Kapitel 12 - Nächte wie diese

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"She is like moon who fell in love with the blue night and shared all her light ..." ― Imran Sheikh

Brooklyns P.O.V
Ich sah Violet an, die neben mir in ihrem Bett lag. In ihrem viel zu großem, schlabberigem T-shirt ihrer Schwester. Violet hatte mich nicht einfach zurück in die kalte Nacht schicken können. Also hatte sie mir Schlafzeug gegeben und sich zu mir ins Bett gelegt.
Allerdings konnte ich vor lauter Kribbeln in meinem Bauch nicht mehr schlafen. Irgendwas war da. Etwas war da anders.
Ich konnte nicht anders als Violet zu betrachten, wie sie da lag, mit geschlossenen Augen und etwas in sich hineinlächelnd. Konnte man lächeln während man schlief?
Ich strich ihr vorsichtig eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Das war das erste Mal, dass ich sie wirklich genau betrachten konnte. Von ihrer Stupsnase, bis hin zu den kurvig geschwungenen Lippen und den langen Wimpern. Ich hatte das Gefühl, ich sah sie jetzt anders. Vielleicht bildete ich mir das auch alles nur ein.
„Was machst du nur mit mir, Violet?" murmelte ich. Vorsichtig schlug sie die Augen auf.
Sie lächelte schüchtern. Erschrocken atmete ich scharf ein.
„Kannst du auch nicht schlafen?" fragte sie mich dann. Ich schüttelte den Kopf.
„Nicht wirklich!"
Ich seufzte lächelnd. Am liebsten hätte ich in diesem Moment die Zeit angehalten.
„Was sind wir jetzt eigentlich?" Violet sah mich unsicher an. Ihr Lächeln verging.
„Ich weiß es nicht. Vielleicht sind wir einfach nur ein WIR. Vielleicht muss man ja nicht alles genau definieren." Ich nickte.
„Aber wir sind mehr als Freunde?" Violet lächelte wieder und nickte, konnte mir aber nicht in die Augen sehen. Dieses Lächeln stand ihr richtig gut.
„Dann würde ich dich gerne um etwas bitten..." Bevor sie sauer werden und protestieren konnte, drückte ich ihr meinen Zeigefinger auf die Lippen.
„Würdest du meine Eltern kennenlernen?" Violet entspannte sich kurz. Das hielt aber nicht lange an. Sie riss die Augen auf.
„Deine Eltern?" Sie schien plötzlich richtig panisch zu werden und zu zittern.
„Hey, Violet, es ist ok! Shh!"
Verzweifelt klammerte sie sich an meinen Blick. „Brooklyn, du verstehst das nicht! Ich pass da einfach nicht rein. Ich spiele doch gar nicht in deiner Liga. Diese Hollywood Welt ist nicht meins. Ich kann das einfach nicht!" Violet drehte sich auf die andere Seite, aber ich hörte sie schniefen.
Ich setzte mich ein bisschen auf, stützte mich auf meinen Unterarm und berührte ihre Schulter.
„Das musst du doch auch gar nicht! Pass auf, meine Eltern geben ein Weihnachtsbanket und ich darf das erste mal überhaupt jemanden mitbringen. Und ich möchte, dass du dieser jemand bist!"
„Warum ich? Willst du nicht diesen Jack mitbringen?" Sie musste leicht lachen. Ich schüttelte grinsend den Kopf. Der würde auch noch weniger in diese perfekte Hollywoodblase reinpassen. Außerdem war es anders. Violet war anders, als jeden den ich bisher kennengelernt hatte.
„Also, kannst du bitte dahin kommen? Du kannst mich doch nicht alleine dort lassen oder?" Sie sah zweifelnd über ihre Schulter zu mir.
„Für mich!" bettelte ich. „Ist das was Freunde tun würden?" antwortete sie dann. Ich nickte.
„Ok, dann komme ich! Für dich!"
Bei diesem Satz tanzten mir wieder die Schmetterlinge im Bauch. Ein Gefühl was ich so noch nie hatte. Nie so furchtbar und himmlisch zu gleich. Und unsere Lippen trafen sich erneut in der Mitte...

An diesem Samstag Abend sah sie anders aus. Atemberaubend schön, wie sie mit ihrem langem Kleid vor meiner Haustür stand und mich von unten herab anlächelte. Ihre Augen funkelten wie Diamanten und ich fühlte mich, als könnte ich mich jedes mal mehr und mehr in sie verlieben.
