommen. Es bringt dir gar nichts, wenn du nicht mal die einfachsten Basics kannst. Du wirst sehen, je besser deine Grundlagen sind, desto besser wird auch deine Umsetzung beim Singen sein." Violet sah meinen überaus genervten Blick. Ich wusste, dass diese ganzen Übungen wichtig waren, allerdings nervten sie mich und spaßig waren sie garantiert auch nicht. Violet biss angestrengt nachdenkend ihre Zähne zusammen.
„Na gut. Dann machen wir das jetzt eben noch fünf Minuten, ich korrigiere dich beim Singen und dann machen wir eine kleine Pause. Ich habe noch etwas für dich!" Meine Augen begannen zu funkeln.
„Wirklich?" Mein Herz begann zu hüpfen. Ich fühlte mich wie ein kleines Kind an Weihnachten. Was ja auch gar nicht soweit von der Realität entfernt war. Weihnachten war gar nicht mehr so lange hin.
„Ja, aber erst die Arbeit, dann das Vergnügen!" Violet stemmte streng ihre Arme in die Seiten, aber ich musste nur schmunzeln. Wenn sie versuchte strikt und angsteinflößend auszusehen, kam sie eher einem kleinem, süßen Hamster gleich. Aber ich gab nach. „Na meinetwegen."

Mir fehlte schon fast der Atem als Violet endlich nach gab und mir für heute eine Pause gönnte.
„Aber an deiner Kondition müssen wir echt noch feilen. Sonst bist du bei Konzerten schon nach der ersten viertel Stunde außer Atem!" Ich stützte stöhnend meine Hände in die Hüften, als wäre ich gerade 40 Kilometer durch die Wüste gerannt und versuchte meine Atmung unter Kontrolle zu bringen.
„Violet, tu doch nicht so, als würde ich wirklich mal überhaupt irgendwo auftreten können!" Ich war plötzlich sauer auf mich selbst. Wieso bekam ich das einfach nicht hin? Wieso konnte ich mich nicht zusammenreißen?
Violet starrte mich sauer an, verschränkte dann die Arme vor der Brust und ich fühlte mich, als würde sie mich am liebsten mit ihren Blicken aufspießen.
„Na mit so einer Einstellung ganz bestimmt nicht! Wieso machen wir das dann überhaupt?" fragte sie und zog eine Augenbraue nach oben.
„Das frage ich mich auch!" antwortete ich mürrisch.
„Ich sag dir warum!" Ich setzte mich auf den Klavierhocker. Violet kam näher. Nun konnte sie von oben auf mich runter sehen.
„Weil du das verdammt noch mal hinbekommst! Niemand hat bis jetzt irgendetwas erreicht, vom da sitzen und rumheulen, dass man das nie schafft. Das Showbuis ist nun mal nicht einfach. So wie vieles im Leben. Es wird immer Rückschläge geben. Aber weißt du was du dann machst? Dann stehst du auf und versuchst es nochmal! Wenn du nicht daran glaubst, dann kann das nichts werden. Dann schöpfst du dein Potenzial nämlich gar nicht erst aus. Also steh verdammt nochmal auf und kämpf dafür! Manchmal gehts halt nicht gleich, aber dann musst du deine Zähne zusammen beißen und das durch ziehen. Aufgeben ist nie eine Lösung. Im Gegenteil, dann musst du es doppelt so gut machen! Man, ich bin nicht immer da um dir in den Arsch zu treten!" Am liebsten hätte ich gesagt, wie gern ich sie aber immer um mich hätte, damit sie mir immer in den Arsch treten kann. Ich nickte.
„Ok." Violet nickte auch und sah plötzlich so müde und zerbrechlich aus. Ich versuchte das an mir vorbei gehen zu lassen. Ich versuchte mich immer wieder daran zu erinnern, dass wir nur diese paar Wochen noch durchstehen müssen, dann kann ich wieder abtauchen. In mein altes Leben.
Obwohl sich immer öfter die Frage in meinen Kopf drängte, ob ich das überhaupt noch wöllte. Mein altes Leben zurück zu bekommen.
Violet sah mir meine Nachdenklichkeit an der Nasenspitze an, denn sie griff ganz sanft und vorsichtig nach meiner Hand. Ich sah jedesmal in ihren Augen, wie sie meine Ringe bewunderte, bevor sie mich dann animierte aufzustehen und ihr zu folgen. Sie zog mich hinter dem Bühnenvorhang des Theaterraums, wo ihre Tasche auf dem Boden lag.
Als ich zögerte mich zu ihr zu setzen, weil der Boden dringend eine Reinigung nötig hatte, sah sie mich fordernd an, bis ich mich setzte. Jedoch versuchte ich so wenig wie möglich zu berühren.
„Du hast was für mich? Zeig schon!" Violet biss sich verlegen auf die Unterlippe, als wäre sie stolz auf ihre grandiose Idee. Sie zog ein kleines Notizbuch aus der Tasche. Es war in altem Stil und wirklich super schön. Allerdings wusste ich nicht viel damit anzufangen.
