Kapitel 25 - Ich weiß nicht, ob du mich hörst, aber...

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"To infinity, and beyond!" - Buzz Lightyear

Als Brooklyn nach Hause kam war es schon recht spät. Kurz nach drei Uhr morgens um genau zu sein. Aber trotzdem setzte sie sich noch einmal auf ihren Balkon und beobachtete die Sterne. Sie konnte eh vor Schmerzen nicht schlafen. Morgen ist auch noch ihr großer Tag. Verzweifelt zog Brooklyn die Knie an und legte ihren Kopf darauf ab. Das durfte wirklich nicht wahr sein. Sie sah schlimm aus. Sehr schlimm sogar... und musste so morgen vor ihrer ganzen Schule singen.
Sie überlegte noch einmal Violet anzurufen. Aber was sollte das ändern? Sie war in Houston, sie würde nicht plötzlich vor ihrer Tür stehen können. Selbst wenn sie es wöllte. Was Brooklyn bezweifelte. Sie fragte sich nur, wann dieses irgendwann war, von dem Summer gesprochen hatte. Irgendwann in ferner Zukunft vielleicht. Und was waren sie und Violet dann? Vielleicht hasste Violet sie dann nicht mehr, aber sie würden sich wahrscheinlich nur noch auf den Gängen sehen und sich keines Blickes würdigen. Sie würden sich nicht einmal mehr anlächeln.
Brooklyn versuchte sich krampfhaft an einem positivem Gedanken festzuhalten, irgendwas, was sie ablenkte. Das mit der Party hatte ja nicht besonders gut geklappt. Im Gegenteil.
Da fiel ihr etwas ein. Sie zog ihr Handy aus der Tasche, was sie zum Glück gar nicht auf der Party dabei gehabt hatte. Das wäre jetzt wohl dahin.
Sie öffnete die App auf ihrem Handy und begann den Lifestream. Dafür dass es um drei Uhr morgens war, wurden es immer mehr Teilnehmer.
Nach ein paar Minuten seufzte Brooklyn und suchte nach Worten.
„Hey Leute, ich weiß, Violet und ich..." Bei dem Satz stockte ihr der Atem. „Haben uns lange nicht gemeldet und irgendwie dachte ich mir, dass ich euch eine Erklärung schuldig bin..." Brooklyn überlegte kurz. „Violet und ich waren... sowas wie ein Paar." Als sie diese Worte aussprach, explodierten die Kommentare förmlich, während Brooklyn nur das Herz vor Aufregung in die Hose rutschte. Aber jedes einzelne Kommentar davon war positiv. Und Brooklyn ein bisschen erleichtert. Es war als würde ihr ein Stein vom Herzen fallen, weil sie es endlich einmal laut ausgesprochen hatte.
Brooklyn fuhr mit gebrochener Stimme fort. Sie wünschte sich einfach, dass Violet das irgendwie sehen würde. Sie war der Grund, wieso sie genauso aussah wie sie aussah. Sie wusste allerdings nicht, dass Violet tatsache an ihrem Handy saß. Sie hatte auch nicht schlafen können und war noch mal rausgeschlichen um sich ihr Handy zu holen. Da hatte sie die Benachrichtigung bekommen, dass Brooklyn mit ihrem gemeinsamen Account live gegangen war. Ihr war genauso für einen Moment das Herz stehen geblieben, als Brooklyn ihre Liebe öffentlich gemacht hatte. Das war für sie der größte Liebesbeweis.
Aber als sie Brooklyn genauer ansah, erschrak sie. Die ganzen blauen Flecken, die blutverschmierte Nase,... Brooklyns ganzes Gesicht sah einfach nur schlimm aus.
„Oh mein Gott, Brooklyn, was ist passiert...?" murmelte sie und schlug sich die Hand vor den Mund. Sie hatte plötzlich das Bedürfnis ihr alle Wunden wegzuküssen. Sie wollte für Brooklyn da sein, aber sie konnte nicht. „Aber ich war leider so dumm und hab Violet gehen lassen." fuhr Brooklyn fort und es sah so aus, als würde sie sich das Weinen verkneifen müssen. „Heute bin ich nicht hier um zu singen. Das wäre um die Uhrzeit ja auch völlig bescheuert. Aber ich hab morgen einen super wichtigen Auftritt und ich will mich einfach ablenken. Also dachte ich mir, ich beantworte mal ein paar Fragen." Violet zuckte zusammen, als es sie wie der Blitz traf. Brooklyns Auftritt war ja morgen. Verdammt, das hatte sie voll vergessen. Sie hatte immer geahnt, dass sie irgendwann mal Heimweh bekommen würde. Also so richtig. Aber da kam es plötzlich über sie wie eine Welle, gerade jetzt als sie es am wenigsten erwartete. Am liebsten hätte sie sich unter ihrer Decke verkrochen und geheult. Aber das brachte wohl auch nichts.
