Kapitel 22 - Der Schatten meiner Gedanken

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"The past beats inside me like a second heart." ―John Banville

„Violet?" murmelte ich. Ich ließ mich wieder auf die Sitzbank fallen, als mir die Beine wegklappten. „Was machst du denn hier? Ich dachte du bist in diesem Camp." Sie schüttelte nur leicht den Kopf. Ihre Haut war nicht so klar wie sonst. Sie erschien soweit weg. Sie lächelte etwas mitleidig. „Du bist gar nicht echt oder?" Sie nickte. Da hatte mir meine Imagination wohl einen Streich gespielt. Toll, jetzt drehte ich wirklich durch. Oder die Flasche Wein, die neben der Bank stand, war Schuld. Aber das war mir egal. Ich sehnte mich so nach ihrer Nähe, dass ich sie nicht aufhielt, als sie auf mich zu kam und sich auf die Bank setzte. Ich rückte vorsichtig neben sie.
„Ich wünschte, ich könnte mich bei dir entschuldigen. Ich suche schon seit Ewigkeiten nach Worten, aber es gibt einfach Keine. Es wird sich nichts daran ändern, wie es jetzt ist. Ich bin so ein Vollidiot. Es tut mir einfach so verdammt leid. Ich hätte dir zuhören sollen. Dann hätte ich gewusst, dass du auch Träume hast. Es tut mir so leid, dass ich dieses Casting heute..." Violet legte plötzlich eine Hand auf mein nacktes Bein. Aber ich fühlte sie nicht. Ich wollte ihre warme Hand auf meinem bloßem Oberschenkel spüren. Aber da war nichts außer ein Windhauch der lauen Nacht. „Es ist ok." murmelte ihre zarte Stimme. Plötzlich wusste ich, was Violet fühlte, wenn sie von ihrem Vater sprach. Wahrscheinlich war es so. Nur als würde eine kalte Seele einen durch dringen. Aber etwas fehlte.
„Du bist doch gar nicht echt." flüsterte ich und drehte mich weg. Ich wollte nicht, dass sie sah, wie ich weinte. Das hatte sie schon viel zu oft gesehen. Ich wollte dass sie weiß, dass ich stark bin. „Ich bin vielleicht nur in deinem Kopf. Aber ich bin hier um dich daran zu erinnern, dass es ok ist. Ich würde dich nie verlassen, das weißt du. Und dass es nie zu spät ist, sich zu entschuldigen und sein Bestes zu geben. Es ist nie zu spät, die beste Version von sich selbst zu sein, erinnerst du dich? Es ist nie zu spät um das Leben zu leben, für das du dich bestimmt fühlst. Die einzige Barriere ist hier oben." Sie zeigte auf meinen Kopf. Ich nickte schluchzend.
„Violet, warum sagst du immer, es ist ok, obwohl es das gar nicht ist?" Violet neben mir seufzte. Das hatte ich irgendwie schon vermisst.
„Es gibt nicht schlimmeres, als Schuldgefühle, die gar nicht nötig sind. Dinge können passieren, man macht Fehler. Die Hauptsache ist nur, dass man sie nicht nochmal macht und daraus lernt... Und natürlich sein Bestes zu geben, sie wieder gut zu machen. Keiner ist perfekt. Ja auch du nicht, ..." Ich erwartete, dass sie Brooks sagte. Ich hoffte auf dieses warme Gefühl in meinem Bauch. Aber sie sagte es nicht.
„Ich wünschte manche Menschen wären einfach mehr wie du. Die mir zuhören, obwohl... Weißt du was...?" Violet sah mich fragend an. „Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich gar nichts zu sagen habe. Ich fühle mich so leer. Meine Worte fühlen sich so leer an." Violet schmunzelte mich aufmunternd an. „Das ist nicht wahr. Und in deinem Innerem weißt du das auch. Du möchtest alles rausschreien. So ist es eigentlich. Du warst so lange leise, da weißt du einfach nur nicht mehr wie das ist. Aber Brooklyn, bitte verliere deine Stimme nicht... Du weißt, da ist mehr in dir als das." Ich wurde langsam richtig sauer auf mich.
„Warum sagst du mir das alles? Du bist doch gar nicht echt! Du bist nur in meinem Kopf." Brüllte ich plötzlich.
Violet stand auf. „Brooklyn, nur weil ich nicht real bin, heißt es nicht, dass meine Worte nicht wahr sind.
Außerdem sind deine Worte nicht das, was dich ausmacht. Es ist egal was du sagst. Es kommt darauf an, was du fühlst, was dich schlau macht und die beste Version von dir selbst." Ich atmete einmal tief durch und wischte mir die Tränen von der Wange.
„Violet, kannst du bitte für eine Weile bei mir bleiben?" Violet ging wieder einen Schritt auf mich zu und strich mir über die Haare. Zumindest stellte ich mir das vor. Ich würde morgen einen mächtigen Kater haben. Das wusste ich jetzt schon. „Natürlich, ich bin immer an deiner Seite. Ich würde dich nie allein lassen." Ich ließ die Worte kurz sacken. Das stimmt. Das würde sie nie.
„Ich weiß, Danke, Violet Reese." 

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