„Was ist das?" fragte ich angewidert und hielt es zwischen zwei Fingern gegens Licht. Violets Lächeln hingegen erlosch.
„Ein Notizbuch." murmelte sie und sah eingeschüchtert auf den Boden. Genervt verdrehte ich die Augen und atmete langsam ein und aus.
„Und? Was soll ich damit?" Violet sah überall hin, nur nicht zu mir.
„Da kannst du deine eigenen Songs aufschreiben. Ich dachte das brauchst du vielleicht... Wenn es dann soweit ist?" Ich zog die Augenbrauen zusammen. Violet kramte eine Visitenkarte aus ihrem Rucksack und sah mich mit großen Augen an, während ich die Karte entgegen nahm. „Milligan Records" stand groß und schwarz auf der Karte gedruckt, daneben ein Datum und eine Uhrzeit.
Mir fehlten ein wenig die Worte, was schon selten genug vorkam.
„Was soll das heißen?" Violet konnte mich immer noch nicht ansehen, als ob der Boden wesentlich interessanter wäre als ich.
„Du kannst bei Milligan Records vorsingen. Wenn du gut bist, bekommst du einen Plattenvertrag mit allem drum und dran." Mir stand der Mund offen. Auf einmal tat mir alles Leid, was ich zu ihr gesagt hatte, wie ich an ihr gezweifelt hatte und vor allem, wie ich sie immer behandelte. Als ob ich etwas Besseres wäre als sie. Dabei ist es genau anders rum.
„Aber warum...? Wie... Violet!" Ich wedelte mir Luft zu, damit meine Freudentränen blieben, wo sie waren. Aber ich konnte nicht anders, als mir meine Hände vor das Gesicht zu schlagen und zu schluchzen. Ich zog instinktiv Violet an mich heran und drückte sie fest an mich, solange ich in ihr Haar schniefte. Erst schien sie perplex und wusste nicht wie sie reagieren sollte, aber dann erwiderte sie meine Umarmung.
„Ist schon gut, Brooklyn. Nicht weinen. Bitte!" Sie wusste wirklich nicht mit meinem plötzlichem Hormonüberschuss umzugehen.
„Es ist doch bald Weihnachten. Ich hoffe das Geschenk ist gut genug für dich!"
„Das Beste was du mir hättest machen können!" murmelte ich. Mein ganzes Leben hatte ich immer gedacht, dass man sich Glück kaufen könnte. Wir hatten ein tolles Haus, tolle Autos, den teuersten Wein, aber nichts kam gegen dieses Gefühl an, was mir Violet in diesem Moment gegeben hatte.
Violet löste sich von mir.
„Ich könnte dich küssen!" quiekte ich erfreut. Violet schaute mich verblüfft an und es war kurzes Schweigen zwischen uns. Es sah aus als wollte Violet etwas erwidern, aber ich fragte einfach weiter um diese unangenehme Stille zu füllen.
„Aber wie?" Violet wank bescheiden ab.
„Erinnerst du dich noch an meine Schwester? Summer?" Aber natürlich. Wie könnte ich eine Erscheinung wie Summer vergessen?! Und vorallem diese überaus peinliche Situation mit ihr.
Ich nickte.
„Summer arbeitet bei Milligan Records. Sie hat bei dem Produzenten ein gutes Wort für dich eingelegt. Also bitte vermassel es nicht! Du weißt genau was in dir steckt. Manchmal braucht man nur die nötige Motivation etwas zu schaffen. Du musst nur an dich glauben. In dir steckt so viel mehr, als du vielleicht denkst. Du brauchst nur eine Vision. Das ist der entscheidende Schritt, damit Träume Wirklichkeit werden! Du musst etwas vor dir sehen können, was dich immer daran hält, deine Träume zu verwirklichen. Zum Beispiel wie du in einem wunderschönem Kleid über den roten Teppich läufst und jeder ein Bild von dir möchte. Kannst du es sehen?" Ich nickte. „Dann wirst du dir das verdammt noch mal jedes mal vor Augen halten, wenn du glaubst, dass du nicht mehr kannst. Gehe immer ein Stückchen weiter, als du denkst, gehen zu können. Nur dann verschieben sich deine Grenzen ins Unendliche. Versprichst du mir, dass du das schaffst?" Sie sah mich erwartungsvoll an. „Ich werde dich nicht enttäuschen!" Violet schüttelte den Kopf und sah mir tief in die Augen. Sie hob mein Kinn an, sodass ich ihr selbstbewusst in die Augen zurück sehen musste.
„Nein, du sollst DICH nicht enttäuschen, ok?" Das Vertrauen was mir Violet entgegenbrachte, machte mich ganz wackelig.
„Ich geb mein Bestes!" Violet sah mich wartend an, bis ich ergänzte.
„Und noch viel mehr!"

Reach for the starsWhere stories live. Discover now