Die erste Frage die Brooklyn vorlas, war die meistgestellte: „Wo genau ist Violet denn?" Brooklyn schien kurz zu überlegen und sah gedankenverloren in den Himmel.
„Sie ist in so einem Spacecamp. Da trainiert sie, damit sie irgendwann mal Astronautin werden kann. Sie hat so lange dafür gearbeitet. Das war immer ihr großer Traum." Ein anderer Kommentar sagte: „Das ist ein wirklich süßer Traum. Hast du sie damit genauso unterstützt, wie sie dich mit deinem?" Brooklyn biss sich getroffen auf die Unterlippe. Und auch Violet fühlte sich auf einmal ganz klein. Die Frage hatte einen wunden Punkt bei beiden getroffen. Brooklyns Stimme klang auch ganz weinerlich.
„Nicht so wie ich es hätte tun sollen. Ihr Traum ist wirklich zuckersüß. Genauso wie sie. Und je mehr ich daran denke, desto mehr bereue ich es, dass ich nicht so für sie da war, wie sie für mich. Und obwohl ich wirklich das größte Arschloch ihr gegenüber war, hat sie mich trotzdem mit meinem Traum immer unterstützt. Obwohl sie mein wirklicher Traum gewesen ist, ohne dass sie davon gewusst hat." Violet wurde ganz schwer ums Herz.
Brooklyn las weiter vor. „Oh jetzt wird es interessant. Was ist mit deinem Gesicht passiert? Du siehst aus wie eine Blaubeere." Brooklyn musste etwas lachen, aber zuckte kurz vor Schmerzen zusammen.
„Das ist ja mal kreativ. Naja diejenigen, die uns schon länger verfolgen und naja genau beobachtet haben, wissen vielleicht, dass das zwischen mir und Violet nicht immer einfach war." Violet zog am anderen Ende provozierend die Augenbraue nach oben. Nicht immer einfach war eine mega Untertreibung. „Aber trotzdem, hat Violet immer zu mir gestanden. Sie war meinetwegen im Krankenhaus und hat mir das nie übel genommen. Im Gegenteil. Ihr tat es leid und dafür, dass sie mein Leben gerettet hat, habe ich mich nie bedankt. Auch wenn „danke" nur so ein kleines Wort ist, aber... ich habs nie zu ihr gesagt. Auch wenn sie das wahrscheinlich alle Schmerzen hätte vergessen lassen.
Und ich bin im Gegensatz nicht für sie eingestanden. Ich weiß, das ist nicht, wie Freundschaft laufen sollte. Und Liebe erst recht nicht. Aber es kann so schwer sein, sich zu verändern. Aber ich bin jetzt bereit, die beste Version von mir selbst zu sein.
Und gestern war der Tag, wo ich was ändern wollte. Da war ich auf einer Party um mal den ganzen Herzschmerz wegzutrinken, weil verdammt nochmal tut ein gebrochenes Herz weh... Bitte macht das aber nicht nach... Wie auch immer, auf dieser Party war dieser eine Junge, der Violet das Leben zur Hölle gemacht hat. Da war ich wohl auch nicht ganz unschuldig dran. Violet hat mir nie erzählt, wie schlecht es ihr deswegen ging.
Aber in diesem Moment, als ich ihn gesehen habe, wie er auch noch schlecht über Violet geredet hat, da ist etwas in mir einfach ausgetickt. Ich war einfach so wütend auf ihn, dass wir angefangen haben uns zu streiten und irgendwie hab ich angefangen ihn zu schlagen. Ich wollte einfach, dass er seinen verdammten Mund hält. Und da haben wir begonnen uns zu prügeln. Ich hab echt keine Ahnung mehr, was da in mir vorging. Aber ich bereue es kein bisschen. Wenn du jemanden wie Violet so bedingungslos liebst, tust du alles dafür, dass niemand ihr wehtut. Und scheiße nochmal, er hatte das verdient." Violet wusste nicht wie sie reagieren sollte. Bei Brooklyns Dummheit. Aber mit dem Gefühl im Bauch, wie sehr sie Brooklyn auch bedingungslos liebt. Sie war wirklich für sie da gewesen. Und sogar mehr als das. Sie hatte alles für Violet riskiert.
Sie hatte für sie eingestanden.
„Leute, ich weiß jetzt, dass es immer Menschen im Leben geben wird, die nicht gut für euch sind. Aber dann gibt es da auch Menschen, die wie der pure Sonnenschein sind. Sie können dein Leben vollkommen verändern, aber am Ende stellt sich raus, dass sie nur wollen, dass du glücklich bist. So ein Mensch ist Violet. Sie fühlt sich an wie warme Sonnenstrahlen im Juni auf der Haut. Und zu solchen Menschen solltet ihr stehen, nicht die, die euch vollschleimen, aber wenns wirklich um was geht, nicht für euch da sind." Violet war eine Träne gekommen, die sie schnell wegwischte. „Oh Gott, ich wünschte ich hätte dich nie gehen lassen." murmelte sie mehr zu sich selbst. Brooklyn konnte sie ja nicht hören.