„Zu viel?" fragte sie unsicher lächelnd. Ich schüttelte mit dem Kopf. „Nein, perfekt!" stammelte ich mit runtergeklappter Kinnlade. Sie hatte sich sogar Locken gedreht und trug eine außergewöhnlich schöne Kette. Es war wie im Märchen, als ich sie herein ließ. Wie sie unsicher mit ihren hohen Schuhen durch die Tür schritt. Man merkte ihr an wie unwohl sie sich fühlte, weil sie hier wirklich nicht hingehörte. Aber ich wollte ihr meine Welt zeigen. Sie hatte alles Recht dazu. Sie staunte noch mehr, als das erste mal, als sie hier war. Ich merkte ihr ihre Faszination an. Sie sah aus wie eine Prinzessin in meinem Schloss. Am liebsten hätte ich sie herumgeschwungen, sie an mich gezogen und mit ihr getanzt, aber wir waren nunmal nicht alleine hier.
Ihre Blicke glitten über die Eingangshalle, die festlich geschmückt war. Von den Kronleuchtern über die reichgedeckten Tische bis zu den edlen Teppichen.
„Schau dir all diese reichen Säcke an." murmelte ich ihr ins Ohr. Sie musterte jeden einzelnen Gast von oben bis unten.
„Wie reich?" flüsterte sie zurück und sah mich mit ihren Rehaugen aufmerksam an. Am liebsten hätte ich sie wieder beschützend an mich genommen, aber das ging hier nicht. Hier war kein Platz für so eine Offenheit.
„Richy rich! Die wissen echt gar nicht was sie mit all ihrem Geld anfangen sollen, als würden sie es scheißen!" Sie sah nachdenklich aus. „Ich wette, die haben nie Probleme ihre Miete zu bezahlen." Verlegen sah sie sich weiter um.
Da hatte sie Recht, ganz sicher nicht. „Die sind so reich, die könnten deine ganze Straße aufkaufen." Erschrocken sah sie zurück zu mir.
„Von wie reich genau reden wir denn? Wie sieht es denn bei euch aus?" Ich biss mir geduldig auf die Unterlippe. Das konnte sie nicht wissen. Die Frage war auch sicher nicht böse gemeint. Allerdings beugte ich mich etwas zu ihr runter und murmelte noch leiser: „Sieh mal, Violet. In der Geschäftswelt redet man nicht so über Geld. Man hat es und genießt es. Aber sagen wir es mal so: Es ist immer genug!" Violet nickte wieder unangenehm berührt. Sie wurde ganz knall rot im Gesicht, was mir wiederum einen Stich ins Herz versetzte. Ich hätte ihr all das so gerne erklärt, ihr alles erzählt, aber das ging nunmal nicht so einfach.
Wir kamen auf meine Eltern zu, die uns erst nicht recht bemerkten. Sie standen da mit ihren Champagnergläsern und unterhielten sich mit Geschäftspartnern. Violet neben mir begann förmlich zu schwitzen. Ich nahm ihre Hand und ihre Atmung wurde ruhiger.
Als ich die Aufmerksamkeit meiner Eltern anforderte, räusperte ich mich nervös.
„Mum, Dad, ich möchte euch jemanden vorstellen." Sie drehten sich um. Meine Eltern waren zwei hochgebaute Gestalten. Man sah ihnen an, dass sie aus dem Hollywoodbuisness kamen. Mich wunderte es ehrlich gesagt nicht, dass ich als hübsch bezeichnet wurde. Meine Eltern hatten mir gutes Erbmaterial mitgegeben. Als wären sie nie gealtert.
Mum und Dad sahen mich erwartungsvoll an. Violet schob sich schüchtern hinter mir hervor. Sie lächelte mit leuchtenden Augen. Meinen Eltern fiel stattdessen alles aus dem Gesicht. Unbeirrt fuhr ich fort.
„Das ist meine Freundin..." Ich zögerte kurz, sparte mir aber nähere Erläuterungen: „Violet Reese." Violet streckte ihre Hand aus. Der Blick meiner Eltern war jedoch eisig.
„Brooklyn, was soll das denn jetzt?" Mein Lächeln erlosch genau, wie das von Violet. Ich drückte ihre Hand wieder nach unten.
„Machst du das um uns zu ärgern?" Meine Mutter wandte sich an meinen Vater, der nur gleichgültig mit einem glasigem Blick neben ihr stand. Er hatte eindeutig schon wieder Einen zu viel getrunken.
