Kapitel 24

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Seufzend versuchte Tao zum gefühlt tausendsten mal eine bequeme Position zu finden. Der Zug ruckelte und schüttelte, als wolle er aus Tao einen Milchshake machen. In der Gepäckabteilung, in der Tao sich versteckte, roch es nach alten Socken, doch da eines der winzigen Fenster undicht war, strömte wenigstens etwas frische Luft herein. Korea hatten sie seit ungefähr drei Stunden hinter sich gelassen, die Landschaft füllte sich nach und nach wieder mit Häusern und Menschen. Anfangs waren es vereinzelte Hütten und einsame Bauernhöfe gewesen, gefolgt von kleinen Dörfern. Die schroffen Berge wechselten zu sanften Hügel und Tao fiel auf, dass der Sommer bald vorbei war. Erste Bäume zeigten einzelne gelbe Blätter hervor und Tao erkannte bei einem kurzen Zwischenstopp sogar die ersten Äpfel an den Apfelbäumen. Tao liebte die Anfangszeit des Herbstes. Es war nicht zu heiß und es war nicht kalt. Die stickige Luft wich einer frischen, erkühlenden Brise, Beeren, Früchte und Pilze riefen ihn zu neuen Abenteuern auf. Sein Vater hatte immer bei der großen Menge an Ernte, die Tao immer nach Hause gebracht hatte, verzweifelt den Kopf geschüttelt und Tao gezwungen, ihm beim Einlegen zu helfen. Und Tao hatte gerne geholfen, er liebte die eingelegten Früchte im Winter zu verzehren.
Die Erinnerungen trieben dem Jungen ein Lächeln ins Gesicht. Er wird die Zeit vermissen. Ein heftiges Ruckeln riss den Jungen aus seinen Gedanken.
,,Nong'an-Station, 30 Minuten Aufenthalt!", hörte Tao den Schaffner gedämpft schreien.
Toll, eine halbe Stunde Nichtstun.
Tao stieß einen tiefen Seufzer aus. War ja nicht so, als wäre ihm sowieso langweilig. Ein leises Klopfen ließ ihn heftig aufschrecken, doch Tao beruhigte sich schnell wieder. Leise verschwand er hinter einem der Koffer. ,,Zitao, ich bins.", flüsterte jemand schreiend. Tao lugte hinter dem Koffer hervor und atmete erleichtert aus. Es war einer der Bahnführer, der von Tao wusste und ihm das Versteck ermöglichte. ,,Ich hab dir was zu essen mitgebracht und frisches Wasser zum Trinken. Du kannst dir auch grad die Beine vertreten, es sind im Moment alle weg." Tao nickte verstehend und trat aus dem Zug raus. Ausgiebig streckte er sich erstmal. Der Bahnfüher lachte. ,,Kann ich verstehen, am Anfang konnte ich auch nicht lange stillsitzen und wollte mich ständig bewegen." Johoong, so hieß der Kumpel seines Vaters, hob eine kleine Tasche vom Boden auf. ,,Nimm das, dort befinden sich einige Bücher und was zum Malen gegen die Langweilige." ,,Danke. Das werde ich sicherlich brauchen. Es ist nämlich wirklich langweilig alleine."
,,Das glaub ich dir." Johoong klopfte Tao auf die Schulter. ,,Hübsches Armband.", bemerkte Tao. ,,Gefällt es dir?", fragte Johoong. Tao nickte. ,,Es ist so schlicht." Johoong nickte zustimmend und ließ den roten Schmuck wieder unter den Ärmel verschwinden. ,,Ich muss dich wieder alleine lassen, sonst wundert sich der Kollege noch." Der Bahnführer nickte Tao noch einmal zu und verschwand.

Tao kletterte zurück in den Zug, nachdem er ein paar natürliche Bedürfnisse erledigt hatte.
Länger draußen bleiben wollte er nicht riskieren, er musste unter allen Umständen vermeiden, das ihn irgendjemand entdeckte.
Laut Johoong würde der Zug während der Nacht nur wenige kurze Pausen einlegen, dafür aber vor der Stadt Hulun-Buir eine längere Rast machen, da die Passagiere die Landschaft bewundern wollten. Soweit Tao wusste, befand sich ein Fluss und einige Seen in der Gegend sowie heiße Quellen, die viele Touristen auf sich zogen. Das hieß, dass die längere Rast, wie Johoong gesagt hatte, vermutlich einen ganzen Tag dauern wird und Taos Flucht sich somit verlängerte.

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Nein, ich war nicht tot, ich war nur in der Nachtschicht. Anscheinend verschwindet meine Kreativität bei der Dunkelheit 😂.
Wünsche euch noch einen schönen Restabend und eine gute Nacht.

Wanted //Taoris//Where stories live. Discover now