Brooklyn sah einen Moment etwas bedrückt aus. Aber bei der nächsten Frage begannen ihre Augen zu leuchten, als ob alleine der Gedanke an Violet sie zurück auf Wolke 7 katapultierte.
„Wie würdest du Violet in drei Worten beschreiben?" Brooklyn musste gar nicht lange darüber nachdenken. „Sie ist ein Träumer. Wirklich. Manchmal, wenn sie mit einem redet, hat man das Gefühl, dass sie in einem ganz anderem Universum lebt. Aber das macht es so viel schöner mit ihr zureden. Zweitens ist sie immer so bemüht. Sie kümmert sich wirklich um jeden mehr, als um sich selbst. Das kann einen aber manchmal echt wahnsinnig machen." Brooklyn musste kurz kichern, als ob sie an eine schöne Erinnerung mit Violet zurück dachte. „ Und das dritte....? Ach keine Ahnung. Ich könnte ein ganzes Buch über sie füllen, aber ich glaube, das was sie am besten beschreibt... Sie ist unglaublich liebevoll. Auch wenn kein Mensch mehr auf dieser Erde wäre, würde sie jeden Baum lieben, jede kleinste Note, die sie auf ihrem Klavier spielen kann... Ich glaube da ist nichts, was sie nicht lieben könnte." Violet schluckte für einen Moment. Sie konnte nicht glauben, dass Brooklyn so über sie dachte... So unglaublich verliebt eben.
Brooklyn sah wieder in die Kommentare. Als ihr eine Frage ins Auge sprang, stoppte sie sofort. „Ich glaube das ist die letzte Frage für heute Abend. Ich sollte wirklich versuchen zu schlafen. Sofern das damit..." Sie zeigte genervt auf ihr Gesicht. „... möglich ist... Aber die Frage ist mir wirklich wichtig... Was würdest du Violet sagen wenn sie jetzt zu sehen würde?" Violet rutschte sofort das Herz in die Hose, als Brooklyn sie mit diesem Blick durch das Handy ansah und packte. „Gute Frage..." fuhr sie nachdenklich fort. „Ich würde glaube ich sowas sagen wie: Hey Violet, ähm ich weiß, das zwischen uns ist gerade beschissen. Und das ist natürlich größtenteils meine Schuld. Ich hätte niemals sagen dürfen, was ich gesagt hab. Ich hätte mich für dich freuen sollen. Und glaub mir, ich hab dich nie mehr geliebt, als in diesem Moment. Ich vermisse es einfach so sehr, neben dir auf dem Dach zu sitzen und den Sonnenuntergang zu beobachten, wie er den Sternen Platz macht, zu lachen und vorallem zu träumen. Ich vermisse es dir Küsse auf deine Stupsnase zu geben und ich vermisse es, dass du mir erzählst wie das Leben wirklich ist, auch wenn deine Gedanken anfangs meistens verrückt klingen, aber sie sind immer so verdammt richtig. Ich wünschte, ich hätte dir nie gesagt, wie blöd dein Traum ist, sondern dir dafür gesagt, wie sehr ich dich liebe und dass du die wichtigste Person in meinem Leben bist. Weil du die einzige Person bist, die über wirklich wichtige Dinge nachdenkt und mich.
Du hast immer gesagt, vergeben ist wirklich hart, aber hinter jeder schwierigen Challenge ist auch ein wunderschöner Preis. Und ich verspreche dir, wenn wir jemals wieder..." Brooklyn drehte sich kurz weg um sich wieder zu sammeln. „Entschuldigung." schniefte sie. „Und wenn wir jemals wieder... werde ich für dich immer einstehen, jede Minute und Sekunde bis wir das Ende des Universums erreichen. Und auch wenn du ins Weltall fliegst und deinem Traum nachgehst, will ich einfach nur, dass du die beste Zeit deines Lebens hast. Ich will einfach nur, dass du glücklich bist, weil das ist, wie Liebe nunmal sein sollte. Und auch wenn ich es dir nicht so sagen konnte, hoffe ich wirklich, dass wir irgendwann wieder gut miteinander sind. Ich vermisse dich nämlich bis nach Houston und wieder zurück." Violet fühlte sich, als hätte man ihr das Herz aus der Brust gerissen. Sie hätte schreien und heulen können. Sie liebte Brooklyn auch und zwar bis zum Mond und wieder zurück, wenn nicht sogar bis zum Ende der Galaxy und zurück. Da konnte auch ein Flug zum Mond nicht mithalten. Also sprang sie auf. Es war an der Zeit...

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