„Tom, jetzt sag doch auch mal was!" Raunte meine Mutter ihm zu und sah ihn panisch an. Aber keiner von uns wusste, wie er reagieren soll. Violet flüsterte mir nur ein kurzes: „Ich wusste doch, dass das keine gute Idee ist." zu.
„Brooklyn, wir haben dir doch gesagt, du sollst eine deiner Freunde mitbringen!" Ich nickte. „Wo sind denn Sienna und Jenna?" Mir stockte der Atem und ich sah, wie sich Violets Gesicht weiter verfinsterte.
„Mum, Sienna und Jenna sind nicht... Bitte akzeptiere, dass ich Violet mitgebracht habe! Weil ich sie mag, ok?" Meine Mutter sah mich skeptisch an, beugte sich dann aber näher zu Violet.
„Ok, du bist also Violet?" Violet nickte mit zusammengebissenen Zähnen. „Wir wissen beide, dass du hier nicht hingehörst!" In mir kochte alles. „Mum! Lass es doch jetzt gut sein!" Sie fixierte mich nur schnell mit einem mürrischem Blick, drehte sich dann aber wieder zu Violet.
„Allerdings hat Brooklyn dich ausgesucht. Also scheinst du ja irgendetwas an dir zu haben, was in Ordnung ist. Aber glaub bloß nicht, dass das irgendetwas zu bedeuten hat! Wir akzeptieren dich hier nur, verstanden?" Violet straffte sich und sah meiner Mutter kraftvoll in die Augen. Es war, als hätte sich in ihr ein Löwenmut aufgestaut. Das war bis jetzt noch keiner meiner Freundinnen in den Sinn gekommen... Sich tatsache meiner Mutter zu stellen. Ich hielt für einen Moment die Luft an.
„Ich akzeptiere Sie auch nur als Brooklyns Eltern. Sie werden wohl auch etwas an sich haben." Violet lächelte verschmitzt. Es war kurz Ruhe, während selbst meine Mutter ein wenig in Schockstarre verfallen war. Mein Vater und ich ebenfalls. Wir trauten uns nicht einmal zu atmen.
Sie richtete sich auf, ging sich kurz durch die Haare, nippte an ihrem Champagner und zeigte mit ihrem ringbesetzten Zeigefinger auf Violet.
„Die Kleine ist schlagfertig. Gefällt mir. Ganz ehrlich, Süße, wie viel hat Brooklyn dir bezahlt, dass du hier bist?" Mein Vater legte seinen rechten Arm um meine Mutter. Was sollte das denn jetzt? Wie hatte sich das Blatt aufeinmal um 180 Grad gedreht? Auch Violet sah ratlos zu mir.
„Na gar nichts. Wir sind wirklich Freunde." Meine Mutter lachte wieder auf.
„Der war gut. Wie viel hat sie dir gegeben damit du das sagst?" Ich schnaubte wütend.
„Mum, es reicht!" murmelte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen. Mir wurde diese ganze Situation langsam wirklich unangenehm.
„Hören Sie, Misses Young. Ihre Tochter bedeutet mir unheimlich viel. Deswegen würde ich auch gerne einen guten ersten Eindruck auf Sie machen. Allerdings machen Sie mir das nicht gerade einfach." Meine Mutter seufzte und legte eine Hand auf Violets zierliche Schulter.
„Das mag sein, Liebes. Aber hast du dich auch mal gefragt, ob du Brooklyn viel bedeutest? Glaub mir Schätzchen, sie hat da schon ganz andere Nummern abgezogen." Violet neben mir schluckte schwer. Ich drückte ihre Hand noch fester als eh schon. Als wöllte ich nicht, dass sie plötzlich los rennt und für immer verschwand.
„Ich vertraue Brooklyn." sagte sie mit fester Stimme. „Vielleicht sollten Sie das auch mal tun." Ich sah meiner Mutter an der Nasenspitze an, dass sie gleichzeitig beeindruckt und sauer war. Ich hoffte einfach, dass sie sich jetzt beherrschen würde.
„Na wie auch immer, wenn du dich so ins Zeug legst... Erzähl doch mal etwas über dich. Was machen deine Eltern so? Sind sie eher so die Familienmenschen...?" Meine Mutter schaute abfällig, genau wie mein Vater plötzlich einen angewiderten Blick drauf hatte. Natürlich waren sie davon kein Fan. Sie hatten ja auch keine Ahnung, was Liebe wirklich bedeutet.
„Oder arbeiten deine Eltern viel?" Meine Mutter schaute interessiert, obwohl sie Violet schon von Anfang an durchschaut hatte und wusste, dass bei ihr das Geld nicht auf Bäumen wuchs. Allerdings war ich nun auch gespannt. Denn das hatte ich Violet nie gefragt. Und jetzt quälte mich auch mein schlechtes Gewissen. Violet wusste sogut wie alles über mich. Für sie war es, als würde sie meine Eltern schon kennen, bevor sie sie überhaupt getroffen hatte. Aber ich wusste eigentlich gar nichts über sie. Ich hatte mir nie die Gedanken gemacht, wieso ich ihre Eltern noch nie kennengelernt hatte. Was mich für einen Moment auch etwas sauer machte. Aber ich schluckte meinen Ärger runter.
Und je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr bekam ich den Eindruck, dass ich Violet eigentlich gar nicht kannte. Ich kannte ihre Gedanken und ihre Gefühle, ihre Art und ihr liebevolles Lächeln. Aber ich kannte SIE nicht. Ich kannte nicht ihr Leben, ihre Vergangenheit oder ihre Gegenwart. Ich wusste nicht was sie beeinflusste oder inspirierte und auch nicht, was hinter ihrem schüchternem Lächeln steckte. Ich konnte mir nicht vorstellen, was sie zu dem Menschen gemacht hatte, der sie gerade ist. Als wäre sie plötzlich das Mädchen hinter dem Spiegel, was niemand sah.
„Nunja..." Violet begann zu stottern. „Was meine Mutter macht, weiß ich nicht." Wir sahen sie alle irritiert an.
„Als ich noch jünger war ist sie mit ihrem neuem Freund nach Spanien abgehauen. Ich hab seitdem nichts mehr von ihr gehört. Wahrscheinlich hat sie dort mit ihm eine Surfschule aufgemacht und hat jetzt das Leben in Freiheit von dem sie immer geträumt hat." Ich merkte Violet an, wie sie mit den Tränen zu kämpfen hatte. Aber sie blieb stark. Selbst in dem Blick meiner Mutter sah ich für einen kurzen Moment einen Funken von Mitleid.
„Und mein Vater hat bei der NASA gearbeitet." Meine Mutter nickte anerkennend. Das war schon mal ein Pluspunkt für Violet.
Meine Mutter konnte diese Aussage aber nicht auf sich beruhen lassen. Natürlich nicht.
„Er hat gearbeitet? Arbeitet er nicht mehr dort?" Violet schüttelte den Kopf, sah auf den Boden und flüsterte ein leises. „Nein, er arbeitet nicht mehr." Das war das Stichwort für meine Mutter. Sie plusterte sich auf und lachte lauthals. Als hätte sie nur darauf gewartet. Eine kaputte Familie und ein arbeitsloser Vater war ihre Horrorvorstellung, vorallem für jemanden, der mit mir Umgang hatte.
Für einen kurzen Moment bereute ich es, Violet all das nicht vorher gefragt zu haben. Aber was würde das ändern? Ich hätte sie so oder so heute mitgebracht. Und ich war stolz auf Violet, dass sie sich trotz der Umstände bis jetzt so tapfer geschlagen hatte.
„Wusste ich es doch! Wir hassen solche Art Menschen! Die nicht einmal für ihr Geld arbeiten. Und nur auf der faulen Haut liegen! Nicht wahr, Tom?" Sie drehte sich zu meinem Vater um, der zustimmend nickte und sein Glas hob. Bis eine Geschäftspartnerin zu ihm kam und ihm mit betörender Stimme ein: „‚Darf ich dich kurz entführen?" ins Ohr hauchte. „Hier wird es eh gerade hässlich." Antwortete er und ging. Ich sah ihnen mit finsterem Blick nach. Das war mal wieder typisch, dass er einfach abhaute, wenn es mal unangenehm wurde. Wie immer. Und die Frau war wahrscheinlich einer seiner Betthasen, mit der er Mum regelmäßig betrog. Wir wussten das, aber wir sagten nichts. Wir waren von innen eine genauso kaputte Familie. Die Hauptsache war nur, dass man das nie nach außen trug. Das würde unseren ganzen Ruf ruinieren. Und Mum wollte es nicht wahr haben.
„Reden Sie nicht so über meinen Vater!"

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Hallo Leute, ich wollte mich nur noch mal bei euch bedanken. Ich hab gesehen, dass ich wirklich einige sehr fleißige Leser habe und auch der ein oder andere sehr fleißig am Voten ist. Deswegen wollte ich heute noch ein Kapitel hochladen, vielleicht freut sich ja jemand darüber.
Ich wünsche euch schon mal eine schöne Osterzeit!

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